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Susanna Maria Hegel, geb. Tucher, an Karl Hegel, Erlangen, 15. August 1869

Mein Herzens-Mann!

Gestern erhielt ich Deinen lieben Brief1 mit den Gottlob guten Nachrichten und als erfreulichen Beweis Deines liebenden Andenkens, leider aber ohne alle und jede Angabe, wohin ich Dir schreiben solle. Ich wage es nun auf gut Glück und schreibe nach Bayreuth, vielleicht erreicht Dich die Epistel doch.

Über Alles, was Du mir von Egloffstein und dem dortigen Pfarrhaus schreibst, habe ich mich sehr gefreut, möchte unser Junge recht viel Gewinn und bleibenden Nutzen von dem Aufenthalt dort haben; daß er sich wohl fühlt und gut aufgehoben ist, bestätigt mir ein heute erhaltener Brief2 worin er von einem Spaziergang mit der Familie Egloffstein schreibt und kein Heimweh oder Sehnsuchtsgefühl durchblickt, und das war doch nachdem Du ihn verlassen hattest.

Seitdem Du weg bist haben nun auch die Ferien der Kleinen begonnen und da die große Wäsche beseitigt ist, fangen wir nun an unsre freie Zeit zu genießen. Den Anfang damit machten wir gestern Nachmittag mit einem Spaziergang nach Rathsberg, wo wir mit Jubel empfangen wurden als Vergrößerungs-Elemente des an und für sich sehr zusammengeschmolzenen Kreises. Makowitzka, Schelling, Forster mit einer Tochter und einem großen Hund, der unserm Mundel den Genuß seines Butterbrotes sehr verbitterte, (Frau Regierungsräthin ist mit der 2ten Tochter in der Schweiz), Guttenberg, Löwenichs, Frau Marquardsen in obligater Begleitung von Vogel und Reinhardt, das war die Gesellschaft. Während eines Spazierganges in die Wildniß, den wir mit der Jugend machten, entfernten sich die erstgenannten und zum großen Vergnügen der Kinder blieben wir noch mit Marquardsen und Löwenich, aßen Bratwürste und kamen erst nach neun Uhr nach Hause, indem man sich gegenseitig versprach, diese Samstags-Parthien während der Ferien treu zu pflegen, so lange noch die Gesellschaft beisammen ist, denn es geht Alles nach allen Richtungen auseinander. Hofmanns sind gestern Morgen weg, Schmid mit Sohn geht morgen, Kraus der vor ein Paar Tagen hier war geht diese Woche, er wird aber noch mal kommen in der Hoffnung Dich zu treffen. Gestern Morgen hatte ich eine nette Überraschung. Es wurde mir ein fremder Herr gemeldet und wer war’s? Herr Pfarrer Berlin aus Schwanbeck! Du weißt doch noch die beiden netten jungen Studenten Berlin? es sind nun 11 Jahre, daß sie weg sind, und der Theologe ist als Abgesandter zur Gustav-Adolph-Versammlung, die nächsten Dienstag3 in Bayreuth zusammenkommt, hier, er suchte die bekannten Familien auf und so auch uns, war sehr herzlich und zutraulich, freute sich an den Kindern und bedauerte nur sehr, Dich nicht getroffen zu haben. Er will nun heute Nach- mittag nach Muggendorf und morgen nach Bayreuth, vielleicht trefft Ihr Euch noch, aber wahrscheinlicher bist Du ihm immer ein Paar Tage voraus.

Das Wetter war ja bis jetzt sehr günstig, nur die Beleuchtung fehlt, wir haben meist trüben Himmel, aber schöne, frische Luft, hie und da ein wenig Regen, und so hoffe ich, Du führst Deine Pläne aus und hast viel Genuß daran.

Ich wurde unterbrochen, durch Fräulein Lichtenberger, die eben kam, um den Mundel für heute Nachmittag zu bitten, er ist natürlich glückselig und mir doppelt lieb, da wir, ich und Anna für heute Nachmittag zu Schmidtleins gebeten sind zu einem musikalischen Caffee. Durch die Störung ist es aber so spät geworden, daß ich jetzt eilends schließen muß, soll der Brief noch fort; Leb wohl mein Liebster, die Kinder grüßen, lasse bald wieder von Dir hören, ich umarme Dich im Geiste.

Ewig die Deine Susanna.