Berlin den 16ten Juli 1886
Lieber Karl!
Deiner freundlichen Anfrage wegen unserer Abreise wäre ich gern zuvorgekommen, wenn ich bis jetzt Zeit gehabt hätte, mich mit Reisegedanken zu beschäftigen. Es ist ein Zeichen des Alters, daß mich das, mit dem ich angestrengt zu thun habe, völlig einnimmt, so daß ich auf Anderes meinen Sinn dabei zu richten, nicht geneigt bin. Nachdem aber jetzt ziemlich Alles, was nothwendig fertig zu machen war, erledigt ist, denke ich ernstlich ans Reisen und bin auch bei zunehmender Abspannung der Erholung dringend bedürftig. Ich habe nun die Absicht, am Dienstag den 27sten dieses Monats Abends 8 Uhr von hier mit Clara und Klärchen abzureisen, zunächst bis Hof mit Courierzug; bleiben hier von 3,28 bis 5,10 Uhr Morgens liegen und setze mit dem gewöhnlichen Zug die Fahrt nach Erlangen fort, wo ich Mittags um 12,30 Uhr anzukommen hoffe. Hier werde ich Dir unser Klärchen zur freundlichen Aufnahme übergeben und mich in Deinem gastfreien Hause etwas ausruhen, um dann die Fahrt bis München mit dem Späthzug um 3,30 Uhr Nachmittag | fortzusetzen. Unser Reiseziel wird auf Vorschlag meiner Frau Klosters im Prätigau an der Landquart auf dem Wege nach Davos und dem Engadin sein, wenn ich auf meine Anfrage die gehoffte Aufnahme im dortigen Kurhause finde. Es wird der Ort von vielen sehr empfohlen und wünsche ich dort mehrere Wochen mich aufzuhalten, ohne weitere Reisen nach dem Engadin zu unternehmen, wozu auch das Geld fehlen wird.
Es ist unser lebhafter Wunsch, daß Klärchens Aufenthalt in Deinem Hause Dir und Deinen Kindern keine besonderen Unbequemlichkeiten verursachen werde; sie macht keine Ansprüche auf ungewöhnliche Zerstreuungen; ist aber sehr dankbar für ein gemüthliches Beisammensein und für freundliche Liebe, an der es ihr bei Euch nicht fehlen wird und für welche ich Dir auch zu herzlichstem Dank mich verpflichtet fühle.
Willy hat uns am vergangenen Sonntag besucht; er war recht frisch und sehr befriedigt von seiner Thätigkeit und von der freundlichen Aufnahme, welche er im Kreise erfahren hat. Wir gönnen ihm dies von Herzen und müssen ihm zustimmen, wenn er dagegen auf die Ehren im Ministerium verzichtet.
In der vorhergehenden Woche besuchten uns mein Schwager Adalbert mit Frau Ella | und Tochter Ellis; sie widmeten sich hier vornehmlich der Ausstellung und haben nun einen längeren Aufenthalt in Heringsdorf bei Swinemünde genommen, wo sie mit meiner Marie ein fröhliches Leben führen. Mit ihrer reizenden Ellis, die ein eigensinniger Starrkopf ist und in Boll noch mit religiösen Schrullen erfüllt worden, haben die guten Eltern noch ihre liebe Noth und es ist nicht abzusehen, wie sich dieses bei den Eigenthümlichkeiten der Charaktere bessern soll. – Auch Frau Grethe von Löbell, geborene von Flottwell ist mit ihrem kleinen Jungen durchgereist zum Besuch ihrer Mutter in Lautensee. Letztere ist noch immer in einem bedenklichen Gesundheitszustand und hat kürzlich ihre hochbetagte Mutter, die alte Frantzius verloren, die in Altersschwäche heimgegangen ist und ein großes Vermögen hinterlassen hat.
Vor 14 Tagen war ich zum Kronprinzen im Anschluß an eine Grundsteinlegung zur Kirche in Alt-Geltow bei Potsdam zu einem großen Diner im Neuen Palais eingeladen. Bei herrlichem Wetter in den wundervollen Räumen dieses Schlosses war es ein schönes Fest. Die Kronprinzessin erwies mir die Auszeichnung, mit mir über unseren Vater, den ihr Vater – Prinz Gemahl Albert – hochgeschätzt habe, ein längeres Gespräch zu führen, | an dessen Schlusse sie um eine Handschrift des Vaters, wenn auch nur der Name, zu ihrer Sammlung sich erbat. Ich habe ihr darauf erstens den Paß des Vaters zu seiner Reise nach Brüssel und Paris vom Jahre 1827 zugeschickt, auf dessen Vorderseite der Name G. W. F. Hegel deutlich geschrieben war und auf der Hinterseite sein genaues Signalement in französischer Sprache und außerdem viele vornehme Visa, als Zeugnisse der damaligen Paß-Controlle. Ferner zweitens ein Blatt aus seinen Kollektaneen mit einem interessanten Auszug aus einem Werk von Renouard – Paris 1825 – Traite de breveté etc. Über die Mißstände des Zunftwesens in Frankreich vor der französischen Revolution; es waren diese Notizen auf einem von einem Doktordiplom abgerissenen Stück Papier, übrigens sehr deutlich geschrieben.
In acht Tagen muß ich auch noch der Einweihung einer neuen Kirche in Golm bei Potsdam beiwohnen, zu welcher die kronprinzlichen Herrschaften erscheinen werden. Uebrigens hat die Kronprinzessin mir durch ihren Kammerherrn für jene Handschriften freundlichsten Dank sagen lassen.
Also hoffe ich auf baldiges Wiedersehen in Erlangen. Herzliche Grüße Deinen lieben Kindern
Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel)Immanuel HegelJurist/Konsistorialpräsident der Provinz Brandenburg11657072518141891 Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel) (1814–1891), Bruder Karl Hegels, studierte von 1832 bis 1834 und von 1835 bis 1836 Jura an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, von 1834 bis 1835 an der Ludwigs-Maximilians-Universität in München, trat 1836 in den preußischen Staatsdienst ein und war als Verwaltungsjurist in verschiedenen Verwendungen des Königreichs Preußen, vor allem im Staatsministerium, tätig, wurde 1865 Präsident des Konsistoriums der Provinz Brandenburg, heiratete 1845 Friederike Flottwell (1822–1861) und 1865 Clara Flottwell (1825–1912), beide Töchter des oftmaligen preußischen Oberpräsidenten und Staatsmanns Eduard Heinrich Flottwell (1786–1865), war u. a. Vater des preußischen Verwaltungsbeamten und Politikers Wilhelm (Willi) Hegel (1849–1925), war 1856 Taufpate seines Neffen Georg Hegel (1856–1933).
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Berlin52.5170365,13.3888599Hauptstadt des Königreichs Preußen und ab 1871 auch des Deutschen Reiches.
Privatbesitz
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Privatbesitz
1000
Hegel, Clara (Klara), geb. Flottwell
Clara Hegel, geb. Flottwell116570776?18251912Hegel, Clara (Klara), geb. Flottwell (1825–1912), Tochter Eduard Heinrich Flottwells (1786–1865) und Auguste Flottwells, geb. Lüdecke (1794–1862), jüngere Schwester Friederike Hegels, geb. Flottwell (1822–1861), der ersten Ehefrau Immanuel Hegels (1814–1891) und dessen zweite Ehefrau ab 8. September 1865.
Hegel, Wilhelm (Willi)Wilhelm Hegel13593263718491925Hegel, Wilhelm (Willi) (1849–1925), in Berlin geborener Sohn Immanuel (1814–1891) und Friederike Hegels (1822–1861), Ehemann Armgard Hegels, geb. Wulffen (1862–1928), und Neffe Karl Hegels. Er war hoher preußischer Verwaltungsbeamter, u. a. von 1886 bis 1890 Landrat des Kreises Jerichow I, von 1895 bis 1905 Regierungspräsident von Gumbinnen, von 1905 bis 1908 in Allenstein, von 1908 bis 1917 Oberpräsident der Provinz Sachsen. Es war von 1887 bis 1890 Mitglied des Deutschen Reichstages und wurde im Jahre 1909 in den erblichen preußischen Adelsstand erhoben.
Flottwell, Adalbert JuliusAdalbert Julius Flottwell11663105818291909Flottwell, Adalbert Julius (1829–1909), in Marienwerder geborener Sohn Eduard Heinrich Flottwells (1786–1865) und seiner zweiten Ehefrau Auguste Flottwell, geb. Lüdecke (1794–1862), der nach seinem 1849 begonnenen Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Berlin preußischer Beamter und Politiker wurde. Verheiratet mit Ella (Else) Flottwell, geb. Oppen-Gatersleben (1841–1916), war er von 1861 bis 1868 Landrat von Meseritz in der Provinz Posen, gleichzeitig von 1866 bis 1868 Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses, dann von 1868 bis 1872 Landesdirektor im Fürstentum Waldeck-Pyrmont, von 1872 bis 1875 Kabinettsminister im Fürstentum Lippe, von 1875 bis 1880 Regierungspräsident in Marienwerder, dazu von 1878 bis 1881 Mitglied des Deutschen Reichstages, sowie ab 1880 Präsident des seit 1871 bestehenden preußischen Bezirks Lothringen in Metz. Bis 1902 war er schließlich Direktor der Schlesischen Bodenkreditbank.
Flottwell, Johanna Pauline, geb. Frantzius
-18341897Flottwell, Johanna Pauline, geb. Frantzius (1834–1897), siehe auch: Frantzius, Johanna Pauline.
Friedrich Wilhelm von Preußen11853566818311888Friedrich Wilhelm von Preußen (1831–1888), Kronprinz, siehe auch: Friedrich III.
Hegel, Georg Wilhelm FriedrichGeorg Wilhelm Friedrich Hegel https://www.deutsche-biographie.de/sfz28648.html#ndbcontent11854773917701831 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich (1770–1831), Philosoph, Ehemann Maria Helena Susanna Hegels, geb. Tucher (1791–1855), Vater Karl und Immanuel Hegels , von 1808 bis 1816 Gymnasialrektor und Schulrat in Nürnberg, ordentlicher Universitätsprofessor für Philosophie von 1816 bis 1818 an der Universität Heidelberg und von 1818 bis 1831 an der Universität Berlin.
Renouard, Augustin Charles101986345517941878Renouard, Augustin Charles (1794–1878), französischer Jurist und Politiker.
Hof50.3219015,11.9178807Seit 1810 Stadt im Königreich Bayern, an der Saale im Vogtland gelegen und seit der Mitte des 19. Jahrhunderts Knotenpunkt der bayerischen Ludwig-Süd-Nord-Bahn und der Sächsisch-bayerischen Eisenbahn, zentral für die Nord-Süd- und die Ost-Westverbindungen.
Erlangen49.5928616,11.0056Mittelfränkische Universitätsstadt, etwa 20 Kilometer nördlich von Nürnberg gelegen, seit 1810 Stadt und Universität des Königreichs Bayern.
München48.1371079,11.5753822Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Bayern an der Isar in Oberbayern.
Klosters46.8829097,9.8750678Etwa zwölf Kilometer nordöstlich von Davos im schweizerischen Kanton Graubünden gelegene Gemeinde.
Prättigau46.86629755,9.86844037156844Tal der Landquart im Kanton Graubünden im Südosten der Schweiz gelegen.
Landquart (Fluß)Ein etwa 38 Kilometer langer Fluß im Schweizer Kanton Graubünden, der beim Ort Landquart in den Alpenrhein mündet.
Davos46.796198,9.8236892Luftkurort in den Graubündener Alpen in der Schweiz, etwa 60 Kilometer westlich von Chur.
Engadin46.5330663,9.8795698Hochtal im Kanton Graubünden, etwa 40 Kilometer südöstlich von Davos und etwa 30 Kilometer nordöstlich von St. Moritz im Südosten der Schweiz gelegen.
Heringsdorf53.9543267,14.1673508Etwa 240 Kilometer nördlich von Berlin und etwa 100 Kilometer nordwestlich von Stettin gelegener Badeort auf der Ostsee-Insel Usedom.
Swinemünde53.9097477,14.2510703Etwa 100 Kilometer nördlich von Stettin auf den Inseln Usedom und Wollin gelegener Ort mit Vorhafen für das landeinwärts an der Oder gelegene Stettin.
Boll48.638716,9.6167744Etwa 40 Kilometer südöstlich von Stuttgart am Nordrand der Schwäbischen Alb gelegene Gemeinde im Königreich Württemberg. Thermal- und Schwefelquellen machten es schon am Ende des 16. Jahrhunderts zu einem Kurzentrum mit einem Kurhaus aus den 1820er Jahren als Mittelpunkt.
Lautensee53.94772,19.29229Etwa 40 Kilometer südlich von Elbing und etwa 560 Kilometer nordöstlich von Berlin gelegener Gutsbezirk in Westpreußen.
Alt-Geltow52.3636983,12.9735136Etwa zehn Kilometer südwestlich von Potsdam am Schwielowsee gelegen.
Potsdam52.4009309,13.0591397Garnisons- und Residenzstadt des Königreichs Preußen an der Havel, etwa 30 Kilometer südwestlich von Berlin gelegen.
Brüssel50.8550018,4.3512333761166175Haupt- und Residenzstadt des 1830 gegründeten Königreichs Belgien, an der Grenze zwischen dem nördlichen Flandern und der südlichen Wallonie sowie etwa 140 Kilometer westlich von Aachen gelegen.
Paris48.8588897,2.3200410217200766An der Seine gelegene Hauptstadt des Kaiserreichs Frankreich.
Golm52.4068318,12.9682671Etwa sieben Kilometer westlich von Potsdam gelegener Ort.
Landkreis (Preußen)Untere staatliche Verwaltungsebene in den Provinzen des Königreichs Preußen mit einem Landrat an der Spitze.
Kirche (Alt-Geltow)Der Grundstein der dritten Dorfkirche von Geltow wurde im Juni 1886 in einem Festakt im Beisein des preußischen Kronprinzen Friedrich Wilhelm von Preußen (1831-1888) und dessen Gemahlin Prinzessin Victoria von Großbritannien und Irland (1840-1901) gelegt.
Neues Palais (Potsdam)Das nach Beendigung des Siebenjährigen Krieges in den Jahren von 1763 bis 1769 erbaute Rokoko-Schloß im Westen des Potsdamer Parks von Sanssouci wurde ab 1859 in den Sommermonaten von Kronprinz Friedrich Wilhelm von Preußen (1831-1888) und seiner Familie bewohnt. Dort starb er auch am 15. Juni 1888 als Kaiser Friedrich III.
Kaiser-Friedrich-Kirche (Golm)Die neue Dorfkirche von Golm wurde in den Jahren von 1883 bis 1886 gebaut, anläßlich der Feier ihrer Silberhochzeit am 25. Januar 1883 im Neuen Palais in Potsdam gestiftet und maßgeblich gefördert von Kronprinz Friedrich Wilhelm von Preußen (1831-1888) und seiner Gemahlin Prinzessin Victoria Adelaide Mary Louisa (1840-1901).