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Karl Hegel an Immanuel Hegel, Erlangen, 19. Januar 1879

Lieber Manuel!

Du hast meiner am Weihnachtsfest und Neujahrstag liebevoll gedacht, wofür ich Dir herzlich danke.

Es war das erste Weihnachtsfest, bei dem mir meine geliebte Susanna fehlte, mit der und den Kindern ich es so oft bei den lieben Eltern in Nürnberg feiern durfte! Zu ihr waren meine Gedanken beständig gerichtet, auch blieben Glanz der Lichter und die Freude der Kinder im Lommel’schen Hause. Und noch einmal durchlebte ich die traurigen Tage und Stunden des vergangenen Jahres bis zur schrecklichen Neujahrsnacht, in welcher wieder wie damals draußen der Wind heulte! Doch ist mein Schmerz gelinder geworden und ich gewöhne mich mehr in den gegebenen Zustand des Hauses, von dem ich sonst nur Gutes sagen kann, denn ich habe alle Ursache mich über meine guten Kinder zu freuen, die beiden Mädchen, die so anspruchslos und gewissenhaft nach dem Vorbild der Mutter im Hause walten und für mich sorgen, und den ehrlichen Mundel, der mir noch niemals einen Grund zur Klage gegeben hat!

Georg war gleichfalls über Weihnachten und Neujahr bei uns und hat es sich wohl sein lassen in gemüthlicher Behaglichkeit, wozu die Kriegsschule in München wenig Raum gibt. Aber die dortige Zucht hat ihm offenbar gut gethan und ich wünschte nur, daß sie nicht bloß ein Jahr dauerte. Jetzt hat er sich bis zu seinem Abgang im März doppelt anzustrengen, um das gesetzte Pensum zu erfüllen, und dann hofft er bald auf die Epaulettes als Inbegriff seiner jetzigen höchsten Wünsche.

Ende der vergangenen Woche kam Felix aus München auf drei Tage herüber, um sich zu zerstreuen und seine herabgestimmten Nerven zu erfrischen: doch zu einer ruhigen Erholung ist er nicht fähig; er muß, um nicht zu arbeiten, sich mit Anderen unterhalten, am liebsten mit seinen Fachgenossen, und ermüdet nicht, dies den ganzen Tag über fortzusetzen.

Zu derselben Zeit nahm ich zum ersten mal mit meinen Töchtern und Lommels eine Einladung zu einer großen Abendgesellschaft an, welche zwei Collegen in dem Saal der Harmonie veranstalteten. Denn ich wollte meine Töchter nicht länger in die Trauer unseres Hauses verschließen; ihre Jugend hat ein schönes Anrecht an den Frohsinn des Lebens, und sie haben sich gut dort unterhalten. Als Sophiechen im Duett mit einer Freundin mit heller und tieferer Stimme einige Kinderlieder von Lachner vortrug, habe ich mir meine Susi gedacht, wie sie sich darüber gefreut haben würde! Das liebe Kind war ihr immer so ganz besonders sympathisch und machte ihr Alles recht, wie sie sagte! Nachher haben sie auch noch getanzt und ich wurde genöthigt bei Tisch den Toast auf die Gastgeber auszubringen.

Dies war mein erster Schritt in das gesellige Leben hinein und Ende des Monats soll ich auch einen öffentlichen Vortrag in der Harmonie zum Besten des Suppenvereins halten!1

Du entnimmst hieraus, daß ich über mein äußeres Befinden nicht zu klagen habe; es ist viel besser als im vergangenen Sommer und auch Vorlesungen und Arbeit strengen mich wenig an.

Herzlichen Antheil habe ich an Deinen Familienereignissen, von denen Du schriebst2, genommen: Willis Ankunft zu Weihnachten, der nun in einem so befriedigenden Wirkungskreis zu Paderborn eingetreten ist – und in anderem Sinne an dem bedenklichen Leiden Deines Schwiegersohns, welches ihn genöthigt hat, Hülfe in Breslau zu suchen. Ich las in diesen Tagen, daß er dort unter den Candidaten zum Oberbürgermeister genannt werde – ein Beweis, wie vortheilhaft er sich schon in weiteren Kreisen bekannt gemacht hat! Herzlich wünsche ich ihm eine baldige völlige Genesung.

Ich schrieb Dir wohl schon von der schweren Krankheit von Luise Löffelholz; jetzt ist sie durch glückliche Operation schon nahezu vollständig wiederhergestellt. Schwager Friedrich, Forstassistent in Regensburg, gab mir kürzlich gute Nachricht von seiner Familie, welche durch zwei Kinder, einen Knaben und ein Mädchen beglückt ist. Ich bin nur einmal in dieser Zeit nach Nürnberg auf ein paar Stunden gekommen, wo ich Lina und Luise (Löffelholz) besuchte.

Möge es Dir und den Deinigen wohl gehen! Meine herzlichen Grüße an die liebe Clara und Clärchen!

Dein
Bruder Karl.