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Immanuel Hegel an Karl Hegel, Berlin, 10. Oktober 1838

Rosenkranz ist auch seit 10 Tagen hier; gestern besuchte er die Mutter; heute Mittag werden wir ihn wieder bei Marheineke sehen! Er ist ein ganz prächtiger Mensch, seine Einfachheit, Loyalität und die Harmlosigkeit, die den Grundzug seines Wesens bildet, macht ihn unbeschreiblich liebenswürdig. Gegen jedermann gleich, immer derselbe, immer gut, herzlich, freundlich und vergnügt. Gestern wurden große Projekte gemacht, er erfuhr von den Gymnasialheften2 und erklärte sich sogleich bereit sie herauszugeben, doch ohne vorher irgend Jemand etwas zu sagen, um die Welt damit zu überraschen; er nimmt die Hefte – Wiese3 hat die seinigen zurückgegeben – mit nach Königsberg. Ferner sagte er, daß er alle Theile der Gesamtausgabe recensirt habe und es bei der Enzyklopädie die noch kommt4, ebenfalls thun werde; dann habe er die Absicht ein Buch über das Ganze zusammen, eine Übersicht aller Theile und Einleitung dazu zu schreiben. Wir bemerkten ihm, daß er dann auch eine Karakteristik des Vaters, so wie über Daub geben wollte; daß er dies zu einer Biographie ausdehnen könne, und wir ihm die Materialien dazu liefern wollten. Dies ergriff er mit außerordentlicher Begeisterung, und will wenn er ein Buch über Kant, das er diesen Winter, als Einleitung zu dessen Werken ausarbeiten will, fertig habe, wieder hierher kommen, alle Materialien zu sammeln und dann ans Werk gehen. – Übrigens reflektirt Marheineke noch in anderer Hinsicht auf Rosenkranz; Duncker hat erklärt, daß noch 20–30 Exemplare der Religionsphilosophie5 vorhanden und eine neue Auflage daher rasch notwendig sey. Marheineke, der das Bedürfnis einer Umarbeitung einsieht, ist mit den Daubschen Werken und mit der 3. Auflage der Dogmatik beschäftigt6, er sagte mir daher, er wollte mit Rosenkranz darüber sprechen, ob dieser es etwa übernehmen wolle. Ich fürchte aber, Rosenkranz werde in diesem Winter nicht die zeit dazu haben; heute Mittag wird Marheineke wohl mit ihm darüber sprechen. Uns wäre es natürlich unendlich lieb.

In der Litteratur wäre ein Buch von Leo: die Hegelingen7, gegen die Junghegelsche Rechte zu bemerken: eine Denunciation derselben beim Publikum, als Atheisten, ohne Glauben an Unsterblichkeit der Seele, nicht das Gute und Böse unterscheidend etc. ein radicales, skandaleuses Buch; durch eine Erwiderung Ruges auf seine Vorrede zur 2. Ausgabe des Antiathanisius8 ist er so getroffen und erbittert, daß er Gefahr läuft, verrückt zu werden. Ruge hat ihn und das Berliner politische Wochenblatt in den Halleschen Jahrbüchern tüchtig und ganz kannibalisch vorgenommen, so daß ich mich unbändig freute. Gegen jene Denunciation Leos soll er eine sehr gute Antwort fertig haben. – Leo denunciert besonders die Halleschen Jahrbücher, die Litterarische Zeittung, Strauß und Michelet. Die Dummheiten von Michelet stellt er in ihrer Blöße stark heraus. Er belegt seine Anschuldigung mit Stellen. – Diese Geschichten ruinieren Leo ganz vollständig; er kompromittiert sich ganz entsetzlich.