Berlin den 18ten Juli 1875
Lieber Karl!
Da in 14 Tagen der 1ste August ist, so muß ich nun ernstlich an die Einrichtung meiner Reise denken; denn ich habe vom Anfang des nächsten Monats ab auf 5 bis 6 Wochen Urlaub genommen und hoffe auch bis dahin mit den größeren Arbeiten, die ich noch zu erledigen habe, fertig zu werden. Es war aber nicht bloß unser Wunsch, sondern auch bestimmte Absicht an dem Hochzeitsfest Deiner lieben Anna Theil zu nehmen, da für dasselbe der 7te August in Aussicht genommen war; ich konnte dann noch zu rechter Zeit die mir verordnete Kur in Wildbad beginnen. Dieser Plan wird jedoch zu unserem herzlichen Bedauern dadurch vereitelt, daß die Hochzeit jetzt auf den 17/8 anberaumt worden. Die Nothwendigkeit dieses Termins ist klar, und es versteht sich von selbst, daß Eltern und Brautpaar hierbei nicht die verschiedenen Wünsche aller nahen und fernen Gäste sämmtlich berüksichtigen und in Einklang bringen können. Indessen thut es uns doch sehr leid, daß wir hiernach auf unsere persönliche Theilnahme an dem Fest verzichten müssen. Den Aufenthalt in Wildbad | muß ich auf circa 4 Wochen berechnen; dazu würde dann aber mein Urlaub nicht ausreichen, den ich auch unter den obwaltenden Verhältnissen nicht füglich verlängern kann, und für die Kur wäre es auch nicht zuträglich, wenn ich sie in den September hineinverlegen und dann direkt ins Amt zurückkehren wollte. Ich bedarf aber dringend der leiblichen Stärkung, da abgesehen von meinem fortgesetzten Katarrh meine Nerven wieder sehr angegriffen sind und meine Lebens- und Arbeitskraft stark verbraucht ist. Johannisbad würde vielleicht dazu auch wieder seine guten Dienste geleistet haben; da nun aber Wildbad, weil der Weg dahin über Erlangen führt, bereits in Aussicht genommen ist, so will ich auch jetzt dabei bleiben und erlaube mir bei Dir, lieber Karl, brüderlich anzufragen, ob wir Euch in Euren Vorbereitungen zur Hochzeit nicht gar zu ungelegen kommen, wenn wir Euch in den ersten Tagen des Augusts auf etwa zwei Tage besuchen. Wir werden dann doch die Freude haben, Euch zu sehen und namentlich die liebe Anna vor ihrem Auszuge aus dem Elternhause noch als Braut zu begrüßen. Wir werden uns dann | in größerer Ruhe sprechen und beisammen sein, als dies bei der Hochzeit selbst möglich wäre. Zur Hochzeit wünsche ich dann unseren Willi Euch als unseren Vertreter zu senden und hoffe, daß er dies wird mit seinem Amte als Referendarius und mit seinem Versprechen, im August auch noch die Geschwister in Waldenburg zu besuchen, vereinigen können. Unsere Tochter Clara ist sowohl nach Waldenburg, als nach Kalkwitz vom Pfarrer Menzel und dessen Frau Emma, welche vor Zeiten Gouvernante von Klärchen war, für die Zeit unserer Abwesenheit von Berlin eingeladen. Vermuthlich wird sie erst nach Kalkwitz bei Calau in der Lausitz und dann nach Waldenburg gehen.
Von Erlangen und Nürnberg werden wir eilends nach Wildbad ziehen, und für den letzten Abschnitt meines Urlaubs habe ich, vielleicht nach einem kurzen Ausflug in den Schwarzwald und etwas weiter, die sehr freundliche Einladung unseres lieben alten Onkel Gottlieb nach Simmelsdorf angenommen. Er hat mir aus Marienbad vor einigen Tagen sehr liebreich deshalb geschrieben und ich folge der Einladung in Begleitung meiner lieben Clara mit herzlicher Freude, da es mir eine | große Erquickung sein wird, in diesem lieben Verwandtenkreise und unter den schönsten Erinnerungen unserer Jugend einige Tage zu verweilen. Vielleicht werden wir dann auch Euch noch wieder in Erlangen kurz begrüßen können, wenn Ihr schon von Eurer Erholungsreise, was freilich sehr zweifelhaft ist, zurükgekehrt sein werdet.
Dies sind also nach menschlichem Vorhaben unsere Pläne und es wird mir lieb sein, von Dir bald zu erfahren, in welchem Maaße sie mit Euren Einrichtungen übereinstimmen. Unsere Marie ist mit ihrem kleinen allerliebsten Konrad am 1sten dieses Monats nach Waldenburg abgereist und sie hat sehr befriedigt von den ersten Eindrücken in ihrer neuen Heimath geschrieben. Jedenfalls ist sie glüklich nach 3 Monaten nun wieder mit ihrem Manne im eigenen Hausstande vereinigt zu sein. – Berlin ist sehr stille und von Menschen verlassen; um so weniger giebt es Störung in der Arbeit und an den frischen Tagen, wie heute, ist man auch gern ruhig zu Hause.
Herzliche Grüße von Clara, welche auch der lieben Susanna für ihren ausführlichen Brief freundlichst dankt.
In herzlicher Liebe
Dein Bruder
Immanuel
Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel)Immanuel HegelJurist/Konsistorialpräsident der Provinz Brandenburg11657072518141891 Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel) (1814–1891), Bruder Karl Hegels, studierte von 1832 bis 1834 und von 1835 bis 1836 Jura an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, von 1834 bis 1835 an der Ludwigs-Maximilians-Universität in München, trat 1836 in den preußischen Staatsdienst ein und war als Verwaltungsjurist in verschiedenen Verwendungen des Königreichs Preußen, vor allem im Staatsministerium, tätig, wurde 1865 Präsident des Konsistoriums der Provinz Brandenburg, heiratete 1845 Friederike Flottwell (1822–1861) und 1865 Clara Flottwell (1825–1912), beide Töchter des oftmaligen preußischen Oberpräsidenten und Staatsmanns Eduard Heinrich Flottwell (1786–1865), war u. a. Vater des preußischen Verwaltungsbeamten und Politikers Wilhelm (Willi) Hegel (1849–1925), war 1856 Taufpate seines Neffen Georg Hegel (1856–1933).
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Berlin52.5170365,13.3888599Hauptstadt des Königreichs Preußen und ab 1871 auch des Deutschen Reiches.
Privatbesitz
.
Privatbesitz
1000
Hegel
, Karl: Die Chronik des Dino Compagni. Versuch einer Rettung, Leipzig 1875.
Hegel
, Chronik des Dino Compagni
1875
Neuhaus
, Helmut: Karl Hegel – Historiker im 19. Jahrhundert. Unter Mitarbeit von Katja Dotzler, Christoph Hübner, Thomas Joswiak, Marion Kreis, Bruno Kuntke, Jörg Sandreuther und Christian Schöffel (= Erlanger Studien zur Geschichte, Bd. 7/Katalog zur Ausstellung des Instituts für Geschichte der Universität Erlangen-Nürnberg vom 20. November bis 16. Dezember 2001), Erlangen, Jena 2001.
Karl Hegel – Historiker im 19. Jahrhundert
2001
Hegel, Wilhelm (Willi)Wilhelm Hegel13593263718491925Hegel, Wilhelm (Willi) (1849–1925), in Berlin geborener Sohn Immanuel (1814–1891) und Friederike Hegels (1822–1861), Ehemann Armgard Hegels, geb. Wulffen (1862–1928), und Neffe Karl Hegels. Er war hoher preußischer Verwaltungsbeamter, u. a. von 1886 bis 1890 Landrat des Kreises Jerichow I, von 1895 bis 1905 Regierungspräsident von Gumbinnen, von 1905 bis 1908 in Allenstein, von 1908 bis 1917 Oberpräsident der Provinz Sachsen. Es war von 1887 bis 1890 Mitglied des Deutschen Reichstages und wurde im Jahre 1909 in den erblichen preußischen Adelsstand erhoben.
Menzel, N. N.-Menzel, N. N., Pfarrer in Kalkwitz in der Nieder-Lausitz, verheiratet mit Emma Menzel, geb. Dobbelschein.
Menzel, Emma, geb. Dobbelschein
Menzel, Emma, geb. Dobbelschein, Ehefrau des Kalkwitzer Pfarrers Menzel, als Witwe in Gütersloh ansässig.
Hegel, Clara (Klara), geb. Flottwell
Clara Hegel, geb. Flottwell116570776?18251912Hegel, Clara (Klara), geb. Flottwell (1825–1912), Tochter Eduard Heinrich Flottwells (1786–1865) und Auguste Flottwells, geb. Lüdecke (1794–1862), jüngere Schwester Friederike Hegels, geb. Flottwell (1822–1861), der ersten Ehefrau Immanuel Hegels (1814–1891) und dessen zweite Ehefrau ab 8. September 1865.
Bitter, Rudolf11619799418461914Bitter, Rudolf, der Jüngere (1846–1914), in Merseburg geborener preußischer Verwaltungsjurist und Politiker, Sohn (Hans) Rudolf Bitters, des Älteren (1811–1880), und Anna Bitters, geb. Nauen, 1819–1885) sowie Ehemann Marie Bitters, geb. Hegel (1848–1925). Nach seinem Studium der Rechts- und Staatswissenschaften an den Universitäten Berlin, Bonn und Lausanne ging er im Jahre 1873 in den preußischen Verwaltungsdienst in Posen, wurde 1875 Landrat im schlesischen Kreis Waldenburg, wechselte von 1882 bis 1888 und in den Jahren 1898/99 (als Ministerialdirektor) ins preußische Innenministerium, wurde 1888 Regierungspräsident in Oppeln, 1899 Oberpräsident der Provinz Posen. Von 1879 bis 1888 war er als Mitglied der Freikonservativen Fraktion Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses.
Hegel, Susanna Maria Karoline Henriette, geb. Tucher
Susanna Maria Hegel, geb. Tucher116146891918261878Hegel, Susanna Maria Karoline Henriette, geb. Tucher (1826–1878), häufig „Susette“ genannt, Tochter Johann Sigmund Karl Tuchers (1794–1871) und Maria Magdalena Tuchers, geb. Grundherr (1802–1876), Ehefrau Karl Hegels (1813–1901); siehe auch: Tucher, Susanna Maria.
Wildbad48.7502439,8.550301Etwa 700 Kilometer südwestlich von Berlin gelegener Kurort im nördlichen Schwarzwald an der Enz im Königreich Württemberg.
Johannisbad50.6305685,15.7806938Etwa 150 Kilometer südwestlich von Breslau auf circa 520 Meter Höhe im böhmischen Riesengebirge gelegen.
Erlangen49.5928616,11.0056Mittelfränkische Universitätsstadt, etwa 20 Kilometer nördlich von Nürnberg gelegen, seit 1810 Stadt und Universität des Königreichs Bayern.
Waldenburg50.7659054,16.2825424Etwa 75 Kilometer südwestlich von Breslau am Rande des Riesengebirges gelegene, sich rasche entwickelnde Handels- und Industriestadt im Landkreis Waldenburg.
Kalkwitz51.7764154,13.9911082Etwa 120 Kilometer südöstlich von Berlin in der Nieder-Lausitz gelegener Ort.
Calau51.7466674,13.949307Etwa 100 Kilometer südöstlich von Berlin und circa 25 Kilometer westlich von Cottbus gelegene Kleinstadt südlich des Spreewaldes in der Lausitz.
NiederlausitzSüdöstlich von Berlin nahe dem Spreewald gelegene Landschaft.
Nürnberg49.453872,11.077298In Franken an der Pegnitz gelegene ehemalige Reichsstadt, seit 1806 Stadt des Königreichs Bayern.
SchwarzwaldGegenüber den Vogesen östlich des Oberrheins gelegenes Mittelgebirge im Königreich Württemberg, das sich zwischen Pforzheim und Baden-Baden im Norden sowie Lörrach und Waldshut im Süden erstreckt. Mit dem Feldberg, südöstlich von Freiburg im Breisgau gelegen, erreicht er eine Höhe von 1493 Metern.
Simmelsdorf49.5972637,11.3379197Namengebender Sitz der Nürnberger Patrizier-Familie Tucher von Simmelsdorf, 1598 erworben, nordöstlich der alten Reichsstadt Nürnberg gelegen. Das Alte Tucher-Schloß, ursprünglich ein Wasserschloß, wurde in den 1830er Jahren im gotischen Stil umgebaut, das „Neue Herrenhaus“ 1808 erbaut.
Marienbad49.9739518,12.703319Etwa 270 Kilometer nördlich von München gelegener Kurort im westböhmischen Bäderdreieck von Karlsbad, Franzensbad und Marienbad.
Referendar(ius)Amtsbezeichnung für einen zukünftigen Staatsbeamten des höheren Dienstes im Vorbereitungsdienst nach erfolgreichem ersten und vor dem zweiten Staatsexamen, mit dem das Referendariat abschließt.