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Georg Wilhelm Friedrich Hegel an Maria Helena Susanna Hegel, geb. Tucher, Karl und Immanuel Hegel, Berlin, 22. August 1826

Meine lieben
Frau und Kinder!

Ihr habt mich aber in tüchtiges Unwahrheitliches Reden und Meynen gebracht; ich habe die ganze vorige Woche gedacht und gesagt was wir doch für schönes Wetter zu eurer Kirchweyh haben und dann und insbesondere Sonntags (das ist den 20sten) jedermann gesagt, ihr seyd heute (d. i. Sonntags) auf der Kirchweyh; – und siehe ist sie schon 8 Tage früher gewesen! – solche Kirchweyh achte ich denn für so gut als gar keine! – Auf allen Fall seyd ihr wie ich, nicht getäuscht in Ansehung des Angenehmen und Erfreulichen, das ihr insgesammt, in Simmelsdorf zu geniessen euch verspracht; ich habe an eurer Erzählung des Angenehmen der Gegend und noch mehr der freundlichen, heitern Gesellschaft der lieben Verwandten meinen herzlichen Antheil genommen, und mich recht sehr darüber gefreut – unter anderem auch darum, wenn ihr es mir nicht übel nimmt, daß ihr mir noch vom Halse seyd, und ich ruhig und still haushalten kann, was ich – weniges abgerechnet thue – unter dieses Wenige gehört gegenwärtig die Madame Schröder-Kunst – grosse, grandiose tragische Schauspielerin, da ist zu sehen, zu hören, zu vergleichen und zu streiten!

Ich muß mich heute aber kurz fassen! denn ich habe noch die verwünschten Vorlesungen zu halten1; – Alles schließt bereits um mich her, und ich sehe für mich noch kein Ende vor der ersten Woche Septembers! – Diß hängt dann mit mancherley auch von euren Plänen zusammen! Zunächst willst du über Frankfurt – so wird die Welt zu weit – d. h. es wird des Vergnüglichen und Freundschaftlichen fast zu viel, das du zu bestehen hättest! Zunächst nemlich ist Darmstadt sehr nahe; wärst du in Frankfurt so müßtest du ohnehin zur Frau Schenk, aber noch ausserdem, da vor 2 – 3 Tagen ein Brieff an dich von ihm (den ich als mit Darmstadt timbrirt2 erbrochen) eingelauffen, worin er dir die Niederkunft seiner Frau – und eine recht glückliche – mit einem Knaben – freitags – also den 11ten dieses Monats Abends 10 Uhr meldet – wie ich dir alles getreulich, als wie aus einer Nürnberger Chronik und respektive Familienbuch abgeschrieben – hiemit referire. Die Freude ist groß, daß sie unserer freundschaftlichen Theilnahme versichert, Entschuldigungen über bisheriges Stillschweigen – und überhaupt recht herzliche Gesinnungen – Auf Eins muß ich insbesondere (morgen werde ich dahin zurückschreiben) antworten daß gar ich mein Herz vom südlichen Deutschland abgewendet und Schuld daran sey, wenn du nicht nach Darmstadt kommst (– jeden Wagen, der vor dem Hause vorbeygefahren haben sie darum angesehen, ob wir nicht darin sind –) ich werde ihm sagen, daß ich vollends ganz mein Herz zu diesen Rheinlanden gewendet, seitdem seine Frau wieder dahin zurückgekehrt. –

Von Darmstadt – ist Heidelberg nicht weit entfernt!? Könntest du in Darmstadt seyn, ohne dahin einen Ausflug zu machen? Dagegen wolltest du dich nach mir richten – noch schlimmer, – denn ich bin weiß Gott wie lang, wenigstens bis Mitte September an Händen und Füssen gebunden! – also kann ich weder für mich – ob überhaupt, noch wann – Pläne machen. – Auf allen Fall wäre München – die freundlichen Zeilen von Niethammer habe ich mit Regung gelesen – ein unausweichlicher Punkt3Gans wird in unsern (d. h. der Gesellschaft) Angelegenheiten nach Augsburg reisen, und fragt täglich wie er thut, wenn er was hat, ob ich mitreise! – Resultat! – wenn du ohnehin länger in Nürnberg zu bleiben gedacht hättest, so hätte später noch vom ob? und wann? die Rede seyn können. Jetzt kann ich noch nichts planmässiges und zielsezliches sagen!

Gestern aber! hat das  französische Gymnasium wieder angefangen! Das geht nun drein; der frau von Rosenhayn küsse ich (nicht d’Hond, denn sie hat so broite österreichische Hond4,) sondern ihr hübsches kleines Händchen – auch für die Theilnahme an der Jungen Klavierspiel – das alles aber denke ich hast du nicht peinlich genommen und gemacht. – Die Jungen schreiben5 als ob ihnen das Glockenläuten so viel oder noch mehr Satisfaction und Ehren gemacht als das Orgelspielen!

Frau Marheineke wird vorgestern Abend hie angekommen seyn, ich habe sie aber noch nicht gesehen; er hat schon vor 8 Tagen geschlossen6 um mit ihr nach Heidelberg zu reisen, doch wird er sie wohl noch ein paar Tage ausruhen lassen.

Dein Simmelsdorfer Brieff7 ist recht gut, herzlich und lieblich! ich küsse dich dafür, schliesse du die Jungen mit ein! Auf Sonntag – meinen Geburtstag8 – haben die Freunde ein Zusammenseyn, dem ich zugesagt, veranstaltet – es soll weit in die Nacht hinein dauern, bis wir Göthes Geburtstag9 – den 28. – mit dem meinigen damit verknüpft haben; ihr trinkt auch ein gutes Glas auf meine Gesundheit! Traktiere sie wenigstens mit etwas – mit Champagner! – Sey nicht splendid, aber honett, sprich auch nicht immer von deinem Suchen nach Gelegenheiten! Du bist ja selbst so gut eine Gelegenheit wie andere – Und bey allem denke an Deine Ruhe, und Ausruhen, denn viel gehetzt hast Du andere, dazu Dich! – Nimm diß für kein Zanken! – es ist Sorge für Dich, daß Dir die Reise nicht nur aufregend und erheiternd, sondern auch beruhigend und stärkend bekomme – Meine herzlichsten Grüsse noch an Alle! – Aller und insbesondere Dein

Hegel