XML PDF

Georg Wilhelm Friedrich Hegel und Maria Helena Susanna Hegel, geb. Tucher, an Karl und Immanuel Hegel, Berlin, 28. Juli 1829

Lieber Karl und lieber Manuel!

Wir erhielten gestern Deinen Brief1 von Blankenburg mein lieber Manuel! ich schreibe Dir heute mit umgehender Post nach Goslar und hoffe mein Brieflein, wird Euch so wie das nach Wernigerode nicht verfehlen2. Wir freuen uns herzlich das es Euch auf Euerer Reise3 so wohl geht und das bis jetzt Euch das Wetter so zimlich begünstigt hat. Dein Brieflein lieber Manuel gab zwar im Allgemeinen Auskunft aber ich hätte noch manche Frage im Einzelnen und muß mich damit wohl auf mündliches Erzählen und aufs Tagebuch vertrösten. Wie geht es Euch denn mit Eurem Geld, lebt Ihr nicht zu schlecht, so das der Mensch dabei bestehen kann und reicht Ihr aus mit dem was für den Tag ohngefähr gerechnet ist? – Wie kommt Ihr mit der wenigen Bagage zurecht – Habt Ihr fleisig waschen lassen? Die intressantesten Punkte stehen Euch noch bevor – ich wünsche nur das Ihr schönes helles Wetter auf dem Brocken gehabt habt – Zieht Euch nur wenn Ihr in die Bergwerke geht nicht zu leicht an, darauf läßt Euch Doctor Binder besonders aufmerksam machen.

Wir sind nun endlich in unser neues Quartier eingezogen – ich habe einen getreuen Hand- langer dabei nicht wenig vermißt, besonders beim Ordnen der Bibliothek, die ich ordentlicher als sie je war aufgestellt habe, nach allen besondern wissenschaftlichen Fächern; – ich hatte dabei keine Hülfe und bin ehrlich müde geworden. Unsere Wohnung ist nun allerliebst, ihr werdet Euch über Euer freundliches Stübchen freuen. – –  Des Vaters Antwort an Frau von Wahl ist nun abgegangen – er ist darauf  eingegangen – jedoch in dem Sinne in dem ich Euch neulich davon schrieb – wir wollen freie Hand behalten – – fügt sich Wahl in die herkömmliche Ordnung und Stille unserer Verhältnisse und verträgt Ihr Euch gemeinschaftlich und ist er brav und ordentlich, so nehmen wir ihn herzlich gern als Pflegesohn auf. – Auf die bejahende Antwort der Frau von Wahl, wird Reißners Quartier gemiethet, und wahrscheinlich Ernst (Jettens Bruder) als Bedienter, und Jette an Wilhelminens Stelle! Ich bin begierig was Ihr dazu sagt.

Dir mein lieber Taubenvater4 hab ich die erfreuliche Nachricht mitzutheilen, das heute den 28sten Juni5 eine junge Taube das Licht der Welt erblickt hat. Die andere Schwester wird wahrscheinlich Morgen das Ei verlassen auf dem die Alte noch sitzt. Auch der Kanarienvogel ist lustig und guter Dinge. Die Cactus stehen wieder sonnig und frisch auf dem Blumenbrett. Euere Komode und Kleiderschrank sind eingeräumt. Bett und Sopha stehen wohnlich da, nur die lieben Bewohner fehlen. Nun ich denke die längste Zeit Euerer Abwesenheit ist vorüber. Denen die in der Welt herum ziehen, wird die Zeit nicht so lange als denen die zu Hause bleiben – das hab ich voriges Jahr gemerkt.6

Nun adieu Ihr Lieben. Es laborirt der Tischler und Schlosser um mich herum und die Poststunde ist da, darum noch geschwind in Eile ein herzliches Lebewohl von Vater und Mutter.7