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Karl Hegel an Immanuel Hegel, Erlangen, 2. Juni 1875

Lieber Manuel!

Ich sage Dir und Deiner lieben Clara unseren innigsten Dank für Eure liebevollen Wünsche zu unserer silbernen Hochzeitsfeier1 und ebenso für das schöne und glänzende Geschenk, womit Ihr unseren Hochzeitstisch, so wie jede künftige festliche Tafel unseres Hauses, geschmückt habt. Es wird uns eine bleibende Erinnerung an den nun schon vorübergegangenen Tag sein. An diesem selbst fanden wir uns zum Rückblick auf einen langen Zeitraum von 25 Jahren aufgefordert, in welchem wir reiches Glück und auch manches schwere Herzensweh, immer aber Gottes Segen in vollem Maß erfahren haben. Am Morgen wurden wir in den schön mit Kränzen und Blumen geschmückten unteren Räumen des Hauses von allen Kindern, dem Lommel’schen Ehepaar mit unserem kleinen Enkel mit Herz erhebendem Gesang empfangen; und alle gekommenen Hochzeitsgaben hatten sie für uns ausgebreitet: ein Familienalbum, von außen durch Anna mit sinnigen Zeichnungen auf Holz geziert, die photographischen Bilder der Kinder nebst Schwiegersöhnen enthaltend, ein großes Service von aller Art Gläsern von den Geschwistern, Eure silberne Schale, eine andere alabasterne für Blumen von Stintzings und noch Anderes von hiesigen Freunden. Ein Hauptgeschenk brachte die liebe Mutter selbst aus Nürnberg mit, einen künstlerisch gearbeiteten prächtigen Tafelaufsatz, und mit ihr fanden sich als Gäste ihr Sohn Friedrich und ihre Tochter Marie nebst deren Mann ein, und noch ihre beiden Brüder Grundherr, Friedrich mit Lina und Tochter Rosa, Ferdinand mit Sohn. Nur zwei vermißten wir an diesem Tage und in diesem Kreise: unseren geliebten einzigen Gottlieb, den Gott zu sich genommen, und den künftigen Schwiegersohn Felix, der erst Anfang der Woche bei uns war und am Ende derselben von München wiederkommen sollte, aber gerade am Festtage selbst nicht hier sein konnte. Es war deßhalb eine Nachfeier am Sonntag2 durch eine gemeinsame Fahrt nach Bamberg beabsichtigt, die auch wirklich bei herrlichem Wetter ausgeführt worden ist. Noch muß ich erwähnen die vielen Besuche und Glückwünsche, auch durch Telegramme, die wir den ganzen Tag hindurch empfingen und die uns der vielseitigen Theilnahme der hiesigen wie der auswärtigen Freunde versicherten.

Gestern Nachmittag sahen wir auch die liebe Tante Frida mit ihrer Tochter Helene von Schönprunn in tiefer Trauer bei uns; sie waren von Leitheim zurückgekehrt, wo der selige Onkel bestattet worden ist. Leider hat Frida mit den zwei Kindern, die bei ihr waren, ihn nicht mehr am Leben angetroffen.3 Sie wird sich später auf ihr Gut Leitheim zurückziehen, wo bisher Theodor mit seiner Familie wohnte und die Landwirthschaft besorgt hat. Am vergangenen Sonntag4 aber war Geschlechtstag5 im Tucher’schen Haus, um den neuen Familienadministrator6 zu erwählen und die Wahl ist einstimmig auf Theodor gefallen, der in Folge dessen seinen Wohnsitz in Nürnberg zu nehmen hat. Frida gedachte auch dankend Deines theilnehmenden Schreibens.

Lommels haben eine schöne Rheinreise gemacht, wie ich wohl schon schrieb, und brachte das Brautpaar von Düsseldorf zurück; sie kamen am 23. Mai Nachmittag und am 24. wurde Anna’s Geburtstag gefeiert.7 Felix kann die Trennung immer nur auf kurze Zeit ertragen, höchstens auf 14 Tage, wie er meint. Nun werden zunächst meine Frau und Anna, Mitte dieses Monats, nach München reisen, um anzufangen die bereits gemiethete und leer stehende Wohnung zu meubliren und für anderen Hausbedarf zu sorgen.

Susanna hat sich erst jetzt ernstlich an die Ausstattung, so weit sie im Hause beschafft werden soll, gemacht und ist viel beschäftigt. Darum wird Clara ihr Nachsicht beweisen, wenn sie ihr Dankschreiben noch aufschiebt und vorläufig nur mir die innigsten Grüße an Euch aufträgt. Marie nebst Conrädchen ist also immer noch bei Euch! eine kaum erwartete Freude und Belebung Eures stillen Hauses. Herzliche Grüße auch an sie, Willi und Clärchen

von
Deinem Bruder Karl.