Berlin, Freitag 6. April 1866
Liebste Susi!
Glücklich gestern Mittag hier angelangt, wünsche ich Dir und den Kindern ebenso eine frohe Rückkehr in das stille Erlangen, wo ich Euch bei Rosel auf Mittwoch Nachmittag ankündigte.
Meine Reise führte ich so aus, wie ich mir vorgenommen; ich verweilte einen ganzen Tag und zwei Nächte in Leipzig, und fuhr gestern morgen um 7 ½ Uhr von dort ab und kam zu Mittag hier an. Das Wetter war recht freundlich, gestern sogar sehr schön, die Reisegesellschaft unterhaltend. Von Erlangen bis Leipzig bestand sie aus einem Leipziger Kaufmann und Agenten, Herrn Trompler, und zwei deutschen Amerikanern, Kaufleuten in Spielwaren, von Leipzig bis hier in einem preußischen Offizier, einem jungen Würtemberger, einem dito Oberschlesier, einem Leipziger Kaufmann und einem Berliner Rentier (Marie’s Feder schreibt recht fein und spitz).
Ich wohnte gut in Leipzig im Hotel de Prusse am Roßplaz, wohin mich Herr Trompler empfohlen. Sehr freundliche Aufnahme fand ich bei Hirzel, der mir den größten Theil des Tages widmete, mich auf meinen Wegen in der Stadt begleitete, in das städtische Museum führte und mir zu Ehren noch einige Herren zu Tische zu sich einlud, nämlich Freytag, den bekannten Dichter und Schriftsteller und Prof. Zarnke. Hirzel’s Frau ist noch eine | recht angenehme Erscheinung; sie trug den Arm in der Binde, den sie sich am Tage nach der Verlobung ihres Sohnes in der Stube gebrochen. Mit Freytag habe ich mich gut unterhalten. Hirzel hat eine seltene Göthe Sammlung in eigenhändigen Briefen und anderen Handschriften in Bildern und Litteratur, die in einem sehr gemüthlichen Bibliothekszimmer aufgestellt ist, wo wir den Caffe zu uns nahmen. Zwei Söhne Hirzel’s waren mit bei Tisch und einige Kinder von Prof. Mommsen aus Berlin, welcher deren acht besitzt.
Auf dem Wege von Leipzig hierher begegnete ich einem Zug preußischer Truppenreserven, die noch ohne Uniformen von Unteroffizieren begleitet nach Wittenberg und zum Theil noch weiter befördert wurden. Die Leute waren fröhlich und in bester Stimmung. Vor Wittenberg sah ich das Militär mit Zurüstungen verschiedener Art beschäftigt, viele Bäume vor der Festung waren abgehauen, Pallisaden angefertigt. Der preußische Offizier sagte mir, daß die Rüstungen noch in keiner Weise eingestellt seien. Pferde würden in Halle geliefert usf.
Bei meiner Ankunft auf dem Bahnhof in Berlin hier wurde ich von Willy erwartet, der ein großer Junge geworden ist. Manuel war in der Sitzung, aus der er erst um 4 Uhr nach Hause kam. Unterdeß machte ich mit Clara und den Kindern einen Spaziergang durch den Thiergarten, wo wir der glänzenden Berliner Welt in den reichsten Toiletten begegneten. Ich sah den alten König im offenen Wagen, die Königin Augusta in einem anderen Wagen und die verwittwete Königin in einem dritten an mir vorüberfahren. Ganze neue Straßen mit den prachtvollsten Häusern sind seit den letzten vier Jahren | um den Thiergarten herum entstanden. Man hat mehr als früher das Gefühl, sich in einer großen Weltstadt zu bewegen. Die neuen Bauten zeigen eine Pracht, Größe und Geschmack, womit sich was München bietet in keiner Weise vergleichen läßt.
Du kannst Dir denken, daß ich von Manuel und Clara mit jeglicher Liebe empfangen wurde. Beide und die Kinder lassen Dich und die Kinder innigst grüßen. Ich will jetzt mit Manuel meinen Weg in die Stadt antreten. Morgen wird Figaro’s Hochzeit in der Oper gegeben, wo wir hingehen werden, wenn wir Billets bekommen, was jedoch sehr schwer ist.
Es geht mir gut, und wünsche ich, daß es Dir und den Kindern ebenfalls gut geht, daß namentlich Sophie’chen wohlbehalten von Nürnberg zurückgekommen sein möge. Gieb mir recht bald Nachricht hierher. Bald sollst Du Weiteres hören. Lebe wohl mein geliebtes Suschen!
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Hegel, Susanna Maria Karoline Henriette, geb. Tucher
Susanna Maria Hegel, geb. Tucher116146891918261878Hegel, Susanna Maria Karoline Henriette, geb. Tucher (1826–1878), häufig „Susette“ genannt, Tochter Johann Sigmund Karl Tuchers (1794–1871) und Maria Magdalena Tuchers, geb. Grundherr (1802–1876), Ehefrau Karl Hegels (1813–1901); siehe auch: Tucher, Susanna Maria.
Berlin52.5170365,13.3888599Hauptstadt des Königreichs Preußen und ab 1871 auch des Deutschen Reiches.
Privatbesitz
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Privatbesitz
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Rosel-Rosel, Hilfsperson im Erlanger Haus Karl Hegels (1813–1901).
Trompler, N. N.-Trompler, N. N., Leipziger Kaufmann und Agent.
Hirzel, Salomon11909851218041877Hirzel, Salomon (1804–1877), in Zürich geborener Verleger aus Schweizer Kaufmanns- und Gelehrtenfamilie, der zusammen mit seinem Schwager Karl August Reimer (1801–1858) im Jahre 1830 die seit 1680 bestehende Weidmann‘sche Buchhandlung in Leipzig übernahm. 1853 gründete er in Leipzig den S. Hirzel Verlag, in dem die von Karl Hegel (1813–1901) im Auftrag der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften edierten „Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“ erschienen.
Freytag, Gustav11853545518161895Freytag, Gustav (1816–1895), im schlesischen Kreuzburg geborener Schriftsteller, Kulturhistoriker und Journalist, der an den Universitäten Breslau und Berlin Philologie und Kulturgeschichte studierte, 1838 in Breslau promoviert wurde und sich dort 1839 habilitierte. Anschließend war er bis 1847 Privatdozent an der Breslauer Universität. Aus seinem umfangreichen Werk sind vor allem die Romane „Soll und Haben“ aus dem Jahre 1855 und „Die Ahnen“ aus den Jahren 1872 bis 1880 weithin bekannt geworden sowie seine zwischen 1859 und 1867 erschienenen vierbändigen „Bilder aus der deutschen Vergangenheit“.
Zarnke (Zarncke), Friedrich Karl TheodorFriedrich Zarncke11913702X18251891Zarnke (Zarncke), Friedrich Karl Theodor (1825–1891), aus Mecklenburg stammender Germanist, der ab 1844 an den Universitäten Rostock, Leipzig und Berlin studierte, 1854 an der Universität Leipzig außerordentlicher, 1858 ordentlicher Professor für deutsche Sprache und Literatur wurde. Er war Mitherausgeber des vierbändigen „Mittelhochdeutschen Wörterbuchs“, das zwischen 1854 und 1861 im Hirzel-Verlag in Leipzig erschien und noch heute mit einem zu Beginn der 1990er Jahre hinzugefügten Index-Band als fünftem Band verlegt wird. In Leipzig war er mehrmals Rektor und begründete im Jahre 1850 in Leipzig die Rezensionszeitschrift „Literarische[s] Centralblatt für Deutschland“.
Hirzel, Anna, geb. Reimer
113352218118131885 Hirzel, Anna, geb. Reimer (1813–1885), Ehefrau Samuel (Salomon) Hirzels (1804–1877).
Hirzel, Heinrich Salomon11691635418361894Hirzel, Heinrich Salomon (1836–1894), in Leipzig geborener Verleger, Sohn des Verlegers und Buchhändlers Salomon Hirzel (1804–1877).
Goethe (Göthe), Johann WolfgangJohann Wolfgang Goethe11854023817491832Goethe, Johann Wolfgang (1749–1832), auch Göthe, deutscher Dichter.
Hirzel, Rudolf11691665618461917Hirzel, Rudolf (1846–1917), Sohn Samuel (Salomon) Hirzels, von 1877 bis 1886 außerordentlicher Professor an der Universität Leipzig, 1886 außerordentlicher, von 1888 bis 1914 ordentlicher Professor der Klassischen Philologie an der Universität Jena.
Mommsen, TheodorTheodor Mommsen11858342518171903Mommsen, Theodor (1817–1903), im Herzogtum Schleswig geborener Historiker und einer der bedeutendsten Altertumswissenschaftler des 19. Jahrhunderts, der 1902 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet wurde.
Hegel, Wilhelm (Willi)Wilhelm Hegel13593263718491925Hegel, Wilhelm (Willi) (1849–1925), in Berlin geborener Sohn Immanuel (1814–1891) und Friederike Hegels (1822–1861), Ehemann Armgard Hegels, geb. Wulffen (1862–1928), und Neffe Karl Hegels. Er war hoher preußischer Verwaltungsbeamter, u. a. von 1886 bis 1890 Landrat des Kreises Jerichow I, von 1895 bis 1905 Regierungspräsident von Gumbinnen, von 1905 bis 1908 in Allenstein, von 1908 bis 1917 Oberpräsident der Provinz Sachsen. Es war von 1887 bis 1890 Mitglied des Deutschen Reichstages und wurde im Jahre 1909 in den erblichen preußischen Adelsstand erhoben.
Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel)Immanuel HegelJurist/Konsistorialpräsident der Provinz Brandenburg11657072518141891 Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel) (1814–1891), Bruder Karl Hegels, studierte von 1832 bis 1834 und von 1835 bis 1836 Jura an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, von 1834 bis 1835 an der Ludwigs-Maximilians-Universität in München, trat 1836 in den preußischen Staatsdienst ein und war als Verwaltungsjurist in verschiedenen Verwendungen des Königreichs Preußen, vor allem im Staatsministerium, tätig, wurde 1865 Präsident des Konsistoriums der Provinz Brandenburg, heiratete 1845 Friederike Flottwell (1822–1861) und 1865 Clara Flottwell (1825–1912), beide Töchter des oftmaligen preußischen Oberpräsidenten und Staatsmanns Eduard Heinrich Flottwell (1786–1865), war u. a. Vater des preußischen Verwaltungsbeamten und Politikers Wilhelm (Willi) Hegel (1849–1925), war 1856 Taufpate seines Neffen Georg Hegel (1856–1933).
Hegel, Clara (Klara), geb. Flottwell
Clara Hegel, geb. Flottwell116570776?18251912Hegel, Clara (Klara), geb. Flottwell (1825–1912), Tochter Eduard Heinrich Flottwells (1786–1865) und Auguste Flottwells, geb. Lüdecke (1794–1862), jüngere Schwester Friederike Hegels, geb. Flottwell (1822–1861), der ersten Ehefrau Immanuel Hegels (1814–1891) und dessen zweite Ehefrau ab 8. September 1865.
Wilhelm I., König von Preußen, Deutscher KaiserWilhelm I., König von Preußen, Deutscher Kaiser11863288417971888Wilhelm I. (1797–1888), Prinz von Preußen, König von Preußen von 1861 bis 1888, ab 1871 auch Deutscher Kaiser.
Augusta11865110218111890Augusta (1811–1890), geborene Prinzessin Augusta Marie Luise Katharina von Sachsen-Weimar-Eisenach, Königin von Preußen und Deutsche Kaiserin, Ehefrau des Königs von Preußen und ersten Deutschen Kaisers Wilhelm I. (1797–1888).
Elisabeth Ludovika11868863418011873Elisabeth Ludovika (1801–1873), Prinzessin von Bayern, als Gemahlin des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. (1795–1861) Königin von Preußen, trat nach ihrer Eheschließung im Jahre 1823 zum Protestantismus über (1830) und war stark sozial engagiert. Das 1837 von dem konvertierten evangelischen Geistlichen Johannes Evangelista Goßner (1773–1858) gegründete erste evangelische Krankenhaus in Berlin vor dem Potsdamer Tor, zu dem Maria Helena Susanna Hegel (1791–1855) enge Beziehungen hatte, wurde nach ihr benannt.
Hegel, Sophia (Sophiechen)Sophie Hegel-18611940Hegel, Sophia (Sophiechen) (1861–1940), vierte und jüngste Tochter Karl und Susanna Maria Hegels, geb. Tucher (1826–1878); sie blieb unverheiratet und absolvierte Stationen in München und Göttingen in den Haushalten der Schwestern Luise Lommel, geb. Hegel (1853–1924), und Anna Klein, geb. Hegel (1851–1927), später eine ca. 20 Jahre währende Tätigkeit als Lehrerin/Erzieherin an einem englischen Mädchenpensionat in Malvern, ab 1910 wieder in der Familie ihrer schwerhörigen Schwester Anna Klein lebend und dort vor allem in der Erziehung und Krankenpflege helfend; spätere Arbeit im sozialen Bereich in Göttingen.
Erlangen49.5928616,11.0056Mittelfränkische Universitätsstadt, etwa 20 Kilometer nördlich von Nürnberg gelegen, seit 1810 Stadt und Universität des Königreichs Bayern.
Leipzig51.3406321,12.3747329Am Zusammenfluß von Weißer Elster, Pleiße und Parthe gelegene Universitäts- und Messestadt in Sachsen.
Wittenberg51.8666527,12.646761Südöstlich von Berlin an der Elbe gelegener Hauptort der Reformation Martin Luthers (1483-1546) im 16. Jahrhundert, ab 1820 Garnisonsstadt der preußischen Armee.
Halle51.4825041,11.9705452Universitätsstadt an der Saale, nordwestlich von Leipzig gelegen, 1680-1701 kurbrandenburgisch, dann Stadt des Königreiches Preußen.
Thiergarten (Berlin)52.5097776,13.3572597Große Wald- und Parklandschaft westlich von Berlin, die im Jahre 1861 nach Berlin eingemeindet und ein Stadtbezirk wurde.
München48.1371079,11.5753822Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Bayern an der Isar in Oberbayern.
Nürnberg49.453872,11.077298In Franken an der Pegnitz gelegene ehemalige Reichsstadt, seit 1806 Stadt des Königreichs Bayern.
Hotel de Prusse (Leipzig)Das seit 1805 bestehende Hôtel de Prusse war ein repräsentatives Haus am Leipziger Roßplatz.
Museum (Leipzig)Vorgängerinstitution des 1908 gegründeten Stadtgeschichtlichen Museums in Leipzig.
„Figaro’s Hochzeit“Die Oper (opera buffa) „Die Hochzeit des Figaro“ („Le nozze di Figaro“) von Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) wurde am 1. Mai 1786 im Burgtheater am Michaelerplatz in Wien uraufgeführt.
Oper (Berlin)Im Zentrum Berlins am Boulevard „Unter den Linden“ gelegenes erstes Opernhaus der Haupt- und Residenzstadt Kurbrandenburgs und des Königreiches Preußen aus der Mitte des 18. Jahrhunderts.