Ich darf die Berliner Correpondenz wohl nicht ganz und gar an Susettchen allein überlassen, wiewohl es mir ganz recht ist, daß sie die größere Hälfte davon übernimmt, um Euch vollständigere Nachrichten über unsere häusliche Einrichtung und unsere Lebensweise zu geben, als Ihr sie von mir erhalten würdet. Mir bleibt noch zu berichten, theils was mich speciell betrifft, theils wie ich das, was uns gemeinsam angeht, von meinem Standpunkt aus ansehe. In letzterer Beziehung scheint es mir beinahe überflüssig, das Glück meines gegenwärtigen Zustandes und die Befriedigung, welche ich in meinem häuslichen und ehelichen Leben täglich und stündlich empfinde, noch besonders gegen Euch zu preisen oder viele Worte darüber zu machen, da sich dies so sehr von selbst versteht und weniger sagen und beschreiben, als empfinden läßt. Auch würde es mir kaum anstehen, mein Susettchen viel zu rühmen und zu loben, und mag es darum genug sein, wenn ich Euch im Vertrauen bekenne, daß meine innig geliebte Frau alle Eigenschaften besitzt, um mich glücklich zu machen. Vor Allem ist mir besonders wohlthuend ihre immer gleichmäßig heitere Stimmung und ihr glücklicher leichter Sinn, womit sie auch mir das Leben verschönert, dem ich sonst nur zu sehr geneigt war, es mir durch mein Temperament zu erschweren. Durch dieselben Eigenschaften, verbunden mit Unbefangenheit und Einfachheit des Benehmens, mit Offenheit und Herzlichkeit hat sie sich auch leicht bei meinen hiesigen Bekannten eingeführt und bei den Freunden, denen sie näher gekommen ist, beliebt gemacht. Übrigens sind wir erst vor wenigen Tagen mit allen Besuchen herumgekommen, da wir in der ersten Zeit mit der inneren Einrichtung des Hauses beschäftigt waren, dann auch zum Theil durch das schlechte Wetter am Ausgehen verhindert wurden. – Unsere Wohnung ist recht heimlich geworden, nachdem die eleganten neuen Möbel überall ihre passende Stelle gefunden, Rouleaux und Gardinen aufgehängt sind. Auch der Flügel ist seitdem, neu beledert, angekommen und gereicht es uns zum besonderen Vergnügen nach Tisch, Mittags oder Abends, ein quatre main1 darauf zu spielen. Daß ich oben wohne, wird schon Susettchen geschrieben haben; zufällig ist die Tapete meines Arbeitszimmers überwiegend grün, so daß Gardine und Überzug des Schlafsopha vollkommen anpassen. Noch fehlt, beiläufig gesagt, das von der lieben Mutter für uns gekaufte Rouleau, welches sie bereits vor 14 Tagen dem Knecht des Fuhrmanns einhändigte – der Knecht ist, wie ich erst jetzt erfahren, hier gewesen, hat aber das Rouleau weder abgeliefert noch mitgebracht, vielleicht um sich nicht, wegen des angebrannten Fasses, nicht bei uns sehen zu lassen; ich habe deshalb das Einliegende geschrieben und bitte Dich es per Stadtpost zu besorgen. –
Während der schönen Tage der letzten Zeit waren wir zwei Mal in Warnemünde, einmal auf einen ganzen Tag, und ein Mal in Doberan am heiligen Damm, wohin wir auf der See per Dampfschiff von Warnemünde aus fuhren; es war ein sehr schöner sonniger Nachmittag; Susettchen konnte sich nicht satt sehen an den Schönheiten des Meeres. In Warnemünde waren wir versucht, einige Tage zu bleiben, wenn wir nur gerade eine gut gelegene Wohnung gefunden hätten; die Anwesenheit von Frau Bruns mit ihrer Mutter, einer lieben echten Schwäbin, von Regierungsrath Prosch und Frau, von Karstens2 hätte uns – bei dem herrlichen Wetter und den schönen Mondnächten – jetzt einen kurzen Aufenthalt in Warnemünde besonders angenehm gemacht. Auf längere Zeit hinüberzugehen finden wir uns noch nicht disponirt, da wir uns eben erst einer geordneten Häuslichkeit erfreuen. Sollten aber die Eltern sich wirklich entschließen, noch in diesem Herbst hierher zu kommen, so werden wir ihnen vorschlagen, mit uns, so lange es ihnen gefällt, in Warnemünde zu bleiben.
Mit vielem innigsten Antheil habe ich von der lieben Mutter vernommen, daß es mit ihrem Fuß und sonstigem Befinden sichtlich besser geht und knüpfe ich daran die Hoffnung, auch sie vielleicht noch in diesem Herbst bei uns zu sehen, wenn nicht andere Umstände dies verhindern oder wenn sie nicht vorzieht, uns, sei es im Herbst oder zu Weihnachten zu sich nach Berlin einzuladen – doch wird auch dies noch davon abhängen, ob die lieben Eltern von Nürnberg uns besuchen; nichts hat die liebe Mutter von dem geschrieben, daß sie es für vernünftiger halten würde, ihren Besuch auf das nächste Jahr zu verschieben, aber der Vater hat sich noch nicht darüber geäußert. – Recht sehr hat es mich auch gefreut zu hören, daß unsere liebe Friederike mit den Kinderchen nach Friedrichsfelde gezogen ist, wobei Du, lieber Manuel, freilich auf einige Zeit von ihnen größtentheils getrennt bist; doch wird Dich das Gedeihen der Kinder in der stärkenden Landluft gewiß reichlich dafür belohnen und ein frohes Wiedersehen bei Deinem wöchentlichen Besuch Euch beide doppelt erfreuen. Sehr gespannt bin ich zu erfahren, ob Vater Flottwells Versetzung nach Magdeburg wirklich stattfinden wird: wie herrlich wäre das! wie erwünscht für Euch, für ihn und die ganze Familie! – ich nehme den innigsten Antheil an der Erfüllung dieser Aussicht.
Elises Weggang thut mir unserer lieben Mutter wegen sehr leid und wird sich dafür schwerlich ein Ersatz finden lassen. In wiefern ihr Helene Meyer aus Nürnberg nützlich sein könnte, getraue ich mir nicht mit Sicherheit zu beurtheilen, da ich sie zu wenig kenne. Susettchen meint, Helene würde wenig Anspruch machen, doch würde es hauptsächlich auf die Mutter selbst ankommen, ob sie es sich gefallen lassen möchte, daß Helene ihr diene! Gewiß ist dies das hauptsächliche Bedenken. –
Was hältst Du von der deutschen Sache3? Der Bruch mit Österreich scheint unvermeidlich. Auch der schleswig-holsteinische Krieg macht für Deutschland einen Wendepunkt, wo sich seine Schmach oder seine Ehre entscheidet. Über die Politik Preußens wird erst dann ein Endurtheil zu fällen sein, wenn sich herausstellen wird, wie viel sie für Alles, was sie bis jetzt aufgegeben oder verloren hat, in Deutschland erreicht oder behauptet. Beinahe muß ich befürchten, daß sie nach und nach alle ihre Positionen verlieren wird. – Vor Warnemünde zeigen sich bald russische, bald schwedische oder dänische Kriegsschiffe, wodurch die Badegäste viel Unterhaltung bekommen. –
Meinestheils vermisse ich eine praktische Wirksamkeit, die mich beschäftigt und befriedigt. Mit dem bloßen Studieren will es noch nicht recht gehen und ich habe mich seit zwei Jahren zu sehr dran gewöhnt, an der lebendigen Gegenwart in der Nähe wirkend und darin ordnend Theil zu nehmen. Ich suchte daher nach einer Arbeit von praktischer Bedeutung, die mich auf irgend eine Weise in diesem Zusammenhang erhält. –
Noch möchte ich Dich bitten, Dir von Nordenflycht, den ich bestens grüßen lasse, die Gebrauchsanweisung des Romershausener Augenwassers geben zu lassen und mir baldmöglichst zu schicken; ich kann die meinige nicht finden NB.4 und das Augenwasser deshalb nicht anwenden. –
Mit den herzlichsten Grüßen an die liebe Mutter, Friederike und Deine Kinderchen und der Bitte um baldige Antwort
NB.5 Vielleicht ist sie im Schreibsekretär des Vaters liegen geblieben, wo ich Dich noch einmal nachzusehen bitte.