Wir bringen Dir, lieber Karl, zu Deinem Geburtstag1 unsere herzlichsten Glückwünsche, und hoffen, daß dieser Tag und das kommende Jahr Dir und uns ein gutes und frohes sein werde. Ich wünsche Dir vornehmlich, daß Du Dein Werk2 bald zu Deiner Genugthuung vollendest und daß die Hoffnungen, welche Du daran knüpfst, Dir in Erfüllung gehen. Es wird Dir auch eine große Wohlthat sein, von der Last dieser Arbeit befreit zu werden und Dich wieder etwas bequemer und freier ergehen zu können.
Wir haben recht lange von Dir Nichts gehört, vermuthen daher, daß Du tief in der Arbeit sitzest. Die Frau Professor Becker, welche uns Deinen letzten Brief3 zugesandt hat, wollte ich besuchen, traf sie aber nicht zu Hause. Wir freuen uns sehr darauf, Dich nun bald wieder hier zu sehen, und hoffen, daß Du uns nicht so rasch verlassen wirst. Eine Erholung und Zerstreuung kannst Du Dir wohl einmal gönnen.
Meine Hochzeit hat noch keinen festen Termin erhalten; doch so viel steht fest, daß sie nicht schon im Juni, sondern in den ersten Tagen des Juli stattfinden wird. Du magst Dich daher auf dem 2ten oder 3 ten Juli zur Abreise rüsten, bis wohin Du wohl ohne Anstand Deine Vorlesungen zu den Ferien schließen kannst. Sollte diese Bestimmung eine Abänderung erleiden oder wird der Tag genau festgelegt, so werde ich Dich unverzüglich davon benachrichtigen.4 Meine Wohnung ist nun vollständig und sehr ordentlich und freundlich in Stand gesetzt, und in den nächsten Tagen werden wir sie mit Meubeln und Geräthschaften füllen. So geht es langsam, aber doch vorwärts; ich werde froh sein, wenn der Brautstand ein Ende hat; ich habe mich mit seinem …5 und zwiespältigen Wesen wenig befreunden können, da ich einen bestimmten festen Zustand und eine abgeschlossene Selbstständigkeit vorziehe und auch gewohnt bin. Doch darf ich deshalb nicht gegen das verflossene Jahr undankbar sein; es ist reich an Wonne und Freude gewesen und hat mir manche nützliche Erfahrung gebracht. Der Brautstand scheint mir eine unentbehrliche Vorschule des ehelichen Lebens zu sein; er macht uns mit den Eigenthümlichkeiten der weiblichen Natur bekannt und lehrt uns sie nicht bloß zu schonen, sondern auch zu lieben; und glücklich ist der zu preisen, welcher wie ich, dabei die Ueberzeugung erhält, daß er in der Ehe glücklich, einträchtig, mit voller Befriedigung des Herzens und zum Heil seiner Seele leben werde.
Nach der Hochzeit denke ich noch etwa 14 Tage hier ruhig in meinem Neste zu bleiben. Flottwells werden schon ungefähr am 10ten Juli nach Colberg abgehen; ich folge ihnen dann nach und bleibe dort etwa 14 Tage, worauf ich über Berlin meine Reise nach Nürnberg mache. Wenn die Mutter bis dahin keine andere Gelegenheit zur Reise findet, so werden wir sie nach Nürnberg bringen. Doch ist sie noch nicht ganz fest entschlossen, ob sie überhaupt ihre Reise unternehmen soll; sie fühlt sich noch immer recht schwach und hat am meisten das Bedürfniß der Ruhe und Stille, welche sie im Ganzen hier bei ihrem jetzigen Leben findet.
Flottwell ist seit 8 Tagen nach der Provinz Sachsen verreist, um dort die von den Elbeüberschwemmungen heimgesuchten Gegenden zu besuchen. Die Mutter reiste ihm mit der kleinen Mietze6 nach Merseburg nach und beide werden heute Abend zurückkehren.
Inzwischen ist nun auch Clara von Cöslin zurückgekehrt und zu unser Aller großen Freude recht wohl und heiter. Sie scheint in allen Beziehungen ihr früheres Wesen wieder gewonnen zu haben und ganz wieder hergestellt zu sein. Sie ist eine sehr liebenswürdige Natur von sanfter inniger Weiblichkeit; ohne die Lebendigkeit und Aktivität der sonstigen Flottwellschen Familie zu besitzen, steht sie an Verstand und Sinnigkeit durchaus nicht zurück.
Marheineke wohnt jetzt auf dem Kreutzberg, wo ich ihn vor einigen Tagen besuchte; er sieht wohl aus, ist auch geistig beschäftigt, muß aber die geringste Anstrengung vermeiden, indem sich alsbald seine Krampfanfälle wiederholen. – Schulze, Geheim Rath, hat sich von seiner schweren Krankheit ziemlich wieder erholt, geht schon aus und will nächstens ins Bad reisen.
In unserem Staate sind in letzter Zeit mehrere recht fatale Dummheiten vorgefallen; am meisten erregt die Ausweisung von Itzstein und Hecker in ganz Deutschland Aufsehen; ich habe den eigentlichen Grund noch nicht erfahren können. –
Schreibe uns nun auch bald, wie es Dir geht. Von Friederike brauche ich Dir diesmal keinen Gruß zu bestellen, da sie selbst Dich zu Deinem Geburtstage zu grüßen nicht unterlassen wollte.
Lebe wohl, lieber Karl, in treuer Liebe