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Immanuel Hegel an Karl Hegel, Berlin, 28. April 1889

Lieber Karl!

Es thut mir sehr leid, daß die mitgebrachte Berliner Uhr sich gleich am ersten Anfang so schlecht aufgeführt hat.1 Ich habe sie sogleich nach Empfang dem Uhrmacher überbracht, der sich damit entschuldigte, daß ihm zur Regulirung eine zu kurze Zeit eingeräumt worden sei. Er versprach sie in gute Ordnung zu bringen. Inzwischen wird sie vielleicht wieder Deinem Enkel und Pathen zugegangen sein und sich hoffentlich auf die Dauer bewähren. In den nächsten Tagen werdet Ihr nun in Erlangen die Feier der Einweihung des neuen Universitätsgebäudes2 erleben und ich bringe Euch dazu auch meine bescheidenen Glückwünsche. An warmer Theilnahme von Nahe und Ferne wird es dabei nicht fehlen. Zum Fest wurden wir durch den Besuch von Felix Klein aus Göttingen überrascht, der hier in mancherlei Geschäften sich über eine Woche aufgehalten hat. Er war wohl und frisch, und beabsichtigt, jetzt baldigst sein neues Haus zu beziehen. In den Osterfeiertagen3 besuchte uns auch mein Schwager Adalbert aus Breslau; er kam nicht in Geschäften, sondern nur in dem Verlangen uns, insbesondere seine Schwester Clara wiederzusehen. Er war in gemüthlicher Stimmung und wollte jetzt gleich nach den Feiertagen mit Ella nach Italien reisen; zunächst seine Tochter Ellis in St. Remo abholen und dann längere Zeit in Florenz verweilen. Den Rükweg will er über Venedig und Wien nehmen. Er ist ein Beweis, daß diese Geschwister sich noch immer jugendlichen Unternehmungsgeistes erfreuen.

Von unseren Kindern in Oppeln haben wir auch gute Nachrichten; sie sind dankbar, daß der Winter jetzt anscheinend abgezogen ist und sie ihren Garten genießen können, wo sie im Freien Kaffee trinken. Dieses Vergnügen wird vermuthlich gleichfalls Willy in Pietzpuhl theilen, da überall sich jetzt das Frühjahr in voller Pracht entfaltet. Wir erwarten ihn in zehn Tagen wieder zum Reichstag, wo die letzte Entscheidung über das Invalidensgesetz getroffen werden soll. Es erheben sich zahlreiche bedenkliche Stimmen dagegen, namentlich von Seiten der Landwirthe im Norden und Osten des Landes, so daß der Ausgang noch sehr ungewiß erscheint. Jedenfalls ist es ein großes Unternehmen, das auch eine Verschleppung nicht ertragen kann.

Mit herzlichen Grüßen von Clara und Klärchen für Dich und Deine Kinder

Dein Bruder
Immanuel