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Karl Hegel an Susanna Maria Hegel, geb. Tucher, Erlangen, 4. Juli 1870

Liebste Frau! Es ist schön, daß Du uns beruhigende Nachricht2 über Eure Reise und Ankunft in Simmelsdorf gegeben hast. Das Wetter war bedauerlich schlecht vorgestern wie gestern; heute freundlicher und wärmer. Der Barometer steigt, so hoffe ich auch für morgen. Es liegt mir sehr daran, daß die wenigen Tage im schönen Simmelsdorf recht genußreich auch nach dieser Seite hin für Euch werden möchten. Schade, daß die Schwester Marie schon heute scheiden muß. Anna hat ohne Zweifel vierhändig mit ihr gespielt, während sie vierfüßig mit der Cousine Marie durch Wiese und Wald, am Bach und auf der Flur umherstreicht, die flüchtige Forelle mit suchendem Auge verfolgt oder den Nußhäher in den Erlen aufscheucht. Dabei hoffe ich, daß auch Du bisweilen den Strickstrumpf niederlegst und ohne Husten den Berg hinanklimmst, um frische Lebensluft einzusaugen und die frohen Blicke über das niedere Erdenleben schweifen zu lassen, bevor Du zu uns zurückkehrst, wo Kindergeschrei und Mägdegezänk nur zu oft die Ohren ausfüllen. – Ich bemerke, daß diese letzten Zeilen sich leicht in eine rhythmische Strophe der antiken Metrik einfügen ließen, und füge nur noch meine herzlichen Grüße an Dich wie an alle Lieben in Simmelsdorf hinzu. Mögest Du mit Anna wohlbehalten am Donnerstag zu uns zurückkehren, ebenso die liebenswürdige Nichte glücklich zu den Engländern gelangen, die sie von mir grüßen wird!

Von ganzem Herzen
der Deinige.