Berlin den 11ten Juli 1887
Lieber Karl!
Aus Deinem lieben Brief vom 3ten dieses Monats haben wir ersehen, daß Du glücklich wieder nach Hause zurückgekehrt bist, daß Dir aber der sonst im Allgemeinen wohlthuende Emser Brunnen, wie ich sehr bedaure, nicht gut bekommen ist. Du wirst es vermuthlich an der bei jedem Brunnen gebotenen Diät haben fehlen lassen. Wir widmen Deinem Georg in seinem Leiden unsere herzliche Theilnahme; es ist doch für den Soldaten eine gute Gesundheit und heile Glieder eine weßentliche Sache. Hoffentlich wird der Gebrauch von Wildbad seine erprobte Wirkung auch bei ihm bewähren; es muß aber auch gründlich nach Vorschrift und mit Vorsicht gebraucht werden. Ich lasse ihm dies ernstlich einschärfen; denn ich weiß, daß die Kur dort langweilig ist, aber auch besonders bei gebrochenen Gliedern oft mit erstaunlichem Erfolg belohnt. Es hat an der rauschenden Ens eine freundliche Lage und alle Einrichtungen daselbst sind in schwäbischer Weise sehr ordentlich und sorgfältig; für die Schwaben ist es ihr Leibbad, auf welches sie stolz sind.
Dein Doktor-Jubiläum werden wir am | 30sten dieses Monats mit herzlichem Antheil feiern; aber leider ist es nicht möglich, daß wir zu diesem Deinen Fest Dich in Erlangen besuchen. Ich wünsche, daß Du diesen Tag der Erinnerung, der einen wichtigen Abschluß in unserem Leben bezeichnet, mit derselben dankbaren Befriedigung verleben mögest, als es mir im vorigen Herbst vergönnt war. Wir ziehen doch bei solchem Jubiläum das Facit unserer Lebensarbeit, und wenn wir in dem langen Zeitraum, wie Du es in Treue wahrhaftig gethan hast, mit Ernst und in Wahrheit gewirkt haben, so sind wir Gott von Herzen dankbar, daß Er uns mit den nöthigen Gaben und Kräften ausgerüstet und uns in der langen Lebensdauer gnädig behütet hat. Es ist mir Bedürfniß, diesen Deinen Festtag auch mit einem Andenken meiner brüderlichen Theilnahme auszuzeichnen. Du wirst eine lebensgroße Büste von Bismark von getönter Elfenbeinmasse mit einer schwarzen hölzernen Konsole zu ihrer beliebigen Aufstellung von Gebrüder Micheli hierselbst überschickt erhalten. Hoffentlich wird sie unversehrt ankommen und Dir und den Deinen einige Freude machen. Ich freue mich, daß die liebe Anna auch zu Dir kommen und an dem Fest selbst Theil nehmen wird. |
Wir wollen zur Erholung nach einer anderen Weltrichtung gehen, nemlich nach Schreiberhau bei Hirschberg in Schlesien. Mein Schwiegersohn hat dort die Villa Dietrich für uns Alle gemiethet und meine Tochter Marie wird die Wirthschaft zu unserer Verpflegung führen. Sie ist schon am 1sten dieses Monats mit den beiden jüngeren Kindern hingereist und schreibt von dem Aufenthalt sehr befriedigt. Rudel ist mit seinem Gymnasiasten Conrad am vergangenen Freitag nachgefolgt und wir d. h. ich mit Clara, Clärchen und dem Hausmädchen gedenken am Dienstag, dem 19ten dieses Monats den Schluß zu machen. Am 1sten September beabsichtige ich mit Ende meines Urlaubs heimzukehren. Ich freue mich sehr darauf mich gründlich ausruhen zu können; ich war im Frühjahr sehr angegriffen; jetzt bin ich wieder besser im Zuge, spüre eben aber das Alter.
In unserer Nähe im Riesengebirge, in Krummhübel, wird mein Schwager Adalbert mit Frau und Tochter seinen Sommer-Aufenthalt nehmen; es liegt auf der östlichen Seite des schlesischen Gebirges in der Nähe von Schmiedeberg. Vermuthlich werden wir versuchen, irgendwo mit ihnen einmal zusammen zu treffen.
Heute haben wir im Hause zwei durch- | reisende Gäste, nemlich die beiden Schwestern Greta und Olly oder Clara aus Lautensee; sie haben eine Kur in Elster im Erzgebirge gebraucht. Olly kehrt zur Mutter zurück und Greta, Frau Landräthin von Löbell, Mutter von zwei Knaben, wird sich mit ihrem Mann, Landrath in Neuhaus bei Stade in Hannover wieder vereinigen. Beide jung und liebenswürdig.
Morgen früh erwarten wir unseren lieben hochverehrten Hausgenossen, den General-Superintendenten Braun aus Soden bei Frankfurt a/M., wo er wegen eines bedenklichen Lungenleidens eine Kur von 4 Wochen gebraucht hat. Es macht sein Gesundheitszustand große Sorge und es ist sehr schwer, den theuren Mann von der schweren Arbeit seines Amts zurükzuhalten.
Von Willy haben wir im Ganzen gute Nachrichten; seine junge Frau muß sich noch sehr schonen; er selbst erfreut sich seiner dankbaren Wirksamkeit als Landrath.
Ihr habt wieder den traurigen Kampf der politischen Wahlen durchmachen müssen. Diese Wahlen, der vermeintlich unumstößliche Grundsatz der modernen Politik ist eine satanische Erfindung zur Zerstörung aller sittlichen Gemeinschaften und zur Ausgeburt aller schlechten Leidenschaften der Menschen (Kolosser 3, 8). |
Clara und Clärchen senden Dir freundliche Grüße und herzliche Glück- und Segenswünsche zu Deiner Jubiläumsfeier.
In treuer Liebe Die Bruder Immanuel
Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel)Immanuel HegelJurist/Konsistorialpräsident der Provinz Brandenburg11657072518141891 Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel) (1814–1891), Bruder Karl Hegels, studierte von 1832 bis 1834 und von 1835 bis 1836 Jura an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, von 1834 bis 1835 an der Ludwigs-Maximilians-Universität in München, trat 1836 in den preußischen Staatsdienst ein und war als Verwaltungsjurist in verschiedenen Verwendungen des Königreichs Preußen, vor allem im Staatsministerium, tätig, wurde 1865 Präsident des Konsistoriums der Provinz Brandenburg, heiratete 1845 Friederike Flottwell (1822–1861) und 1865 Clara Flottwell (1825–1912), beide Töchter des oftmaligen preußischen Oberpräsidenten und Staatsmanns Eduard Heinrich Flottwell (1786–1865), war u. a. Vater des preußischen Verwaltungsbeamten und Politikers Wilhelm (Willi) Hegel (1849–1925), war 1856 Taufpate seines Neffen Georg Hegel (1856–1933).
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Berlin52.5170365,13.3888599Hauptstadt des Königreichs Preußen und ab 1871 auch des Deutschen Reiches.
Privatbesitz
.
Privatbesitz
1000
Neuhaus
, Helmut (Hg.): Karl Hegels Gedenkbuch. Lebenschronik eines Gelehrten des 19. Jahrhunderts, Köln, Weimar, Wien 2013.
Neuhaus
, Karl Hegels Gedenkbuch
2013
Bismarck, Otto11851136X18151898Bismarck, Otto (1815–1898), in Schönhausen an der Elbe geborener preußischer und deutscher Politiker, der 1850 Mitglied des Erfurter Unionsparlaments war, von 1862 bis 1890 preußischer Ministerpräsident, zugleich von 1867 bis 1871 einziger Bundeskanzler des Norddeutschen Bundes und von 1871 bis 1890 erster Reichskanzler des Deutschen Reiches.
Bitter, Rudolf11619799418461914Bitter, Rudolf, der Jüngere (1846–1914), in Merseburg geborener preußischer Verwaltungsjurist und Politiker, Sohn (Hans) Rudolf Bitters, des Älteren (1811–1880), und Anna Bitters, geb. Nauen, 1819–1885) sowie Ehemann Marie Bitters, geb. Hegel (1848–1925). Nach seinem Studium der Rechts- und Staatswissenschaften an den Universitäten Berlin, Bonn und Lausanne ging er im Jahre 1873 in den preußischen Verwaltungsdienst in Posen, wurde 1875 Landrat im schlesischen Kreis Waldenburg, wechselte von 1882 bis 1888 und in den Jahren 1898/99 (als Ministerialdirektor) ins preußische Innenministerium, wurde 1888 Regierungspräsident in Oppeln, 1899 Oberpräsident der Provinz Posen. Von 1879 bis 1888 war er als Mitglied der Freikonservativen Fraktion Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses.
Hegel, Clara (Klara), geb. Flottwell
Clara Hegel, geb. Flottwell116570776?18251912Hegel, Clara (Klara), geb. Flottwell (1825–1912), Tochter Eduard Heinrich Flottwells (1786–1865) und Auguste Flottwells, geb. Lüdecke (1794–1862), jüngere Schwester Friederike Hegels, geb. Flottwell (1822–1861), der ersten Ehefrau Immanuel Hegels (1814–1891) und dessen zweite Ehefrau ab 8. September 1865.
Flottwell, Adalbert JuliusAdalbert Julius Flottwell11663105818291909Flottwell, Adalbert Julius (1829–1909), in Marienwerder geborener Sohn Eduard Heinrich Flottwells (1786–1865) und seiner zweiten Ehefrau Auguste Flottwell, geb. Lüdecke (1794–1862), der nach seinem 1849 begonnenen Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Berlin preußischer Beamter und Politiker wurde. Verheiratet mit Ella (Else) Flottwell, geb. Oppen-Gatersleben (1841–1916), war er von 1861 bis 1868 Landrat von Meseritz in der Provinz Posen, gleichzeitig von 1866 bis 1868 Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses, dann von 1868 bis 1872 Landesdirektor im Fürstentum Waldeck-Pyrmont, von 1872 bis 1875 Kabinettsminister im Fürstentum Lippe, von 1875 bis 1880 Regierungspräsident in Marienwerder, dazu von 1878 bis 1881 Mitglied des Deutschen Reichstages, sowie ab 1880 Präsident des seit 1871 bestehenden preußischen Bezirks Lothringen in Metz. Bis 1902 war er schließlich Direktor der Schlesischen Bodenkreditbank.
Flottwell, Johanna Pauline, geb. Frantzius
-18341897Flottwell, Johanna Pauline, geb. Frantzius (1834–1897), siehe auch: Frantzius, Johanna Pauline.
Loebell, Friedrich Wilhelm Georg10428042518551931Loebell, Friedrich Wilhelm Georg (1855–1931), auf dem Rittergut Lehnin geborener Jurist und preußischer Politiker, der von 1914 bis 1917 preußischer Innenminister war. Nach seinem Studium der Rechtswissenschaften an den Universitäten Straßburg und Leipzig trat er in der preußischen Verwaltungsdienst ein und wurde von 1884 bis 1889 Landrat des Kreises Neuhaus an der Oste, dann bis 1900 des Kreises Westhavelland. Seine parlamentarischen und politischen Tätigkeiten fielen in die beiden ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts.
Braun, Theodor Gustav Adolf11642308018331911Braun, Theodor Gustav Adolf (1833–1911), aus dem Weserbergland stammender evangelisch-lutherischer Theologe, der nach seinem Studium an den Universitäten Bonn und Halle zunächst in den Schuldienst ging und 1884 Pfarrer an der Matthäuskirche in Berlin wurde, gleichzeitig als Nachfolger Karl Albert Ludwig Büchsels (1803–1889) Generalsuperintendent der Neumark und Niederlausitz in der altpreußischen Kirchenprovinz Brandenburg. Dieses Amt übte er wie das des Oberkonsistorialrats im Evangelischen Oberkirchenrat bis zum Jahr seiner Pensionierung 1909 aus.
Hegel, Wilhelm (Willi)Wilhelm Hegel13593263718491925Hegel, Wilhelm (Willi) (1849–1925), in Berlin geborener Sohn Immanuel (1814–1891) und Friederike Hegels (1822–1861), Ehemann Armgard Hegels, geb. Wulffen (1862–1928), und Neffe Karl Hegels. Er war hoher preußischer Verwaltungsbeamter, u. a. von 1886 bis 1890 Landrat des Kreises Jerichow I, von 1895 bis 1905 Regierungspräsident von Gumbinnen, von 1905 bis 1908 in Allenstein, von 1908 bis 1917 Oberpräsident der Provinz Sachsen. Es war von 1887 bis 1890 Mitglied des Deutschen Reichstages und wurde im Jahre 1909 in den erblichen preußischen Adelsstand erhoben.
Ems50.3352062,7.7128538Bade- und Kurort an der Lahn, etwa 90 Kilometer nordwestlich von Frankfurt am Main gelegen, bis 1866 zum Herzogtum Nassau gehörend, dann zum Königreich Preußen.
Wildbad48.7502439,8.550301Etwa 700 Kilometer südwestlich von Berlin gelegener Kurort im nördlichen Schwarzwald an der Enz im Königreich Württemberg.
EnzLinker Nebenfluß des Neckars mit einer Länge von etwa 100 Kilometern, an dem von Süden nach Norden u. a. die Städte Wildbad, Pforzheim und Mühlacker liegen.
Erlangen49.5928616,11.0056Mittelfränkische Universitätsstadt, etwa 20 Kilometer nördlich von Nürnberg gelegen, seit 1810 Stadt und Universität des Königreichs Bayern.
Schreiberhau50.8268011,15.5221261Nordwestlich vom etwa 1500 Meter hohen Hohen Rad gelegener Ferienort im schlesischen Riesengebirge; südlich des Hohen Rades liegt Spindlermühle.
Hirschberg50.9031028,15.7344306Etwa 130 Kilometer westlich von Breslau im niederschlesischen Riesengebirge gelegene Stadt, die 1815 zur preußischen Provinz Schlesien kam.
SchlesienSeit Beginn des 19. Jahrhunderts Provinz des Königreichs Preußen mit Breslau als Provinzhauptstadt.
RiesengebirgeGebirgszug entlang der schlesisch-böhmischen Grenze, deren höchster Gipfel mit etwa 1600 Meter Höhe die Schneekoppe ist, etwa 350 Kilometer südöstlich von Berlin gelegen.
Krummhübel50.7747485,15.7542035Ort am schlesischen Riesengebirge, etwa 20 Kilometer südlich von Hirschberg gelegen.
SchmiedebergEtwa 20 Kilometer nordwestlich von Liebau am Riesengebirge gelegen.
Lautensee53.94772,19.29229Etwa 40 Kilometer südlich von Elbing und etwa 560 Kilometer nordöstlich von Berlin gelegener Gutsbezirk in Westpreußen.
ElsterEtwa 160 Kilometer südwestlich von Dresden und etwa 60 Kilometer westlich von Karlsbad im Erzgebirge gelegenes Mineral- und Moorheilbad an der Weißen Elster. Schon 1848 zum Königlich-Sächsisches Staatsbad erhoben, erhielt der Ort 1875 die Bezeichnung „Bad Elster“.
ErzgebirgeBis über 1200 Meter hohes, sich vom Elstergebirge nach Nordosten bis fast an die Elbe erstreckendes Mittelgebirge an der Grenze zwischen Sachsen und Böhmen.
Neuhaus (an der Oste)53.8002051,9.0331178An der Mündung der Oste in die Unterelbe östlich von Cuxhaven gelegener Ort.
Stade53.599794,9.475438Etwa 150 Kilometer nördlich von Hannover und etwa 40 Kilometer westlich von Hamburg nahe der Elbe gelegene ehemalige Hansestadt.
Hannover (Königreich)Das Königreich Hannover, nördlich und westlich des Königreichs Preußen gelegen, entstand 1814 auf dem Wieder Kongreß als Nachfolgestaat des Kurfürstentums Braunschweig-Lüneburg und bestand bis 1866, als es im Zuge des „Deutschen Krieges“ von Preußen annektiert wurde und als preußische Provinz Hannover fortbestand.
Soden50.1429142,8.5029259Etwa 15 Kilometer westlich von Frankfurt am Main gelegener Kurort am Osthang des Taunus, der seit 1806 zum Herzogtum Nassau gehörte.
Frankfurt (Main)50.1106444,8.6820917Ehemalige Reichsstadt am Main, oftmaliger Wahl- und Krönungsort der Könige des Heiligen Römischen Reiches sowie Freie Stadt innerhalb des Deutschen Bundes, dessen Bundestag sich dort versammelte. Die Frankfurter Paulskirche war von Mai 1848 bis Mai 1849 der Tagungsort der Frankfurter Nationalversammlung, die die Frankfurter Reichsverfassung vom 28. März 1849 erarbeitete. Seit dem Mittelalter war es eine bedeutende Messestadt und ein Finanzplatz mit Wertpapierbörse für den Handel mit Staatsanleihen und Aktien.
Gebrüder Micheli, BerlinGießerei in Berlin, Unter den Linden.
SuperintendentLeitender Geistlicher eines evangelischen Kirchenkreises.
LandratIm Königreich Preußen Leiter der untersten staatlichen Verwaltungsbehörde, des Landratsamtes.