Berlin den 24sten Mai 1887
Lieber Karl!
Auf Deine Postkarte vom 23sten dieses Monats, die ich so eben empfing, antworte ich Dir, daß wir in Ems in der Bella Riva, eine Villa von Karl Lang, gewohnt haben; sie liegt auf dem linken Ufer der Lahn abwärts, am Berg und Wald sehr schön gelegen und hat eine freie Aussicht und bessere Luft als die im Thale und auf dem rechten Ufer der Lahn gelegenen Wohnungen. Vor acht Jahren kostete für uns – Clara und ich – Pension pro Tag und Kopf 7 Mark; es soll aber wegen seiner Vorzüge sehr gesucht und theurer geworden sein. Es freut mich, daß Du Luise, welcher ich mit den besten Wünschen für gutes Wetter und gute Kur unsere freundlichen Grüße sende, dahin begleiten wirst und Ihr Euch dort in der angenehmen Gesellschaft von Grundherrs befinden werdet. Es ist doch sehr rathsam, daß Luise bei ihrem Halsleiden dem scharfen Münchener Klima und ihrer geschwächten Gesundheit eine ernstliche Kur mit Vorsicht und Ausdauer gebraucht.
An Georgs bößer Unfall, durch welchen er auch von der interessanten und ehrenvollen Theilnahme an den Feiern für Euren Prinz- Regenten | abgehalten worden, hat unser herzliches Bedauern erregt und wir hoffen nun, daß er nach völliger Wiederherstellung sich wieder seinem alltäglichen Beruf ohne Beschwerden widmen kann.
Um Deinen Wunsch wegen der Pensionsberechtigung der Beamten des Germanischen Museums zu erfüllen, habe ich eine Abschrift meiner an einen Beamten des Evangelischen Vereins erlassenen Verfügung beispielsweise fertigen lassen und sende sie Dir mit dem Bemerken, daß jeder Beamte des Evangelischen Vereins und der Preußischen Haupt-Bibelgesellschaft – abgesehen von den unteren Beamten für einfache Dienste und dem Gesinde – eine ähnliche Zusicherung erhalten hat. Sie hat den Zweck ihnen 1. für den Fall des Todes und 2. der gänzlichen Dienstunfähigkeit eine bestimmte Versicherung für ihn und die Hinterbliebenen zu geben, bei welcher eine willkührliche Behandlung Seitens des in seinen Prozessen verhandelnden Vorstandes ausgeschlossen ist.
Zu Pfingsten werden wir wieder auf freundliche Einladung nach Pessin zu Knoblauchs gehen, wünschen aber dazu wärmeres Wetter, als wir heute empfinden. Unmittelbar darauf in der Pfingstwoche will | ich auf zwei Tage nach Halle gehen, wo auf Betrieb der Württemberger Bibelgesellschaft eine Konferenz von Deputirten der deutschen Bibelgesellschaften wegen verschiedener praktischer Fragen, auch im Anschluß an die sprachliche Bibelrevision statt finden soll. – In der folgenden Trinitatiswoche werden hier wieder die regelmäßigen kirchlichen Versammlungen – Pastoral-Konferenz und so weiter – gehalten werden, so daß ich in den nächsten Wochen sehr in Anspruch genommen werde. Den Urlaub für Schreiberhau im Riesengebirge werde ich erst in der zweiten Hälfte des Juli antreten können.
In der vorigen Woche waren wir durch einen Konflikt, in den mein Schwiegersohn Bitter mit einem Polen von Koscielski in der öffentliche Sitzung des Herrenhauses ohne sein Verschulden gerathen war. Er hatte als Regierungs-Kommissar neben dem Minister von Puttkammer an der Sitzung Theil genommen; der Pole machte gegen Bitter einen heftigen Angriff wegen seines Verhaltens im Hause der Abgeordneten, dessen Mitglied Bitter ist, bei einer Abstimmung, wobei er einen Abgeordneten – es war von Bredow-Senzke – gewaltsam bestimmte, gegen die Polen zu stimmen. Der Minister von Puttkamer gab darauf gegen | Koscielski eine übertriebene, die Sache erschwerende Antwort, die eine friedliche Ausgleichung unmöglich machte. Nach mehrtägigen Verhandlungen folgte am letzten Sonnabend Morgens im Grunewald ein Pistolen-Duell, welches glücklicher Weise unblutig ausfiel, aber doch jedem Zufall Spielraum gab; Willy hat demselben auch beigewohnt. Die Sache ist nun mit Anstand und Ehren erledigt und ich muß Bitter das Zeugniß geben, daß er sich dabei richtig und vernünftig benommen hat. Es wird nun noch viel Gerede sich daran knüpfen; wir hoffen aber, daß die Staatsanwaltschaft nicht davon Notiz nimmt.
Clara, Clärchen und Willy, der eben so wieder von Burg zum Reichstag herübergekommen ist, senden Dir freundliche Grüße und wünschen glükliche Reise
Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel)Immanuel HegelJurist/Konsistorialpräsident der Provinz Brandenburg11657072518141891 Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel) (1814–1891), Bruder Karl Hegels, studierte von 1832 bis 1834 und von 1835 bis 1836 Jura an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, von 1834 bis 1835 an der Ludwigs-Maximilians-Universität in München, trat 1836 in den preußischen Staatsdienst ein und war als Verwaltungsjurist in verschiedenen Verwendungen des Königreichs Preußen, vor allem im Staatsministerium, tätig, wurde 1865 Präsident des Konsistoriums der Provinz Brandenburg, heiratete 1845 Friederike Flottwell (1822–1861) und 1865 Clara Flottwell (1825–1912), beide Töchter des oftmaligen preußischen Oberpräsidenten und Staatsmanns Eduard Heinrich Flottwell (1786–1865), war u. a. Vater des preußischen Verwaltungsbeamten und Politikers Wilhelm (Willi) Hegel (1849–1925), war 1856 Taufpate seines Neffen Georg Hegel (1856–1933).
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Berlin52.5170365,13.3888599Hauptstadt des Königreichs Preußen und ab 1871 auch des Deutschen Reiches.
Privatbesitz
.
Privatbesitz
1000
Neuhaus
, Helmut (Hg.): Karl Hegels Gedenkbuch. Lebenschronik eines Gelehrten des 19. Jahrhunderts, Köln, Weimar, Wien 2013.
Neuhaus
, Karl Hegels Gedenkbuch
2013
Lang, Karl-Lang, Karl, Hotelier in Ems.
Hegel, Clara (Klara), geb. Flottwell
Clara Hegel, geb. Flottwell116570776?18251912Hegel, Clara (Klara), geb. Flottwell (1825–1912), Tochter Eduard Heinrich Flottwells (1786–1865) und Auguste Flottwells, geb. Lüdecke (1794–1862), jüngere Schwester Friederike Hegels, geb. Flottwell (1822–1861), der ersten Ehefrau Immanuel Hegels (1814–1891) und dessen zweite Ehefrau ab 8. September 1865.
Lommel, Luise, geb. Hegel
Luise Lommel, geb. Hegel-18531924 Lommel, Luise, geb. Hegel (1853–1924), Ehefrau des Physik- und Mathematik-Professors Eugen Lommel (1837–1899); siehe auch: Hegel, Luise (1853–1924).
Grundherr, Adolf108003427718481908Grundherr, Adolf (1848–1908), in München geborener vielseitiger bildender Künstler, vor allem Maler und Graphiker. Sein Vater war der königlich bayerische Offizier Sigmund Grundherr von Altenthann und Weiherhaus (1797–1873). Nach dem Abitur am Münchener Maximilians-Gymnasium im Jahre 1868 studierte er an der Universität München zunächst Rechtswissenschaften, wechselte aber 1871 an die Nürnberger Kunstgewerbeschule und ein Jahr später an die Münchener Kunstakademie, um sein ganzes Leben der Kunst zu widmen.
Luitpold von Bayern, PrinzregentPrinzregent Luitpold von Bayern1187296818211912Luitpold von Bayern (1821–1912), Prinzregent des Königreiches Bayern von 1886 bis 1912 für die Könige Ludwig II. (1845–1886) für die letzten drei Tage seines Lebens und für Otto I. (1848–1916) während dessen gesamter Herrschaftszeit; nach seinem Tode am 12. Dezember 1912 folgte ihm der spätere König Ludwig III. (1845–1921) zunächst als Prinzregent.
Knoblauch, Kurt Friedrich Karl-18291894Knoblauch, Kurt Friedrich Karl (1829–1894), Herr auf Pessin, ältester Sohn Friedrich Wilhelm Knoblauchs (1798–1852) und seiner Gemahlin Pauline Johanne Franziska Knoblauch, geb. Bardeleben (1811–1884), Ritterschaftsdirektor der Mittelmark.
Bitter, Rudolf11619799418461914Bitter, Rudolf, der Jüngere (1846–1914), in Merseburg geborener preußischer Verwaltungsjurist und Politiker, Sohn (Hans) Rudolf Bitters, des Älteren (1811–1880), und Anna Bitters, geb. Nauen, 1819–1885) sowie Ehemann Marie Bitters, geb. Hegel (1848–1925). Nach seinem Studium der Rechts- und Staatswissenschaften an den Universitäten Berlin, Bonn und Lausanne ging er im Jahre 1873 in den preußischen Verwaltungsdienst in Posen, wurde 1875 Landrat im schlesischen Kreis Waldenburg, wechselte von 1882 bis 1888 und in den Jahren 1898/99 (als Ministerialdirektor) ins preußische Innenministerium, wurde 1888 Regierungspräsident in Oppeln, 1899 Oberpräsident der Provinz Posen. Von 1879 bis 1888 war er als Mitglied der Freikonservativen Fraktion Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses.
Kosciol-Koscielski, Joseph Theodor Stanislaus 12052767718451911Kosciol-Koscielski, Joseph Theodor Stanislaus (1845–1911), auf Schloß Sluzewo östlich von Posen geborener Sohn eines Großgrundbesitzers, der sich nach seinem Studium der Rechts- und Kameralwissenschaften an den Universitäten Berlin und Heidelberg als Rittergutsbesitzer, Politiker und Schriftsteller betätigte. Von 1881 bis 1911 war er Mitglied des Preußischen Landtages, von 1884 bis 1894 auch Abgeordneter der Fraktion der polnischen Minderheit im Deutschen Reichstag.
Puttkamer, Robert Viktor11631433818281900Puttkamer, Robert Viktor (1828–1900), in Frankfurt an der Oder geborener preußischer Verwaltungsbeamter und konservativer Politiker, der nach dem Studium der Rechtswissenschaften an den Universitäten Heidelberg, Genf und Berlin auf verschiedenen Ebenen der inneren Verwaltung tätig war. 1877 wurde er Oberpräsident der preußischen Provinz Schlesien, von 1879 bis 1881 war er in der Nachfolge Albert Falks (1827–1900) preußischer Kultusminister, dann bis zu seiner Entlassung durch König Friedrich III. (1831–1888) im Jahre 1888 preußischer Innenminister und Vizepräsident des Preußischen Staatsministeriums.
Bredow-Senzke, Wolf Dietrich Otto13397802818341920Bredow-Senzke, Wolf Dietrich Otto (1834–1920), geboren auf Gut Senzke im Havelland, Gutsbesitzer und Politiker, Sohn Karl Bredows (1795–1864), Ehemann Pauline Ernestine Elisabeth Bredow-Senzkes, geb. Knoblauch (1843–1904), der jüngsten Tochter des Pessiner Gutsbesitzers Friedrich Wilhelm Knoblauch (1798–1852) und seiner Gemahlin Pauline Johanne Franziska Knoblauch, geb. Bardeleben (1811–1884), und Schwester Kurt Friedrich Karl Knoblauchs (1829–1894). Von 1878 bis 1918 gehörte er als Konservativer nacheinander dem Deutschen Reichstag, dem Preußischen Abgeordnetenhaus und dem Preußischen Herrenhaus an.
Hegel, Wilhelm (Willi)Wilhelm Hegel13593263718491925Hegel, Wilhelm (Willi) (1849–1925), in Berlin geborener Sohn Immanuel (1814–1891) und Friederike Hegels (1822–1861), Ehemann Armgard Hegels, geb. Wulffen (1862–1928), und Neffe Karl Hegels. Er war hoher preußischer Verwaltungsbeamter, u. a. von 1886 bis 1890 Landrat des Kreises Jerichow I, von 1895 bis 1905 Regierungspräsident von Gumbinnen, von 1905 bis 1908 in Allenstein, von 1908 bis 1917 Oberpräsident der Provinz Sachsen. Es war von 1887 bis 1890 Mitglied des Deutschen Reichstages und wurde im Jahre 1909 in den erblichen preußischen Adelsstand erhoben.
Ems50.3352062,7.7128538Bade- und Kurort an der Lahn, etwa 90 Kilometer nordwestlich von Frankfurt am Main gelegen, bis 1866 zum Herzogtum Nassau gehörend, dann zum Königreich Preußen.
LahnÖstlicher Nebenfluß des Rheins, der im Rothaargebirge entspringt und nach knapp 250 Kilometern etwa zehn Kilometer südwestlich von Ems und etwa zehn Kilometer südlich von Koblenz bei Lahnstein in den Rhein mündet.
München48.1371079,11.5753822Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Bayern an der Isar in Oberbayern.
Pessin52.642457,12.6636913Etwa 55 Kilometer nordwestlich von Berlin und etwa 30 Kilometer nördlich von Brandenburg an der Havel im Havelland gelegene Gemeinde.
Halle51.4825041,11.9705452Universitätsstadt an der Saale, nordwestlich von Leipzig gelegen, 1680-1701 kurbrandenburgisch, dann Stadt des Königreiches Preußen.
Schreiberhau50.8268011,15.5221261Nordwestlich vom etwa 1500 Meter hohen Hohen Rad gelegener Ferienort im schlesischen Riesengebirge; südlich des Hohen Rades liegt Spindlermühle.
RiesengebirgeGebirgszug entlang der schlesisch-böhmischen Grenze, deren höchster Gipfel mit etwa 1600 Meter Höhe die Schneekoppe ist, etwa 350 Kilometer südöstlich von Berlin gelegen.
Grunewald52.460512800000004,13.23870853321047Etwa 15 Kilometer südwestlich des Stadtzentrums von Berlin und östlich der Havel gelegener Forst.
Burg52.2705632,11.8588198Etwa 25 Kilometer nordöstlich von Magdeburg und etwa 120 Kilometer südwestlich von Berlin gelegene Kreisstadt.
Villa Bella Riva (Ems)Villa Bella Riva (Ems) Kurhotel unterhalb des Malberges in Bad Ems auf der südlichen Seite der Lahn. Aus zwei in den Jahren 1876/77 bestehenden Kur-Logierhäusern, u. a. „Villa Kuhn“, errichtete der Hotelier Karl Lang mit seiner Ehefrau Valeska, geb. Zips, 1887 die „Villa Bella Riva“, die später zu einer großen Kurklinik umgebaut wurde.
Germanisches Nationalmuseum NürnbergIm Anschluß an die Frankfurter Germanistenversammlung von 1846 im Jahre 1852 gegründetes Museum zur Präsentation der mit dem Fach „Germanistik“ umrissenen Kulturgeschichte.
Evangelischer Verein (Berlin)Im Jahre 1851 gegründeter Berliner Zweigverein der Gustav-Adolf-Stiftung, der die Aufgabe hatte, öffentlicher Vorträge zu veranstalten.
Preußische Haupt-BibelgesellschaftDie am 23. November 1805 gegründete Preußische Bibelgesellschaft, ab 2. August 1814 landeherrlich anerkannte Preußische Haupt-Bibelgesellschaft war wie alle aus dem Geist des Pietismus und der lutherischen Erweckungsbewegung entstandenen Bibelgesellschaften zuständig für Herstellung und Verbreitung, teilweise auch Übersetzungen der Bibel. Vorsitzender der Preußischen Hauptbibelgesellschaft war während seiner Amtszeit als Präsident des Konsistoriums der Provinz Brandenburg Immanuel Hegel (1814-1891).
Württembergische Bibelanstalt (Württembergische Bibelgesellschaft)Ihre Anfänge gehen auf die Gründung der Privilegierten Württembergischen Bibelanstalt im Jahre 1812 zurück, die die Verbreitung der Bibel und die Verbesserung ihres Verständnisses in der Bevölkerung Württembergs zum Ziel hatte.
TrinitatiswocheWoche nach dem Sonntag Trinitatis, eine Woche nach Pfingsten beginnend.
Herrenhaus (Königreich Preußen)Erste Kammer des preußischen Landtages, neben dem Abgeordnetenhaus als Zweiter Kammer.
Abgeordnetenhaus (Preußen)Zweite Kammer des preußischen Landtages, neben dem Herrenhaus als Erster Kammer.
Reichstag (Deutsches Reich)In der Tradition des Reichstages des Norddeutschen Bundes von 1867 stehendes Parlament des Deutschen Reichs, das von 1871 bis 1918 bestand und zusammen mit dem Bundesrat die Reichsgesetzgebung ausübte. Verfassungsrechtlich ist er verankert in Kapitel V, Artikel 20-32, der Verfassung des Deutschen Reichs vom 16. April 1871.