Es ist lange her, daß ich Dir geschrieben habe; Du wirst dies aber wohl freundlichst mit der Generalsynode und ihren Vor- und Nachläufern entschuldigt haben. Die Synode dauerte beinahe vier Wochen und es wurde ihr, der ersten preußischen Generalsynode ein so mächtiger Stoff zugeführt, daß es große Anstrengung forderte, um ihn gehörig zu bewältigen. Zu den Plenar- und Kommissionssitzungen kamen noch die fast täglichen Fraktionsberathungen am späten Abend, so daß alle Kräfte angespannt werden mußten und ich auch zuletzt ziemlich am Ende war, umso mehr als ich nach der Lage der Verhältnisse dabei auch ein gutes Stük Arbeit persönlich übernehmen mußte. Außer den eigenen Referaten war ich auch Vorsitzender der Kommission der Pfarrwahlordnung, deren vollständige Revision von mir betrieben wurde. Eine eingehende Beschreibung der Verhandlungen kann ich mir wohl ersparen, da ich annehmen darf, daß Dir die Verhandlungen der Synode in den Zeitungen nicht unbekannt geblieben sein werden. Bei Aufräumung der bezüglichen Papiere, zu der ich erst gestern Zeit gefunden haben, konnte ich Einiges aussondern, das ich Dir unter Kreuzband zusenden werde, um wenn Zeit und Lust es gestatten, einen Blick hineinzuwerfen. Wir – d. h. ich und meine näheren und entfernteren Freunde – sind mit dem Verlauf der Synode sehr zufrieden und auch die Gegner mußten anerkennen, daß ihre Haltung eine dem Ernst ihrer Aufgabe würdige war, daß wenig unnütz geredet, sehr fleißig gearbeitet, reiche geistige Kräfte mitgewirkt und mit Innehaltung eines verständigen Maaßes in den Hauptfragen eine erfreuliche Verständigung mit dem Kirchenregiment erreicht wurde. Mehrere glükliche Umstände haben dazu beigetragen, vornehmlich die verständige, geschikte und freundliche Haltung von Hermes, dem Präsidenten des Evangelischen Ober-Kirchenraths – welches Glük daß nicht mehr der stille zerfahrene Herrmann an dieser Stelle saß; das würde einen schreklichen Sturm gegeben haben – und ebenso von Graf von Arnim-Boyzenburg, welcher zu allgemeiner Zufriedenheit das Präsidium führte. Der günstigste Umstand war aber, daß die Berliner Liberalen keinen Zugang zur Synode gefunden hatten und wir daher von ihrem Gestank verschont geblieben sind. Der Protestanten-Verein war daher nur durch 8 Ostpreußen vertreten, welche ohne Kapazität sich still verhielten und nur negativ stimmten. Bei den Wahlen am Schluß wurde ich auch zum Mitglied des Generalsynodal-Vorstandes gewählt, was mir auch erfreulich war und jedenfalls dazu dient, meine Position zu verstärken. Ohne dies aber hat sich durch die neuere Entwicklung mein Verhältniß zum Evangelischen Ober-Kirchenrath gebessert; dazu hat ebenso sehr der neue Präsident Hermes, als auch der Ministerwechsel von Falk zu Puttkammer beigetragen. Freilich habe ich noch immer in meinem Kollegium große Schwierigkeiten, da die Majorität unter Führung des schlauen Brückner mir in den großen Fragen entgegensteht. Ich hoffe aber auch mit dieser zweifelhaften Gesellschaft noch leidlich fertig zu werden, so lange ich genöthigt bin, in meinem Amt auszuharren. Uebermorgen wird im Konsistorium, diesmal aber unter Zuziehung des Provinzialsynodal-Vorstandes, wieder über Werner, dem zum Pfarramt an St. Jacobi Gewählten, berathen und bin ich auf den Ausgang sehr gespannt. Daneben setzt sich nun auch der Kampf mit dem Berliner Magistrat wegen der Staatssorge in seinen Anstalten fort; auf meinen Angriff auf der Synode hat er mit einer Denkschrift öffentlich geantwortet, gegen welche ich nun wieder heute Abend eine Erwiederung in der Kreuzzeitung erlassen habe. Ich werde Dir davon auch ein Exemplar zusenden. Ich bin selbst immer darüber erstaunt, daß ich in meinem Alter noch in solchem Maaße in den Kampf gerathen bin, während ich doch meine, nach meiner Anlage und Bedürfniß ein sehr friedfertiger Mensch zu sein und ich glaube, daß auch Du mir nach einem langen Leben dies Zeugniß nicht wirst versagen können, wenn wir uns auch in früher Jugend redlich gezankt haben.
Zum Schluß der Synode bekam ich einen heftigen Katarrh, der aber doch jetzt im Abzug begriffen ist. Indessen war ich in den letzten 14 Tagen nach allen Strapazen der Synode der Ruhe und Erholung bedürftig. Jetzt stehen nun wieder die kirchlichen Wahlen in Berlin bevor, an deren traurigen Ausfall man nicht zweifeln kann. Aus den Wahlen und Parlamenten kommt man jetzt gar nicht mehr heraus. Interessante Schauspiele gewährt jetzt unser Landtag, auf welchem auf Bismarks Kommando die großen Eisenbahnen dem Staate übereignet werden.1 Onkel Hermann Bitter hat dabei große Noth mit einem bedeutenden Defizit der Staatskasse und es ist mir überhaupt zweifelhaft, ob er die Sachkenntniß, den Verstand und die ruhige Energie haben wird, um die Finanzen Preußens in einen sicheren Hafen zu bringen.
Mein Schwager Adalbert wohnte als Mitglied der Generalsynode bei uns und war uns ein lieber Hausgenosse. Mein Schwiegersohn Rudel war erst auch Mitglied der Synode und ist jetzt Abgeordneter des Landtags, ein Freikonservativer. Marie wird mit den Kindern wahrscheinlich gegen Ende des Jahres auf einige Wochen herkommen. Meine Frau, die zu Gustels Hochzeit in Danzig war, und Klärchen befinden sich beide wohl und tragen mir herzliche Grüße auf. Hoffentlich bist Du auch von der historischen Kommission befriedigt zurükgekehrt und wirst nun auch von Dir und Deinem Hause uns Nachricht geben.