Erlangen, 24. Mai 1875.
Lieber Manuel!
Ich habe Dir vor allem eine schmerzliche Todesnachricht mitzutheilen. Unser guter Onkel Wilhelm ist vorgestern am 22. Mai Mittags, im Alter von nahezu 70 Jahren, von hinnen geschieden; er erkrankte 8 Tage vorher an einer Lungenentzündung, welche, wiewohl nicht heftig auftretend, doch das Schlimmste befürchten ließ. Bei ihm waren nur Susanna, die in Abwesenheit der Mutter dem Hauswesen vorstand, und Theodor, der aus Leitheim gekommen. Tante Frida mit den beiden jüngeren Söhnen Max und Friedrich und der Tochter Marie wurden aus San Remo zurückerwartet: sie sollen heute ankommen und werden das theure Familienhaupt als Leiche wiedersehen! Wie traurig! Der Sohn Carl, der seinen Beruf verfehlt und keinen der ihm zusagt, gefunden hat, ist in Carlsruh; die Tochter Helene, an Hauptmann von Schönprunn in Dillingen vermählt; auch sie werden nicht ausbleiben. |
Morgen wollen wir zum Leichenbegängniß hinüber! Wie schmerzlich ist dieser Fall auch für unsere gute Mutter, die sich in der letzten Zeit schon angegriffen fühlte, aber doch in der Woche vor Pfingsten bei uns zu Besuch war! Die Generation, die uns vorausgeht, ist am Lebensziel angelangt, bald werden auch wir so weit sein!
In meinem nächsten Familienkreis hat sich in der letzten Zeit mancherlei, meist erfreulicher Art, begeben. Um mit dem heutigen Tag zu beginnen, so feiern wir an diesem unserer Anna Geburtsfest, welches die Anwesenheit des Bräutigams Felix noch vertieft. Erst gestern Nachmittag sind beide, in Begleitung von Lommel’s, aus Düsseldorf zurückgekommen. Meine Frau brachte Anna zu Anfang des Monats dorthin. Leider erkrankte letztere gleich nach Ankunft im Hause der künftigen Schwiegereltern und mußte, liebevoll gepflegt, mehrere Tage zu Bette liegen.
Meine Frau ließ sie in der Besserung, nach Verlauf einer Woche, allein zurück und besuchte noch Stintzings in Bonn auf der Rückreise. Sie hat von Düsseldorf, | dem Hause Klein und Verwandtenkreis, so wie von der Stadt und der ganzen übrigen Reise die angenehmsten und befriedigendsten Eindrücke mit heimgebracht. Felix kam von München zu Anfang der Pfingstwoche nach Düsseldorf, wo das glückliche Brautpaar herrliche Tage verlebte, auch das gerade in diese Zeit fallende große rheinische Musikfest unter Mitwirkung der vorzüglichsten Kräfte reichen Genuß bot. Lommel’s traten gleichfalls ihre Rheinreise zu Ende der Woche vor Pfingsten an und ließen ihren kostbarsten Schatz, ihren prächtigen Jungen, zur Aufbewahrung und Pflege bei mir im Hause zurück. Die Reise war durch das schönste Wetter und andere glückliche Umstände, wie das Wiedersehen mit alten Freunden in Frankfurt und Bonn, begünstigt. In Düsseldorf fanden sie natürlich gleichfalls den liebenswürdigsten Empfang. Dort holten sie das Brautpaar ab. Luise hat, in hoffnungsvollen Aussichten, die Reise unangefochten überstanden, Anna ist noch etwas angegriffen und bedarf, hoffentlich nur kurze Zeit, der Schonung. Felix reist heute Nachmittag nach München zurück.
Ich bringe diesen Brief auf die Post und füge die herzlichsten Grüße der Meinigen hinzu.
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel)Immanuel HegelJurist/Konsistorialpräsident der Provinz Brandenburg11657072518141891 Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel) (1814–1891), Bruder Karl Hegels, studierte von 1832 bis 1834 und von 1835 bis 1836 Jura an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, von 1834 bis 1835 an der Ludwigs-Maximilians-Universität in München, trat 1836 in den preußischen Staatsdienst ein und war als Verwaltungsjurist in verschiedenen Verwendungen des Königreichs Preußen, vor allem im Staatsministerium, tätig, wurde 1865 Präsident des Konsistoriums der Provinz Brandenburg, heiratete 1845 Friederike Flottwell (1822–1861) und 1865 Clara Flottwell (1825–1912), beide Töchter des oftmaligen preußischen Oberpräsidenten und Staatsmanns Eduard Heinrich Flottwell (1786–1865), war u. a. Vater des preußischen Verwaltungsbeamten und Politikers Wilhelm (Willi) Hegel (1849–1925), war 1856 Taufpate seines Neffen Georg Hegel (1856–1933).
Erlangen49.5928616,11.0056Mittelfränkische Universitätsstadt, etwa 20 Kilometer nördlich von Nürnberg gelegen, seit 1810 Stadt und Universität des Königreichs Bayern.
Privatbesitz
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Privatbesitz
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Schönprunn, Alfred-um 18361899Schönprunn, Alfred (um 1836–1899), Oberst, war 1886/87 Kommandeur des Königlich Bayerischen 2. Cheveaulegers-Regiments „Taxis“.
Klein, FelixFelix Klein11856286X18491925Klein, Felix (1849–1925), in Düsseldorf geborener Mathematiker, der von 1872 bis 1875 ordentlicher Professor an der Universität Erlangen war, dann bis 1880 an der Technischen Hochschule München, bis 1886 an der Universität Leipzig und bis 1913 an der Universität Göttingen, Ehemann Anna Maria Carolina Kleins, geb. Hegel (1851–1927).
Lommel, Luise, geb. Hegel
Luise Lommel, geb. Hegel-18531924 Lommel, Luise, geb. Hegel (1853–1924), Ehefrau des Physik- und Mathematik-Professors Eugen Lommel (1837–1899); siehe auch: Hegel, Luise (1853–1924).
Lommel, Eugen Cornelius JosephEugen Lommel10427615018371899Lommel, Eugen Cornelius Joseph (1837–1899), in der Rheinpfalz geborener Physiker und Mathematiker, der von 1854 bis 1858 an der Universität München studierte, Lehrer in der Schweiz und dann Privatdozent an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich wurde. 1867/68 war er Professor an der land- und forstwirtschaftlichen Akademie in Hohenheim und von 1868 bis 1886 Ordinarius an der Universität Erlangen, schließlich an der Universität München. Er war der Ehemann Luise Hegels (1853–1924), der zweitältesten Tochter Karl und Susanna Maria Hegels (1826–1878).
Hegel, Susanna Maria Karoline Henriette, geb. Tucher
Susanna Maria Hegel, geb. Tucher116146891918261878Hegel, Susanna Maria Karoline Henriette, geb. Tucher (1826–1878), häufig „Susette“ genannt, Tochter Johann Sigmund Karl Tuchers (1794–1871) und Maria Magdalena Tuchers, geb. Grundherr (1802–1876), Ehefrau Karl Hegels (1813–1901); siehe auch: Tucher, Susanna Maria.
Stintzing, Franziska Karoline Charlotte, geb. BokelmannFranziska Karoline Stintzing, geb. Bokelmann11726003718281908Stintzing, Franziska Karoline, geb. Bokelmann (1828–1908), Ehefrau des Juristen Roderich Stintzing (1825–1883).
Stintzing, RoderichRoderich Stintzing10127505618251883Stintzing, Roderich (1825–1883), in Altona geborener Rechtswissenschaftler, der von 1841 bis 1848 an den Universitäten Jena, Heidelberg, Berlin und Kiel studierte und 1852 in Heidelberg promoviert wurde. Im Jahre 1854 wurde er ordentlicher Professor für Römisches Recht an der Universität Basel. Nach seinem dortigen Rektorat wechselte er von 1857 bis 1870 an die Universität Erlangen und anschließend bis zu seinem Tode an die Universität Bonn. Wie in Basel war er auch in Erlangen (1864/65) und in Bonn (1875/76) jeweils Rektor bzw. Prorektor.
Leitheim48.7436,10.884173637103597Schloß Leitheim ist östlich von Donauwörth und nördlich der Donau gelegen, seit 1835 im Besitz der Nürnberger Patrizierfamilie Tucher.
San Remo43.8198253,7.7748827Etwa 280 Kilometer südwestlich von Mailand an der Küste des Ligurischen Meeres des Mittelmeers nahe der Grenze zu Frankreich gelegener Kur- und Ferienort.
Karlsruhe49.0068705,8.4034195Im Jahre 1715 als neue Haupt- und Residenzstadt der Markgrafschaft Baden-Durlach angelegte Planstadt, etwa 70 Kilometer nordwestlich von Stuttgart gelegen nahe dem rechten Ufer des Rheines in der Oberrheinischen Tiefebene, östlich der königlich-bayerischen Rheinpfalz, seit 1806 Residenz der Großherzöge von Baden.
Dillingen48.5812547,10.4951425Etwa 120 Kilometer südwestlich von Nürnberg an der Donau gelegene Stadt, die 1802/03 an Bayern kam.
Düsseldorf51.2254018,6.7763137Ehemalige Bergische Residenzstadt am Rhein, etwa 36 Kilometer nördlich von Köln gelegen, Stadt der preußischen Rheinprovinz ab 1822 mit Parlaments- und Verwaltungssitz, während der Sitz des Oberpräsidenten in Koblenz war.
BonnAuf eine römische Gründung zurückgehende alte kurfürstliche Residenzstadt am Rhein mit menschlichen Besiedlungsspuren, die ca. 14.000 Jahre zurückreichen, nach französischer Herrschaft ab 1815 eine Stadt des Königreiches Preußen, etwa 30 Kilometer nördöstllich von Köln gelegen.
München48.1371079,11.5753822Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Bayern an der Isar in Oberbayern.
RheinCirca 1233 Kilometer langer, im Schweizer Kanton Graubünden entspringender Fluß im Westen des Gebietes des Deutschen Bundes, von der Schweiz, durch den Bodensee, am Ende durch die Niederlande fließend und in die Nordsee mündend.
Frankfurt (Main)50.1106444,8.6820917Ehemalige Reichsstadt am Main, oftmaliger Wahl- und Krönungsort der Könige des Heiligen Römischen Reiches sowie Freie Stadt innerhalb des Deutschen Bundes, dessen Bundestag sich dort versammelte. Die Frankfurter Paulskirche war von Mai 1848 bis Mai 1849 der Tagungsort der Frankfurter Nationalversammlung, die die Frankfurter Reichsverfassung vom 28. März 1849 erarbeitete. Seit dem Mittelalter war es eine bedeutende Messestadt und ein Finanzplatz mit Wertpapierbörse für den Handel mit Staatsanleihen und Aktien.
Niederrheinisches MusikfestBedeutendes Musikfest im Bereich der Klassischen Musik, das seit 1818 jährlich zu Pfingsten an wechselnden Orten des Niederrheins, meist Aachen, Düsseldorf und Köln, stattfand. Im Jahre 1875 war in Düsseldorf die Aufführung von Ludwig van Beethovens (1770-1827) „Missa solemnis“ ein Höhepunkt, die zwischen 1819 und 1823 entstanden war.