Erlangen, 22. September 1875
Lieber Manuel!
Ich hatte eben die Feder in der Hand, um an Dich zu schreiben, als mir Dein lieber Brief vom gestrigen Tag übergeben wurde. Vor wenigen Tagen benachrichtigte uns schon die liebe
Clara von Eurer glücklichen Ankunft und Wiedervereinigung mit den Kindern zu Hause. Ihr habt einen reichen Schatz von schönen Reiseerinnerungen zurückgebracht und hoffentlich werden auch die guten Folgen des Wildbads, die wie mein College
Schelling versichert, erst bis Weihnachten zu erwarten sind, bei Dir nicht ausbleiben. Herzlich bedauert haben wir den Unfall der guten Mama Bitter und nicht minder Theil genommen an den guten Nachrichten aus Waldenburg. Daß der von Susanna wohl verwahrte Stock glücklich angekommen, war uns angenehm zu hören, doch muß ich im Auftrage meiner Frau sehr um Entschuldigung bitten wegen seines | unfrankirten Erscheinens und bedauerlich vermelden, daß sie darüber bitterböse geworden. Also ein ander mal werden wir es besser machen!
Bei Luise Lommel geht alles ganz nach Wunsch; sie und das Kind befinden sich wohl und das Geschäft der Ernährung macht bis jetzt gar keine Schwierigkeit. Felix und Professor Zöller, Eugens naher Freund in Wien, sollen Pathen sein. Ob das junge Paar aus München zur Taufe kommen wird, ist um so mehr fraglich, als Anna eben erst ihr Kommen zur Hochzeit ihrer Freundin Agnes Brater abgeschrieben hat; es ist begreiflich, daß sie erst im eigenen Hause etwas warm werden wollen, ehe sie es wieder verlassen. Denn erst seit Samstag vor 8 Tagen sind sie zurück und mit der Einrichtung viel beschäftigt. Dagegen ist nun der Gedanke aufgetaucht, daß Susanna mich nach München begleiten soll, was dort gewiß mit ebenso viel Freude aufgenommen werden wird, als mit welcher sie selbst diese schöne Perspective schon begrüßt hat. Ich oder wir gehen also am 28. dieses Monats | und bleiben 8 Tage aus. Zuvor besorgt meine Frau noch den Umzug von Georg hierher, der am 1. October als Freiwilliger eintreten soll und dieses neue Glück kaum erwarten kann. Ob wir Onkel Gottlieb schon in München treffen werden, ist zweifelhaft, da es ihnen bei dem bis jetzt herrlichen Septemberwetter – erst heute hat es sich bei einem Regentag geändert – in Simmelsdorf immer noch gut gefallen hat. Leider hatte jedoch der gute Onkel den Unfall, bei raschem Heraustreten aus der Hausthür des Schlosses sich in das Fußeisen zu verfahren und mit der ganzen körperlichen Wucht auf den Kopf hinzustürzen, so daß er bewußtlos blieb; nichtsdestoweniger hat er sich rasch erholt und schon eine Woche nachher eine Parthie nach Henfenfeld unternommen. Diese Nachricht schrieb uns Wilhelmine.
Ich komme nach allem diesem jetzt erst zur Hauptsache dieses Briefs, Dir meine brüderlichen Glückwünsche zu Deinem bevorstehenden Geburtstage zu bringen, denen sich Susanna von Herzen anschließt. Möge auch Dein kommendes Lebensjahr für Dich und Dein Haus ein recht gesegnetes sein, trotz allen Kirchenstürmen, die von außen herankommen und | umher brausen werden. Lasse nur den Muth nicht sinken, halte Stand gegen die Dränger und Treiber von beiden Seiten und Gott wird es recht machen. –
Die im Erlanger Hof gepumpten 20 Thaler habe ich dort am folgenden Morgen bezahlt und von Dir pünktlich zurück erhalten.
Unsere Marie – die nicht mehr auf „Mim“ hören will – hat sich wegen Vervollständigung der Polterabend-Reime an Willi gewendet, den ich auch meinerseits bestens grüße, desgleichen die liebe Clara und Clärchen. Meine Frau wird nächstens schreiben; sie ist einen Theil des Tages über bei Luise.
In brüderlicher Liebe
Dein Karl.
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel)Immanuel HegelJurist/Konsistorialpräsident der Provinz Brandenburg11657072518141891 Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel) (1814–1891), Bruder Karl Hegels, studierte von 1832 bis 1834 und von 1835 bis 1836 Jura an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, von 1834 bis 1835 an der Ludwigs-Maximilians-Universität in München, trat 1836 in den preußischen Staatsdienst ein und war als Verwaltungsjurist in verschiedenen Verwendungen des Königreichs Preußen, vor allem im Staatsministerium, tätig, wurde 1865 Präsident des Konsistoriums der Provinz Brandenburg, heiratete 1845 Friederike Flottwell (1822–1861) und 1865 Clara Flottwell (1825–1912), beide Töchter des oftmaligen preußischen Oberpräsidenten und Staatsmanns Eduard Heinrich Flottwell (1786–1865), war u. a. Vater des preußischen Verwaltungsbeamten und Politikers Wilhelm (Willi) Hegel (1849–1925), war 1856 Taufpate seines Neffen Georg Hegel (1856–1933).
Erlangen49.5928616,11.0056Mittelfränkische Universitätsstadt, etwa 20 Kilometer nördlich von Nürnberg gelegen, seit 1810 Stadt und Universität des Königreichs Bayern.
Privatbesitz
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Privatbesitz
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Neuhaus
, Helmut (Hg.): Karl Hegels Gedenkbuch. Lebenschronik eines Gelehrten des 19. Jahrhunderts, Köln, Weimar, Wien 2013.
Neuhaus
, Karl Hegels Gedenkbuch
2013
Hegel, Clara (Klara), geb. Flottwell
Clara Hegel, geb. Flottwell116570776?18251912Hegel, Clara (Klara), geb. Flottwell (1825–1912), Tochter Eduard Heinrich Flottwells (1786–1865) und Auguste Flottwells, geb. Lüdecke (1794–1862), jüngere Schwester Friederike Hegels, geb. Flottwell (1822–1861), der ersten Ehefrau Immanuel Hegels (1814–1891) und dessen zweite Ehefrau ab 8. September 1865.
Hegel, Susanna Maria Karoline Henriette, geb. Tucher
Susanna Maria Hegel, geb. Tucher116146891918261878Hegel, Susanna Maria Karoline Henriette, geb. Tucher (1826–1878), häufig „Susette“ genannt, Tochter Johann Sigmund Karl Tuchers (1794–1871) und Maria Magdalena Tuchers, geb. Grundherr (1802–1876), Ehefrau Karl Hegels (1813–1901); siehe auch: Tucher, Susanna Maria.
Lommel, Luise, geb. Hegel
Luise Lommel, geb. Hegel-18531924 Lommel, Luise, geb. Hegel (1853–1924), Ehefrau des Physik- und Mathematik-Professors Eugen Lommel (1837–1899); siehe auch: Hegel, Luise (1853–1924).
Klein, FelixFelix Klein11856286X18491925Klein, Felix (1849–1925), in Düsseldorf geborener Mathematiker, der von 1872 bis 1875 ordentlicher Professor an der Universität Erlangen war, dann bis 1880 an der Technischen Hochschule München, bis 1886 an der Universität Leipzig und bis 1913 an der Universität Göttingen, Ehemann Anna Maria Carolina Kleins, geb. Hegel (1851–1927).
Zöller, Philipp11700984918321885Zöller, Philipp (1832–1885), in der bayerischen Rheinpfalz geborener Chemiker, der nach einem naturwissenschaftlichen Studium im Jahre 1856 an der Universität München promoviert wurde und 1864 außerordentlicher, 1865 ordentlicher Professor für Angewandte Chemie und Pharmazie an der Universität Erlangen wurde. In den Jahren 1872/73 war er Ordinarius für Agrikulturchemie an der Universität Göttingen und dann bis zu seinem Lebensende an der Wiener Hochschule für Bodenkultur, deren Rektor er im Studienjahr 1877/78 war.
Lommel, Eugen Cornelius JosephEugen Lommel10427615018371899Lommel, Eugen Cornelius Joseph (1837–1899), in der Rheinpfalz geborener Physiker und Mathematiker, der von 1854 bis 1858 an der Universität München studierte, Lehrer in der Schweiz und dann Privatdozent an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich wurde. 1867/68 war er Professor an der land- und forstwirtschaftlichen Akademie in Hohenheim und von 1868 bis 1886 Ordinarius an der Universität Erlangen, schließlich an der Universität München. Er war der Ehemann Luise Hegels (1853–1924), der zweitältesten Tochter Karl und Susanna Maria Hegels (1826–1878).
Brater, Agnes, verh. Sapper
11680534X18521929Brater, Agnes (1852–1929), in München geborene Tochter des Juristen, Publizisten und bayerischen Politikers Karl Ludwig Theodor Brater (1819–1869) und ab 1875 Ehefrau Eduard Sappers (1837–1898), des Stadtschultheißen von Blaubeuren und späteren Notars in Neckartailfingen, Esslingen und Calw. Sie war von den 1890er Jahren an eine bekannte Schriftstellerin; siehe auch: Sapper, Agnes (1852–1929).
Hegel, Maria (Mariechen, Mimi)Marie HegelTochter Karl Hegels-18551929 Hegel, Maria (Mariechen, Mimi) (1855–1929), dritte Tochter Karl (1813–1901) und Susanna Maria Hegels, geb. Tucher (1826–1878), die ab 1878 dem verwitweten Vater den Haushalt in Erlangen führte.
Hegel, Wilhelm (Willi)Wilhelm Hegel13593263718491925Hegel, Wilhelm (Willi) (1849–1925), in Berlin geborener Sohn Immanuel (1814–1891) und Friederike Hegels (1822–1861), Ehemann Armgard Hegels, geb. Wulffen (1862–1928), und Neffe Karl Hegels. Er war hoher preußischer Verwaltungsbeamter, u. a. von 1886 bis 1890 Landrat des Kreises Jerichow I, von 1895 bis 1905 Regierungspräsident von Gumbinnen, von 1905 bis 1908 in Allenstein, von 1908 bis 1917 Oberpräsident der Provinz Sachsen. Es war von 1887 bis 1890 Mitglied des Deutschen Reichstages und wurde im Jahre 1909 in den erblichen preußischen Adelsstand erhoben.
Wildbad48.7502439,8.550301Etwa 700 Kilometer südwestlich von Berlin gelegener Kurort im nördlichen Schwarzwald an der Enz im Königreich Württemberg.
Waldenburg50.7659054,16.2825424Etwa 75 Kilometer südwestlich von Breslau am Rande des Riesengebirges gelegene, sich rasche entwickelnde Handels- und Industriestadt im Landkreis Waldenburg.
Wien48.2083537,16.3725042An der Donau gelegene Hauptstadt des Kaiserreichs Österreich.
München48.1371079,11.5753822Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Bayern an der Isar in Oberbayern.
Simmelsdorf49.5972637,11.3379197Namengebender Sitz der Nürnberger Patrizier-Familie Tucher von Simmelsdorf, 1598 erworben, nordöstlich der alten Reichsstadt Nürnberg gelegen. Das Alte Tucher-Schloß, ursprünglich ein Wasserschloß, wurde in den 1830er Jahren im gotischen Stil umgebaut, das „Neue Herrenhaus“ 1808 erbaut.
Henfenfeld49.4968771,11.3898656Etwa 25 Kilometer östlich von Nürnberg gelegenes Rittergut, das im Jahre 1817 von dem Nürnberger Kaufmann Benoit (Georg Christoph Benedikt) Schwarz (1801-1876) erworben worden war.
Freiwilligen-ExamenDas Einjährig-Freiwilligen-Examen konnte auch ohne höheren Schulabschluß aufgrund ausgezeichneter fachlicher Arbeit von Handwerkern abgelegt werden.
Gasthaus „Erlanger Hof“Gasthaus in der Universitätsstadt Erlangen.