Uns verlangt sehr nach Nachrichten von dem guten Willi. Nach den letzten, die wir durch Dich vom 15. vorigen Monats erhielten1, lag er noch im Lazarett zu Vendôme. Lieber hätte ich gehört, daß er gleich fort transportirt wäre, was in den ersten Tagen nach der Verwundung oft weniger bedenklich sein soll als später. Jetzt sind seit jenem Moment 5 Wochen vorüber, eine schrecklich lange Zeit für den armen Verwundeten, aber doch wohl noch nicht hinreichend für die Heilung, wenngleich seine jugendlichen und gesunden Kräfte sie früh erhoffen lassen. Möchten doch Clara oder Marie, wenn Du selbst verhindert bist, uns schreiben, wie es mit dem guten Jungen steht.
Wie haben sich in der letzten Zeit wieder die wichtigsten Ereignisse zusammengedrängt! Die Capitulation von Paris2 läßt uns Gottlob ein baldiges Ende dieses menschenmordenden Kriegs voraussehen. Unsere Überlegenheit ist dadurch um ein Großes gewachsen, und es ist den Machthabern in Frankreich nicht länger möglich, die Nation über ihre verzweifelte Lage zu verblenden. Vermuthlich wird es zwischen diesen selbst – in Paris und Bordeaux3 – zum Bruche kommen und dann die Partei des fortgesetzten Wahnsinns unterliegen. Im anderen Falle stände nur größere Vernichtung Frankreichs in Aussicht.
Die Nachricht von der Capitulation kam durch das Stuttgarter Correspondenz-Bureau4 am 28. Januar verfrüht zu uns, wurde aber, obwohl sie nicht als offiziell gelten konnte, allgemein geglaubt. Darum wurden am Sonnabend Mittag sofort alle Flaggen – die meinige ist schwarz weiß roth5 – herausgezogen; die Studenten verständigten sich über den am Abend abzuhaltenden Fackelzug; auf die Illumination war man seit Wochen vorbereitet und das Wetter war günstig: also strahlte unser Erlangen Abends von Licht, die Universität, für die ich gesorgt, machte sich zur allgemeinen Zufriedenheit sehr schön, der Fackelzug zog durch die Straßen nach meinem Hause, wo ich ihn unten auf der Veranda erwartete und, nachdem mir als Prorector ein Vivat ausgebracht worden, mit kurzer Ansprache und zeitgemäßen Hochs erwiederte.6 Glücklicher Weise wurde unsere etwas verfrühte Feier, die dem Act der Unterzeichnung in Versailles selbst um einige Stunden vorausging, am folgenden Tag bestätigt.
Der neueste große Erfolg der deutschen Südarmee wird für unsere Empfindung besonders noch durch die Schadenfreude erhöht, welche die Schweizer durch ihre Mißgunst reichlich um uns verdient haben, daß sie das nichtswürdige und schmutzige Franzosenpack in mehr als 80000 Exemplaren zu genießen bekommen.7 Möge ihnen die Kur gut bekommen zur Besserung!
Unser bairisches Land wurde durch die langwierigen Kammerversendungen über die Verträge, in welchen sich die pfäffische Bornirtheit und der Preußenhaß zusammenfanden und genug thaten, in Spannung erhalten, weil das Ergebnis der Abstimmung fast bis zum letzten Moment zweifelhaft blieb. Groß war die Freude über den glücklichen Ausfall. Mit gegenwärtiger Kammer wäre ein solcher nicht zu erreichen gewesen ohne die Entschiedenheit unseres jungen Königs.
Ich schließe um den Brief noch rechtzeitig auf die Eisenbahn zu besorgen und die erbetene Antwort um keinen Tag zu verzögern.
Susanna grüßt herzlich mit mir Dich und Deine Lieben:
NB8 sie wartet auch auf Antwort von Klara auf einen vor 5 Wochen abgegangenen Brief.