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Susanna Maria Hegel, geb. Tucher, an Karl Hegel, Nürnberg, 22. April 1867

Mein liebster Manni!

So müssen wir denn wirklich Ostern1 allein feiern, mein trautster Mann und ich konnte mich recht schwer in die traurige Nothwendigkeit finden, als Dein lieber Brief2 gestern am ersten Feiertage ganz früh in meine Hände kam als ein lieber Ostergruß. Ich finde es ja unter den obwaltenden Umständen begreiflich, aber es ist recht Schade; wir sind Alle versammelt bis auf unsere lieben Löffelholz und es ist mir oft als sollte der Todesengel jetzt leise sich nahen und den theuren Großvater in Mitten seiner Kinder und Enkel abzurufen, leichter für ihn und uns als wenn Jedes Abschied nimmt mit dem Gedanken: es ist fürs Leben. Ich sah ihn am Charfreitag3 wo er gerade einen guten Tag hatte, besonders mild und weich in seiner Stimmung war, nicht ablehnend und kurz wie sonst wohl. Ich fand ihn freilich sehr verändert, weniger im Aussehen als in seinen Bewegungen und in der Stimme die ganz verfallen und hohl klingt. Samstag kamen die lieben Eichstädter mit ihrem Alexander als kleinem Cadetten, was Großpapa sehr freute, auch bei diesem Wiedersehen war er freundlich und mittheilend, so daß wir Alle uns recht freuten. Seit gestern Abend ist aber große Schwäche eingetreten, er will Niemanden sehen und da liegt wohl der Gedanke nah, daß er bald einschlafen möchte, obwohl er schon öfter solche Schwäche-Zustände hatte und sich wieder erholte. Bis Donnerstag4 bleibt Alles hier, dann gehen die Ingolstädter5 und Eichstädter6 miteinander zurück, bis Pleinfeld mit Carolina die nach München geht um Luise beim Umzug zu unterstützen. Samstag geht Friedrich nach Aschaffenburg, wir gehen schon Mittwoch so zerstreut sich Alles und begegnet sich in leidvoller Sorge am Krankenbett des theuren Greises. Sein Zustand ist jetzt im Ganzen leichter, er leidet nicht mehr so viel, aber gerade dieser Zustand könnte auch auf ein baldiges Ende deuten. Nun Gott wird es zum Besten machen; ich wünschte sehr, daß Du ihn noch sähest er hatte Dich immer so lieb.

Dein vorletzter lieber Brief7 enthielt die Mahnung in dem schlechten Wetter die Reise aufzugeben, und ich hatte auch die Kinder schon sehr darauf vorbereitet, aber siehe plötzlich wurde es am Donnerstag hell und schön, und so konnten wir es wagen. Es ist mir auch gut bekommen, ich halte mich bei aller Unruhe tapfer und mein angegriffenes Aussehen kommt auf Rechnung des Rothlauf, man hält mich über jeden Verdacht erhaben.

Du weißt ja, wie es in den Feiertagen hier immer geht, bald im Garten, bald bei Lina große Familie-Versammlung, bald so, bald so zusammengesetzt; zum Glück ist das Wetter wenn auch nicht schön doch so, daß die Kinder sich im Garten tummeln können. Sonst lebt es sich jetzt leichter hier, denn wenn auch noch keine Liebe und Freundschaft zu Preußen zu spüren ist, so macht sich doch wieder auch Achtung und Vertrauen bemerkbar. Man gibt zu, daß die Mittelstaaten, voran Bayern vollständig haltlos sind und ohne Steuer treiben, daß wir keine Feldherrn, keine Minister haben, und also Oberleitung Preußens nur anzustreben sey, man hat das Vertrauen, daß Bismark in der Luxemburger Angelegenheit die deutsche Ehre kräftig mehret, und will unter Preußens Leitung dafür einstehen, man sieht, daß der eingeschlagene Weg, wenn auch nicht der angenehmste und gerechteste doch der einzig mögliche war um die deutsche Einheit und Macht zu erreichen. Vorgestern brachten die Zeitungen die Nachricht: Bayern sei in den norddeutschen Bund eingetreten8, ob es sich bestätigt? aber man ist auch damit zufrieden. Gottlob daß es so steht und wollen wir hoffen, daß es nicht Feuer- und Bluttaufe braucht, um diese Einheit zu besiegeln und Bismark uns glücklich durchschifft, aber auch Garantien erhält, die uns den Frieden von Westen her sichern. In Frankreich soll ja furchtbar gerüstet werden? –

Von Annchen erhielt ich wieder einen lieben Brief mit Gottlob guten Nachrichten.

Ich erwarte Dich natürlich erst in Erlangen, da Du von acht Tagen Verlängerung schreibst, wolltest Du uns und die anderen Lieben hier noch treffen, müßtest Du bis Mittwoch9 hier sein, wir gehen Mittwoch Nachmittag. Leb wohl, mein Liebster; von Allen die besten Grüße nebst dem Bedauern, Dich nicht hier zu sehen. Leb wohl. Die Kinder grüßen, sie sind gesund und munter.

Von ganzem Herzen
Deine Susanna.