Liebster Manuel!
Ich freue mich für Euch über das nun endlich eingetretene schöne Sommerwetter. Wie sehr wird es Euch in dem heiteren Ems zu statten kommen! wie viel zuträglicher ist es für die Brunnenkur! Wenn ich nur meine liebste Susanna hätte dorthin bringen können! Leider wurde der Moment, als es noch möglich war, unwiederbringlich versäumt!
Bei Euch in Berlin ist es ja recht bewegt im eigenen Hause wie auf dem Reichstag zugegangen! Ein lieber Besuch hat den andern abgelöst. Wir hier in Erlangen hatten nur einen oder zwei, wenn ich den kurzen von Felix auf 2 Tage mitrechne; 3 Wochen aber war seine Schwester Eugenie bei uns, ein gutes, verständiges und frisches Mädchen, mit dem sich unser Sophiechen vortrefflich unterhalten hat. Da gab es Gesellschaften genug, Gartenfeste mit | Theater und Tanzvergnügen, selbst ein solches in unserem Hause, trotz allem schlechten Wetter! Der Lieutenant Georg ist natürlich überall auch dabei und findet hier ganz seine Rechnung; es ist doch besser daß er hier ist und das Familienleben nicht entbehrt! Sophiechen hält seine Sachen in Ordnung und thut durch ihren Einfluß mehr zu seiner Erziehung als ich es vermöchte. Mariechen führt verständig den Haushalt. Unsere Luise ist zu ihrer Erholung und Stärkung in Brückenau. Das viele Kranksein der Kinder an den Masern hat sie doch recht angegriffen trotz der schwäbischen Stütze im Hause; denn die Kinder verlangten immer nur nach der Mutter. Eugen wird sie in Brückenau abholen und dann noch eine Reise nach Stuttgart und weiter mit ihr machen. Von Anna sind gute Nachrichten da, außer daß der kleine Otto fortwährend kränkelt. Sie wird deshalb mit ihm im kommenden Monat aufs Land ziehen nach dem schön gelegenen Ebenhausen an der Isar und daselbst bis Oktober bleiben. Im November erwartet sie – ein Wochenbett! |
Meine Reisepläne habe ich jetzt auch fixirt. Ich habe mit meiner Freundin Gervinus ein Zusammenkommen in Bad Rippoldsau am Kniebis im Schwarzwald verabredet und werde Sophiechen, die immer noch nicht frei von leichten Schwindelanfällen ist – vielleicht durch Blutleere – mitnehmen; ich hoffe, daß ihr und mir die Waldluft und die treffliche Quelle gut thun werden. Frau Victorie rühmt beides ganz außerordentlich und hat davon schon den besten Erfolg. Am 6. August denke ich von hier, zunächst nach Stuttgart, abzureisen. Glücklicher Weise bin ich diesmal von Prüfungscommissarien bei den Gymnasien verschont, nicht aber von der Hauptprüfung der Philologen im October in München. Mit meiner Gesundheit geht es im ganzen gut.
Die große politische Wendung auf dem Reichstag in Berlin habe ich von weitem mit Staunen betrachtet. Bismark hat wieder etwas Großes geschaffen! er nutzt Personen und Parteien ab und erreicht seinen Zweck auf die eine oder andre Weise. Marquardsen, den ich hier sprach, meint, er werde doch wieder zu ihnen d. h. den Nationalliberalen kommen! Gewiß wird er sich auch | nicht vom Centrum und seiner schwarzen Bande regieren lassen. Er ist auf dem Wege den Culturkampf zu beendigen und dann steht noch der neue Militäretat bevor. Was für Aufgaben! Und das Volk wählt – Socialdemokraten!
Schreibe mir doch, wie es Euch geht. Herzlichen Gruß an die liebe Klara.
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel)Immanuel HegelJurist/Konsistorialpräsident der Provinz Brandenburg11657072518141891 Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel) (1814–1891), Bruder Karl Hegels, studierte von 1832 bis 1834 und von 1835 bis 1836 Jura an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, von 1834 bis 1835 an der Ludwigs-Maximilians-Universität in München, trat 1836 in den preußischen Staatsdienst ein und war als Verwaltungsjurist in verschiedenen Verwendungen des Königreichs Preußen, vor allem im Staatsministerium, tätig, wurde 1865 Präsident des Konsistoriums der Provinz Brandenburg, heiratete 1845 Friederike Flottwell (1822–1861) und 1865 Clara Flottwell (1825–1912), beide Töchter des oftmaligen preußischen Oberpräsidenten und Staatsmanns Eduard Heinrich Flottwell (1786–1865), war u. a. Vater des preußischen Verwaltungsbeamten und Politikers Wilhelm (Willi) Hegel (1849–1925), war 1856 Taufpate seines Neffen Georg Hegel (1856–1933).
Erlangen49.5928616,11.0056Mittelfränkische Universitätsstadt, etwa 20 Kilometer nördlich von Nürnberg gelegen, seit 1810 Stadt und Universität des Königreichs Bayern.
Privatbesitz
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Privatbesitz
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Hegel, Susanna Maria Karoline Henriette, geb. Tucher
Susanna Maria Hegel, geb. Tucher116146891918261878Hegel, Susanna Maria Karoline Henriette, geb. Tucher (1826–1878), häufig „Susette“ genannt, Tochter Johann Sigmund Karl Tuchers (1794–1871) und Maria Magdalena Tuchers, geb. Grundherr (1802–1876), Ehefrau Karl Hegels (1813–1901); siehe auch: Tucher, Susanna Maria.
Klein, FelixFelix Klein11856286X18491925Klein, Felix (1849–1925), in Düsseldorf geborener Mathematiker, der von 1872 bis 1875 ordentlicher Professor an der Universität Erlangen war, dann bis 1880 an der Technischen Hochschule München, bis 1886 an der Universität Leipzig und bis 1913 an der Universität Göttingen, Ehemann Anna Maria Carolina Kleins, geb. Hegel (1851–1927).
Hegel, Sophia (Sophiechen)Sophie Hegel-18611940Hegel, Sophia (Sophiechen) (1861–1940), vierte und jüngste Tochter Karl und Susanna Maria Hegels, geb. Tucher (1826–1878); sie blieb unverheiratet und absolvierte Stationen in München und Göttingen in den Haushalten der Schwestern Luise Lommel, geb. Hegel (1853–1924), und Anna Klein, geb. Hegel (1851–1927), später eine ca. 20 Jahre währende Tätigkeit als Lehrerin/Erzieherin an einem englischen Mädchenpensionat in Malvern, ab 1910 wieder in der Familie ihrer schwerhörigen Schwester Anna Klein lebend und dort vor allem in der Erziehung und Krankenpflege helfend; spätere Arbeit im sozialen Bereich in Göttingen.
Hegel, Maria (Mariechen, Mimi)Marie HegelTochter Karl Hegels-18551929 Hegel, Maria (Mariechen, Mimi) (1855–1929), dritte Tochter Karl (1813–1901) und Susanna Maria Hegels, geb. Tucher (1826–1878), die ab 1878 dem verwitweten Vater den Haushalt in Erlangen führte.
Lommel, Luise, geb. Hegel
Luise Lommel, geb. Hegel-18531924 Lommel, Luise, geb. Hegel (1853–1924), Ehefrau des Physik- und Mathematik-Professors Eugen Lommel (1837–1899); siehe auch: Hegel, Luise (1853–1924).
Lommel, Eugen Cornelius JosephEugen Lommel10427615018371899Lommel, Eugen Cornelius Joseph (1837–1899), in der Rheinpfalz geborener Physiker und Mathematiker, der von 1854 bis 1858 an der Universität München studierte, Lehrer in der Schweiz und dann Privatdozent an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich wurde. 1867/68 war er Professor an der land- und forstwirtschaftlichen Akademie in Hohenheim und von 1868 bis 1886 Ordinarius an der Universität Erlangen, schließlich an der Universität München. Er war der Ehemann Luise Hegels (1853–1924), der zweitältesten Tochter Karl und Susanna Maria Hegels (1826–1878).
Gervinus, Victorie, geb. Schelver
Victorie Gervinus, geb. Schelver11659528018201893Gervinus, Victorie, geb. Schelver (1820–1893), war Musikwissenschaftlerin, Tochter des Mediziners, Botanikers und Naturphilosophen Franz Josef Schelver (1778–1832) und Ehefrau Georg Gottfried Gervinus’ jun. (1805–1871).
Bismarck, Otto11851136X18151898Bismarck, Otto (1815–1898), in Schönhausen an der Elbe geborener preußischer und deutscher Politiker, der 1850 Mitglied des Erfurter Unionsparlaments war, von 1862 bis 1890 preußischer Ministerpräsident, zugleich von 1867 bis 1871 einziger Bundeskanzler des Norddeutschen Bundes und von 1871 bis 1890 erster Reichskanzler des Deutschen Reiches.
Marquardsen, HeinrichHeinrich Marquardsen11678909318261897Marquardsen, Heinrich (1826–1897), in Schleswig geborener Jurist und Politiker, der nach seinem Studium der Rechtswissenschaften an den Universitäten Kiel und Heidelberg im Jahre 1848 promoviert wurde und sich 1852 habilitierte. Als Privatdozent für Staats- und Völkerrecht wurde er 1857 in Heidelberg außerordentlicher Professor und war anschließend von 1861 bis 1897 Ordinarius an der Universität Erlangen. Im Zusammenhang mit der Schleswig-Holstein-Problematik wandte er sich der Politik zu und war 1864/65 Präsident der Schleswig-Holstein-Vereine im Königreich Bayern, war von 1868 bis 1870 als Mitglied der Fortschrittspartei Mitglied des deutschen Zollparlaments, von 1869 bis 1892 Mitglied der Abgeordnetenkammer des Bayerischen Landtages und von 1871 bis zu seinem Tode auch Mitglied des Deutschen Reichstages.
Hegel, Clara (Klara), geb. Flottwell
Clara Hegel, geb. Flottwell116570776?18251912Hegel, Clara (Klara), geb. Flottwell (1825–1912), Tochter Eduard Heinrich Flottwells (1786–1865) und Auguste Flottwells, geb. Lüdecke (1794–1862), jüngere Schwester Friederike Hegels, geb. Flottwell (1822–1861), der ersten Ehefrau Immanuel Hegels (1814–1891) und dessen zweite Ehefrau ab 8. September 1865.
Ems50.3352062,7.7128538Bade- und Kurort an der Lahn, etwa 90 Kilometer nordwestlich von Frankfurt am Main gelegen, bis 1866 zum Herzogtum Nassau gehörend, dann zum Königreich Preußen.
Berlin52.5170365,13.3888599Hauptstadt des Königreichs Preußen und ab 1871 auch des Deutschen Reiches.
Brückenau50.3101036,9.7892824Heilbad in der Rhön, seit 1816 zum Königreich Bayern gehörend.
Stuttgart, auch: Stuttgard48.7784485,9.1800132Am Neckar gelegene Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Württemberg.
Ebenhausen47.9788079,11.4534323Etwa 25 Kilometer südwestlich von München an der Isar gelegener Ort.
IsarIm österreichischen Teil des Karwendel-Gebirges entspringender, etwa 290 Kilometer langer Fluß durch Tirol und Bayern, der südlich von Deggendorf in die Donau mündet.
Rippoldsau48.4285397,8.3285852Etwa 340 Kilometer südwestlich von Erlangen im Nordschwarzwald nahe Freudenstadt gelegenes Mineral- und Moorbad.
Kniebis48.4720808,8.3106312Etwa 85 Kilometer südwestlich von Stuttgart im Schwarzwald und westlich von Freudenstadt gelegener Bergrücken von etwa 970 Metern Höhe.
SchwarzwaldGegenüber den Vogesen östlich des Oberrheins gelegenes Mittelgebirge im Königreich Württemberg, das sich zwischen Pforzheim und Baden-Baden im Norden sowie Lörrach und Waldshut im Süden erstreckt. Mit dem Feldberg, südöstlich von Freiburg im Breisgau gelegen, erreicht er eine Höhe von 1493 Metern.
München48.1371079,11.5753822Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Bayern an der Isar in Oberbayern.
Reichstag (Deutsches Reich)In der Tradition des Reichstages des Norddeutschen Bundes von 1867 stehendes Parlament des Deutschen Reichs, das von 1871 bis 1918 bestand und zusammen mit dem Bundesrat die Reichsgesetzgebung ausübte. Verfassungsrechtlich ist er verankert in Kapitel V, Artikel 20-32, der Verfassung des Deutschen Reichs vom 16. April 1871.
Nationalliberale ParteiAls Abspaltung des rechten Flügels der Deutschen Fortschrittspartei gegründete Partei, die vor allem die Interessen des national und liberal denkenden Bildungs- und Besitzbürgertums in einem konstitutionellen parlamentarischen Rechtsstaat vertrat.
Zentrum (Deutsche Zentrumspartei)Sich im Jahre 1870 aus katholischen Abgeordneten des Preußischen Abgeordnetenhauses bildende Partei, die im sog. Kulturkampf eine Hauptrolle im Kampf gegen Bismarcks Politik spielte.
„Kulturkampf“Begriff für die Auseinandersetzungen von 1871 bis circa 1878 zwischen Reichskanzler Otto Bismarck (1815-1898) und der katholischen Kirche um deren (politischen) Einfluß auf den Staat des Deutschen Reiches.
SozialdemokratieDie aus Arbeitervereinen hervorgegangenen Parteien wie der 1863 von Ferdinand Lassalle (1825-1864) gegründete Allgemeine Deutsche Arbeiterverein und die 1869 von August Bebel (1840-1913) und Wilhelm Liebknecht (1826-1900) gegründete Sozialdemokratische Arbeiterpartei Deutschlands schlossen sich 1875 zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands zusammen.