Ich habe Dir und den Deinigen eine recht schmerzliche Nachricht mitzutheilen. Unser liebes jüngstes Kind, Gottlieb, ist heute Morgen 3 ½ Uhr im Alter von 6 Jahren und 4 Monaten verschieden.1 Seit acht Tagen war er krank, seit mehreren Tagen waren wir auf sein Ende vorbereitet. Die Krankheit begann mit Beschwerden beim Schlucken, wurde bald ein heftiges Fieber mit wiederholtem Erbrechen und entwickelte sich rasch zu der allergefährlichsten Lungenbräune. Als der liebe Kleine dem Erstickungstode nahe war, wurde zur Perforation des Kehlkopfes geschritten, worauf eine große Erleichterung und Beruhigung eintrat.
Die allersorgfältigste Behandlung unter Leitung der geschicktesten Ärzte, meiner Collegen, wurde angewendet, um das uns so theure Leben zu retten. Neun jüngere Ärzte haben Tag und Nacht abwechselnd bei ihm gewacht. Doch alle menschliche Hülfe war vergebens, nachdem wir noch bis gestern Abend nicht ohne Hoffnung waren, trat gegen Mitternacht größere Schwäche mit Krämpfen des Zwerchfelles ein, welche die Lähmung und den Tod zur Folge hatten.
Die liebe Mutter ist gestern zu uns herüber gekommen und war zugegen bei dem Ende. Wir sorgen für unsere Tochter Luise, welche guter Hoffnung und recht angegriffen ist. Der kleine Gottlieb war bekannt in der ganzen Stadt und der allgemeine Liebling des Hauses, die schönste Herzensfreude seiner Eltern: ein fröhliches sehr aufgewecktes und talentvolles, dabei ein gemüthvolles und anschmiegendes Kind. Jedermann hatte seine Freude an ihm! Nun ist er uns hiernieden verloren! es bleibt uns nur sein schönes verklärtes Bild fest in der Erinnerung vieler einzelner Momente, besonders von der letzten Garmischer Reise2 her, wo seine Lust uns mehr als alles Andere Freude machte. Gott hat es zu sich genommen, das bleibt unser einziger Trost. Wir lesen heute Morgen das rührende Lied: Zeuch hin mein Kind, Gott fordert dich aus dieser argen Welt – die Engel warten schon auf deinen frommen Geist!3 – Ich habe noch nie ein solches Herzweh erfahren. Meine liebe Susanna freilich hat wohl noch ein größeres, aber sie verliert nicht die Fassung und bewährt aufs neue ihren frommen Sinn.4 Das Kind war ihr Herzblatt!