Berlin den 28sten März 1881
Lieber Karl!
Du wirst durch Deine Sophie von dem Besuch des Ehepaars Klein in Berlin Kunde erhalten haben. Wir waren darüber sehr erfreut; besonders war uns Anna ein lieber Gast in unserem Hause. Wir haben sie merkwürdig wenig verändert gefunden; blühend und jugendlich in ihrem ganzen Wesen, im Denken und Fühlen. Auch ihr Gehör hat sich nach unserer Wahrnehmung nicht verschlimmert. Ihr geselliges Bedürfniß findet anscheinend bis jetzt in Leipzig wenig Befriedigung, und so that es ihr offenbar wohl, sich hier gründlich aussprechen zu können. Auch hat sie hier manche alte Freundinnen wieder begrüßt und vieles gesehen, was ihrem lebendigen Geist von Interesse war. Klein, der hier mit den Berliner mathematischen Größen Fühlung suchte und persönliche Verbindung anknüpfte, war auch von der gefundenen Aufnahme recht befriedigt. Leider ist er noch immer durch seine angegriffenen Nerven vielfach gehemmt; doch versicherte er, daß er sich darin jetzt wohler befinde, als früher in München; er logirte im Kaiserhof. Er zeigte sich sehr liebenswürdig im Verkehr mit uns. Nachdem Anna schon am Freitag
| Mittag im Verlangen nach ihren Kindern wieder heimgekehrt war, ist Klein erste heute Mittag abgereist.
Diesen lieben Gästen folgt nun eine Schaar von Flottwellschen Verwandten, welche sich zur Einsegnung unserer Nichte Olli – Clara –, der jüngsten Tochter meines verstorbenen Schwagers Herrmann hier einfinden. Sie war seither hier in Pension und wird am Donnerstag von Pfarrer Müllensiefen eingesegnet. Dazu kommt die Mutter Pauline mit ihrer zweiten Tochter … von Danzig, die im Gasthof logiren, und mein Schwager Adalbert aus Metz, der unsere Gaststube beziehen und sich auch noch einige Tage als Abgeordneter des Reichstags bei uns aufhalten wird. Ferner werden auch die Brüder Paul, jetzt Husar und Referendar in Merseburg, und Max, Dragoner-Fähnrich auf der Kriegsschule in Potsdam, sich einfinden; also ein zahlreicher Verwandtenkreis, dem ich mich aber persönlich nicht viel widmen kann.
In der nächsten Woche erwarten wir hier Willy, der als Regierungs-Assessor nach Posen versetzt ist, und jetzt das bisherige bischöfliche Kommissariat in Paderborn auflösen hilft. Es wird ihm erwünscht sein, noch diesen | befriedigenden Abschluß seiner Thätigkeit miterlebt zu haben. Hoffentlich findet diese Lösung des Kulturkampfes auch in anderem seinen Fortgang; es ist hohe Zeit, damit in unserem Lande ein Ende zu machen, bevor mächtigere Erschütterungen dazu nöthigen. – Die Versetzung nach Posen ist Willy nicht besonders erfreulich; denn es ist an sich kein angenehmer Ort, in der Kultur und von Natur vernachlässigt. Indessen kann er als unverheirateter junger Mann im Amt und Leben einige Befriedigung dort finden und im Hause des Oberpräsidenten
Guether – William – wird er herzliche Aufnahme finden.
Von Waitz, den ich bei der Geburtstagsfeier des Kaisers, in der Universität sprach, habe ich erfahren, daß Du zur Reichs-Kommission eingeladen bist. Wir knüpfen daran unsere wiederholte Bitte, daß Du mit Sophiechen, welche Du diesmal versprochener Maaßen mitbringen wirst, unser Haus durch Euren Besuch als Gäste erfreuen möchtest. Es wird zu jener Zeit Platz vorhanden sein.
Am Anfang Mai steht dann eine Expedition nach Göggingen in Aussicht. Deine Auskunft lautet allerdings nicht so empfehlend, als | die günstigen Zeugnisse, die wir anderwärts zahlreich empfangen haben. Allerdings ist Hessing nur ein Handwerker, aber darum sind auch die Urtheile der Aerzte nicht unbefangen und wir glauben an seiner außergewöhnlichen Geschiklichkeit und seiner Zuverlässigkeit nicht zweifeln zu können. Wenn sich aber hier die Hoffnung einer Hülfe, wenigstens einer Besserung des Uebels und der Bewahrung vor Verschlimmerung darbietet, so kann ich, besonders bei dem Vertrauen, das meine Frau dazu gewonnen hat, nicht die Verantwortlichkeit auf mich nehmen, davon nicht rechtzeitig Gebrauch gemacht zu haben. Es erscheint daher als Pflicht, auf den Versuch einzugehen; der Erfolg steht in Gottes Hand. Meine Frau wird Klärchen hinbringen und bei ihr so lange bleiben müssen, bis sie sich dort eingelebt haben und im Stande sein wird, ohne mütterlichen Beistand einige Monate daselbst zu verweilen. Ob dies gelingen wird, ist freilich nicht ganz sicher; es bleibt eben ein Versuch.
Von Clara und Klärchen herzliche Grüße. In der Hoffnung baldigen Wiedersehens
Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel)Immanuel HegelJurist/Konsistorialpräsident der Provinz Brandenburg11657072518141891 Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel) (1814–1891), Bruder Karl Hegels, studierte von 1832 bis 1834 und von 1835 bis 1836 Jura an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, von 1834 bis 1835 an der Ludwigs-Maximilians-Universität in München, trat 1836 in den preußischen Staatsdienst ein und war als Verwaltungsjurist in verschiedenen Verwendungen des Königreichs Preußen, vor allem im Staatsministerium, tätig, wurde 1865 Präsident des Konsistoriums der Provinz Brandenburg, heiratete 1845 Friederike Flottwell (1822–1861) und 1865 Clara Flottwell (1825–1912), beide Töchter des oftmaligen preußischen Oberpräsidenten und Staatsmanns Eduard Heinrich Flottwell (1786–1865), war u. a. Vater des preußischen Verwaltungsbeamten und Politikers Wilhelm (Willi) Hegel (1849–1925), war 1856 Taufpate seines Neffen Georg Hegel (1856–1933).
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Berlin52.5170365,13.3888599Hauptstadt des Königreichs Preußen und ab 1871 auch des Deutschen Reiches.
Privatbesitz
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Privatbesitz
1000
Hegel, Sophia (Sophiechen)Sophie Hegel-18611940Hegel, Sophia (Sophiechen) (1861–1940), vierte und jüngste Tochter Karl und Susanna Maria Hegels, geb. Tucher (1826–1878); sie blieb unverheiratet und absolvierte Stationen in München und Göttingen in den Haushalten der Schwestern Luise Lommel, geb. Hegel (1853–1924), und Anna Klein, geb. Hegel (1851–1927), später eine ca. 20 Jahre währende Tätigkeit als Lehrerin/Erzieherin an einem englischen Mädchenpensionat in Malvern, ab 1910 wieder in der Familie ihrer schwerhörigen Schwester Anna Klein lebend und dort vor allem in der Erziehung und Krankenpflege helfend; spätere Arbeit im sozialen Bereich in Göttingen.
Klein, FelixFelix Klein11856286X18491925Klein, Felix (1849–1925), in Düsseldorf geborener Mathematiker, der von 1872 bis 1875 ordentlicher Professor an der Universität Erlangen war, dann bis 1880 an der Technischen Hochschule München, bis 1886 an der Universität Leipzig und bis 1913 an der Universität Göttingen, Ehemann Anna Maria Carolina Kleins, geb. Hegel (1851–1927).
Müllensiefen, Julius11716681218111893Müllensiefen, Julius (1811–1893), im westfälischen Iserlohn geborener zweitjüngster Sohn des Nadelfabrikanten und Landrats Peter Eberhard Müllensiefen (1766–1847), der nach seinem Studium an den Universitäten Halle und Berlin evangelischer Theologe und Pfarrer wurde.
Flottwell, Johanna Pauline, geb. Frantzius
-18341897Flottwell, Johanna Pauline, geb. Frantzius (1834–1897), siehe auch: Frantzius, Johanna Pauline.
Flottwell, Adalbert JuliusAdalbert Julius Flottwell11663105818291909Flottwell, Adalbert Julius (1829–1909), in Marienwerder geborener Sohn Eduard Heinrich Flottwells (1786–1865) und seiner zweiten Ehefrau Auguste Flottwell, geb. Lüdecke (1794–1862), der nach seinem 1849 begonnenen Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Berlin preußischer Beamter und Politiker wurde. Verheiratet mit Ella (Else) Flottwell, geb. Oppen-Gatersleben (1841–1916), war er von 1861 bis 1868 Landrat von Meseritz in der Provinz Posen, gleichzeitig von 1866 bis 1868 Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses, dann von 1868 bis 1872 Landesdirektor im Fürstentum Waldeck-Pyrmont, von 1872 bis 1875 Kabinettsminister im Fürstentum Lippe, von 1875 bis 1880 Regierungspräsident in Marienwerder, dazu von 1878 bis 1881 Mitglied des Deutschen Reichstages, sowie ab 1880 Präsident des seit 1871 bestehenden preußischen Bezirks Lothringen in Metz. Bis 1902 war er schließlich Direktor der Schlesischen Bodenkreditbank.
Hegel, Wilhelm (Willi)Wilhelm Hegel13593263718491925Hegel, Wilhelm (Willi) (1849–1925), in Berlin geborener Sohn Immanuel (1814–1891) und Friederike Hegels (1822–1861), Ehemann Armgard Hegels, geb. Wulffen (1862–1928), und Neffe Karl Hegels. Er war hoher preußischer Verwaltungsbeamter, u. a. von 1886 bis 1890 Landrat des Kreises Jerichow I, von 1895 bis 1905 Regierungspräsident von Gumbinnen, von 1905 bis 1908 in Allenstein, von 1908 bis 1917 Oberpräsident der Provinz Sachsen. Es war von 1887 bis 1890 Mitglied des Deutschen Reichstages und wurde im Jahre 1909 in den erblichen preußischen Adelsstand erhoben.
Guenther, William Barstow13620047818151892Guenther, William Barstow (1815–1892), in London geborener preußischer Verwaltungsjurist, der nach seinem Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Bonn in die Innen- und Finanzverwaltung des Königreichs Preußen eintrat, wechselnde Verwendungen in dessen Ministerien fand und 1870 Präsident der Preußischen Seehandlung wurde. Von 1873 bis 1886 war er Oberpräsident der preußischen Provinz Posen. Er war mit Klara Guenther, geb. Jebens (1828–1912), verheiratet und hatte mit ihr zwei Söhne, die hohen Verwaltungsbeamten Georg Richard Guenther (1858–1942) und Hans Lauchlan Guenther (1864–1934).
Waitz, GeorgGeorg Waitz
HiKo
11905914218131886Waitz, Georg (1813–1886), in Flensburg geborener Historiker, der nach einem breiten geisteswissenschaftlichen, juristischen und theologischen Studium an den Universitäten Kiel und Berlin 1836 promoviert wurde. Nach seiner Tätigkeit bei den Monumenta Germaniae Historica wurde er 1842 ordentlicher Professor der Geschichtswissenschaft an der Universität Kiel, wechselte 1848 als Ordinarius an die Universität Göttingen und wurde 1858 Gründungsmitglied der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München. Als er 1875 Präsident der Monumenta Germaniae Historica in Berlin wurde, ging er gleichzeitig an die Universität Berlin. Er war in erster Ehe mit Clara Schelling (1818–1857), einer Tochter des Philosophen Friedrich Wilhelm Schelling (1775–1854), verheiratet, in zweiter Ehe mit Helene Franziska Friederike Hartmann (1831–1915), einer Tochter des Generals Georg Julius Hartmann (1774–1856).
Wilhelm I., König von Preußen, Deutscher KaiserWilhelm I., König von Preußen, Deutscher Kaiser11863288417971888Wilhelm I. (1797–1888), Prinz von Preußen, König von Preußen von 1861 bis 1888, ab 1871 auch Deutscher Kaiser.
Hessing, Friedrich11870423018381918Hessing, Friedrich (1838–1918), aus der Nähe Rothenburg ob der Tauber stammender Handwerker, Orgel- und Harmoniumbauer sowie Orthopäde, der ein Vorreiter bei der Entwicklung von Orthopädietechniken war. Ihm gehörte u. a. die im Jahre 1868 von ihm gegründete Hessing’sche Ökonomie- und Heilanstalt in Göggingen bei Augsburg.
Hegel, Clara (Klara), geb. Flottwell
Clara Hegel, geb. Flottwell116570776?18251912Hegel, Clara (Klara), geb. Flottwell (1825–1912), Tochter Eduard Heinrich Flottwells (1786–1865) und Auguste Flottwells, geb. Lüdecke (1794–1862), jüngere Schwester Friederike Hegels, geb. Flottwell (1822–1861), der ersten Ehefrau Immanuel Hegels (1814–1891) und dessen zweite Ehefrau ab 8. September 1865.
Leipzig51.3406321,12.3747329Am Zusammenfluß von Weißer Elster, Pleiße und Parthe gelegene Universitäts- und Messestadt in Sachsen.
München48.1371079,11.5753822Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Bayern an der Isar in Oberbayern.
Danzig54.3706858,18.61298210330077Ehemalige Hansestadt und alte Handelsstadt an der Ostsee, etwa 500 Kilometer nordöstlich von Berlin gelegen. Im Jahre 1815 kam sie ans Königreich Preußen.
Metz49.1196964,6.1763552Etwa 800 Kilometer südöstlich von Berlin und etwa 150 Kilometer nordwestlich von Straßburg an der Mosel gelegene Festungsstadt und Verwaltungssitz des Bezirks Lothringen im Reichsland Elsaß-Lothringen.
Merseburg51.3564413,11.996148Alte Bischofs- und Residenzstadt, etwa 15 Kilometer südlich von Halle gelegen.
Potsdam52.4009309,13.0591397Garnisons- und Residenzstadt des Königreichs Preußen an der Havel, etwa 30 Kilometer südwestlich von Berlin gelegen.
PosenGroßherzogtum Posen (1815-1849) als Resultat der dritten Teilung Polens und damit bereits seit 1793 zum Kreis Posen innerhalb der preußischen Provinz Südpreußen gehörend (bis 1807), seit 1849 bis 1920 preußische Provinz Posen im Osten Preußens, welche nicht zum Deutschen Bund (1815-1866) gehörte, allerdings seit 1866 dann zum Norddeutschen Bund und seit 1871 zum Deutschen Kaiserreich.
Paderborn51.7177044,8.752653Alte Bischofsstadt an der Pader, seit Beginn des 19. Jahrhunderts zum Königreich Preußen gehörend, etwa 80 Kilometer nordwestlich von Kassel gelegen.
Göggingen48.3400527,10.8700566Etwa vier Kilometer südlich des Stadtzentrums der ehemaligen Reichs- und Bischofsstadt Augsburg gelegen.
Hotel „Kaiserhof“ (Berlin)Im Oktober 1875 eröffnetes und nach Großbrand 1876 wiedereröffnetes erstes Luxushotel in Berlin gegenüber der Reichskanzlei. Es war im Jahre 1878 Ort des Berliner Kongresses.
HusarenTruppengattung der leichten Kavallerie.
Referendar(ius)Amtsbezeichnung für einen zukünftigen Staatsbeamten des höheren Dienstes im Vorbereitungsdienst nach erfolgreichem ersten und vor dem zweiten Staatsexamen, mit dem das Referendariat abschließt.
FähnrichIn der Armee Dienstgrad vor dem des Leutnants.
AssessorDienstbezeichnung von Universitätsabsolventen, die nach dem Studium das Erste und nach dem Referendariat das Zweite Staatsexamen abgelegt haben.
Kommissariat, bischöflichesStellvertretende Verwaltung eines Bistums.
„Kulturkampf“Begriff für die Auseinandersetzungen von 1871 bis circa 1878 zwischen Reichskanzler Otto Bismarck (1815-1898) und der katholischen Kirche um deren (politischen) Einfluß auf den Staat des Deutschen Reiches.
OberpräsidentKurzform für die Amtsbezeichnung „Oberregierungspräsident“, des höchsten Verwaltungsbeamten in den Provinzen des Königreichs Preußen.
Universität BerlinVom preußischen König Friedrich Wilhelm III. (1770-1840) auf Anregung des Bildungsreformers, Politikers und Diplomaten Wilhelm von Humboldt (1767-1835) im Jahre 1809 gegründete Universität in der preußischen Hauptstadt, die unter ihrem ersten Rektor Theodor von Schmalz (1760-1831) 1810 den Lehrbetrieb aufnahm.
Zentraldirektion der Monumenta Germaniae HistoricaNach dem Ausscheiden von Georg Heinrich Pertz (1795-1876) als Leiter der 1819 auf Anregung Heinrich Friedrich Karl Freiherr vom und zum Steins (1757-1831) in Frankfurt am Main gegründeten „Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde“ im Jahre 1874 wurde für die Herausgabe der „Monumenta Germaniae Historica“ aufgrund neuer Statuten von 1875 mit der Einrichtung einer Zentraldirektion eine kollegiale Leitungsstruktur geschaffen. In diese einmal jährlich in Berlin tagende Zentraldirektion wurden von den Mitgliedern der Monumenta Germaniae Historica einzelne ordentliche Mitglieder als Vertreter der Universitäten und der Akademien der Wissenschaften im Deutschen Reich und in Österreich gewählt, zum Beispiel Karl Hegel und Wilhelm Giesebrecht (1814-1889) für die Königlich Bayerische Akademie der Wissenschaften zu München.