Berlin den 12ten Dezember 1871
Lieber Karl!
Heute habe ich Euch die überraschende Nachricht zu bringen, daß mein Marie sich verlobt hat. Der Bräutigam ist der Gerichts-Assessor Dr. juris Rudolph Bitter, zweiter Sohn des Unter-Staats-Sekretairs im preußischen Ministerium des Innern Bitter. Er kam am Sonntag Abend zu mir, um um ihre Hand anzuhalten; ich war höchlich überrascht, da mir jede Vermuthung oder Erwartung ferne lag. Auch Marie bedurfte der Sammlung, da sie gar nicht darauf vorbereitet war. Ich bat ihn daher, sich am andern Morgen die Entscheidung zu holen, und nachdem die beiden sich daselbst gegeneinander auszusprechen und Marie mit voller Zuversicht ihr Jawort gegeben, konnte ich auch dem Bund des jungen Brautpaars mit herzlicher Freude meinen väterlichen Segen ertheilen und die Gnade des Herrn für sie erbitten. Der Bräutigam hatte sich bereits die Zustimmung seiner Eltern erbeten und dieselbe mit Freude erhalten. Sie gehören zu unseren ältesten Freunden und waren schon in Posen mit Flottwells nahe bekannt. Meine selige Friederike hat namentlich die Mutter Bitter in ihrer treuen Gesinnung und schlichten Wahrhaftigkeit | geachtet und geliebt. Der Vater ist ein tüchtiger preußischer Beamter, ein durch und durch anständiger Mann, der viel arbeitet und dabei das Leben gerne genießt. Er ist ein vermögender Mann und wohnt in seinem Hause in der Lennéstraße No. 2. Seine Schwester ist Frau Präsidentin von Viebahn, meine gute Freundin von Arnsberg her, welche nun auch nach dem Tode ihres Mannes in Oppeln hierher gezogen ist.
Rudolf wird erst im nächsten Monate 26 Jahre alt; bei reicher Begabung und lustigem Fleiße hat er erst die Stadien der Vorbereitung durchgemacht, und dabei an den beiden Feldzügen 1866 als Soldat und 1870/71 bei der Garde-Landwehr vor Straßburg und
Paris als Reserve-Offizier Theil genommen. Schon seit mehreren Jahren hatte er eine feste Zuneigung zu Marie gefaßt und nachdem er nun aber das Assessor-Examen zurückgelegt, hat er seinen lange gehegten Entschluß der Verbindung mit ihr zur Ausführung gebracht. Er ist eine tüchtige kräftige Natur, praktisch und strebsam; es darf daher eine gute Laufbahn im Staatsdienste von ihm erwartet werden. – Zunächst wird er, und wahrscheinlich bald als Hülfsarbeiter zum Appellationsgericht in Stettin gehen und beabsichtigt später zur Verwaltung überzutreten. In seinem Wandel hat er einen guten Ruf und in seiner religiösen Ueberzeugung hat er jedenfalls Achtung für Christenthum und Kirche und gehörte zu den besten Konfirmanden |
Büchsels; die tiefere Erfahrung wird die Arbeit des Lebens ihm zuführen. Nach Allem diesem Liebenswerthem können wir wohl von Herzen dankbar sein für diese Verlobung und mit Zuversicht hoffen, daß wir in ihm einen wackeren Schwiegersohn gewinnen und Marie mit ihm unter Gottes Beistande und mit Seinem Segen eine glückliche Ehe führen werde.
Es wird nun eine unruhige Zeit für uns beginnen, und besonders in diesen ersten Tagen ist es schwierig auch nur die Geschäfte des Amts nothdürftiger zu betreiben und abends die Zeit zum Briefeschreiben zu finden. Dieser Brief hat unvermeidlich eine Verzögerung erfahren und ich schließe ihn, um ihn wenigstens heute – Mittwoch – abzusenden.
Clara sendet Euch die herzlichsten Grüße und auch Rudolf bittet Dich herzlich, ihm Vertrauen und freundliches Wohlwollen zuzuwenden.
In herzlicher Liebe
Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel)Immanuel HegelJurist/Konsistorialpräsident der Provinz Brandenburg11657072518141891 Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel) (1814–1891), Bruder Karl Hegels, studierte von 1832 bis 1834 und von 1835 bis 1836 Jura an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, von 1834 bis 1835 an der Ludwigs-Maximilians-Universität in München, trat 1836 in den preußischen Staatsdienst ein und war als Verwaltungsjurist in verschiedenen Verwendungen des Königreichs Preußen, vor allem im Staatsministerium, tätig, wurde 1865 Präsident des Konsistoriums der Provinz Brandenburg, heiratete 1845 Friederike Flottwell (1822–1861) und 1865 Clara Flottwell (1825–1912), beide Töchter des oftmaligen preußischen Oberpräsidenten und Staatsmanns Eduard Heinrich Flottwell (1786–1865), war u. a. Vater des preußischen Verwaltungsbeamten und Politikers Wilhelm (Willi) Hegel (1849–1925), war 1856 Taufpate seines Neffen Georg Hegel (1856–1933).
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Berlin52.5170365,13.3888599Hauptstadt des Königreichs Preußen und ab 1871 auch des Deutschen Reiches.
Privatbesitz
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Privatbesitz
1000
Hegel, Marie (Maria), verh. BitterMarie Hegel, verh. Bitter103810830618481925Hegel, Marie (1848–1925), Tochter Immanuel (1814–1891) und Friederike Hegels, geb. Flottwell (1822–1861), Ehefrau des Juristen, hohen preußischen Verwaltungsbeamten, Kronsyndikus und Politikers Rudolf Bitter (1846–1914), siehe auch: Bitter, Marie.
Bitter, Rudolf11619799418461914Bitter, Rudolf, der Jüngere (1846–1914), in Merseburg geborener preußischer Verwaltungsjurist und Politiker, Sohn (Hans) Rudolf Bitters, des Älteren (1811–1880), und Anna Bitters, geb. Nauen, 1819–1885) sowie Ehemann Marie Bitters, geb. Hegel (1848–1925). Nach seinem Studium der Rechts- und Staatswissenschaften an den Universitäten Berlin, Bonn und Lausanne ging er im Jahre 1873 in den preußischen Verwaltungsdienst in Posen, wurde 1875 Landrat im schlesischen Kreis Waldenburg, wechselte von 1882 bis 1888 und in den Jahren 1898/99 (als Ministerialdirektor) ins preußische Innenministerium, wurde 1888 Regierungspräsident in Oppeln, 1899 Oberpräsident der Provinz Posen. Von 1879 bis 1888 war er als Mitglied der Freikonservativen Fraktion Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses.
Bitter, (Hans) Rudolf, der Ältere116962293318111880Bitter, (Hans) Rudolf, der Ältere (1811–1880), in Schwedt an der Oder geborener preußischer Finanzbeamter, der nach seinem Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Bonn ab 1834 in die preußische Verwaltung in Posen, Merseburg und Köln ging, bevor er seine berufliche Laufbahn im preußischen Finanzministerium fortsetzte und es 1866 zum Ministerialdirigenten brachte. 1869 wurde er dort Unterstaatssekretär, 1873 Präsident der königlich-preußischen Seehandlung. Verheiratet war er mit Anna Bitter, geb. Nauen (1819–1885).
Flottwell, Eduard HeinrichEduard Heinrich Flottwell11663107417861865Flottwell, Eduard Heinrich (1786–1865), preußischer Staatsmann, Minister und oftmaliger Oberpräsident, u. a. von 1841 bis 1844 Oberpräsident der Provinz Sachsen, 1849/50 Oberpräsident der Provinz Preußen, 1850 Oberpräsident der Provinz Brandenburg, Schwiegervater Immanuel Hegels (1814–1891).
Viebahn, Johanna Charlotte Auguste Luise, geb. Bitter
-18151897Viebahn, Johanna Charlotte Auguste Luise, geb. Bitter (1815–1897), Ehefrau des preußischen Verwaltungsbeamten und Politikers Johann Georg Wilhelm Viebahn (1802–1871).
Viebahn, Johann Georg Wilhelm11739898518021871 Viebahn, Johann Georg Wilhelm (1802–1871), im westfälischen Soest geborener Jurist im preußischen Staatsdienst, 1841 Geheimer Oberfinanzrat in Berlin, 1844 Mitbegründer des Centralvereins für das Wohl der arbeitenden Klasse, 1849/50 Mitglied der zweiten preußischen Kammer, 1850 Mitglied des Volkshauses des Erfurter Unionsparlaments, 1858 Regierungspräsident von Oberschlesien mit Amtssitz in Oppeln.
Büchsel, Carl Albert Ludwig11866451418031889 Büchsel, Carl Albert Ludwig (1803–1889), geboren in der Uckermark, wurde 1846 erster Pfarrer der neuerrichteten evangelisch-lutherischen St.-Matthäus-Kirche (St. Matthäi-Kirche) in Berlin, nachdem er zuvor schon Superintendent in Brüssow gewesen war. In Berlin wurde er Generalsuperintendent.
Hegel, Clara (Klara), geb. Flottwell
Clara Hegel, geb. Flottwell116570776?18251912Hegel, Clara (Klara), geb. Flottwell (1825–1912), Tochter Eduard Heinrich Flottwells (1786–1865) und Auguste Flottwells, geb. Lüdecke (1794–1862), jüngere Schwester Friederike Hegels, geb. Flottwell (1822–1861), der ersten Ehefrau Immanuel Hegels (1814–1891) und dessen zweite Ehefrau ab 8. September 1865.
PosenGroßherzogtum Posen (1815-1849) als Resultat der dritten Teilung Polens und damit bereits seit 1793 zum Kreis Posen innerhalb der preußischen Provinz Südpreußen gehörend (bis 1807), seit 1849 bis 1920 preußische Provinz Posen im Osten Preußens, welche nicht zum Deutschen Bund (1815-1866) gehörte, allerdings seit 1866 dann zum Norddeutschen Bund und seit 1871 zum Deutschen Kaiserreich.
Arnsberg51.4002384,8.0605908Stadt im sauerländischen Südwestfalen, seit 1816 Sitz eines Bezirks-Regierungspräsidiums in der preußischen Provinz Westfalen, etwa 110 Kilometer nordöstlich von Köln und etwa 450 Kilometer südwestlich von Berlin gelegen.
Oppeln50.678792900000005,17.929884436033525Etwa 90 Kilometer südöstlich von Breslau gelegene Industriestadt an der Oder.
Straßburg48.584614,7.7507127Ehemalige Reichs-, Universitäts- und Bischofsstadt am Westufer des Rheines und an der Ill zwischen Vogesen im Westen und Schwarzwald im Osten gelegen.
Paris48.8588897,2.3200410217200766An der Seine gelegene Hauptstadt des Kaiserreichs Frankreich.
Stettin53.4301818,14.5509623Etwa 140 Kilometer nordöstlich von Berlin an der Mündung der Oder in die Ostsee gelegene alte Residenz- und Hansestadt, die 1815 zur Hauptstadt der preußischen Provinz Pommern und zu einem verkehrsgünstig gelegenen Industriestandort wurde.
Appellationsgericht, OberappellationsgerichtBerufungsgericht bzw. Gericht zweiter Instanz. Die Gerichtsbezeichnung wurde im Deutschen Reich mit den Reichsjustizgesetzen des Jahres 1877 abgeschafft, z. B. im Gerichtsverfassungsgesetz.