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Susanna Maria Hegel, geb. Tucher, an Karl Hegel, Simmelsdorf, 30. August 1867

Mein trautster Manni!

Hier in dem schönen, lieben Simmelsdorf unter der wundervoll grünen Verandah schreibe ich an Dich, mein Liebster, der Du im Trubel des Reiseerlebens und Treibens Dich gewiß freust zu hören, daß wir gut angekommen sind und hoffentlich einer behaglichen Erholungszeit entgegen gehen.

Ich warte nun freilich vor Allem auf Nachricht von Dir, hatte eigentlich gehofft hier schon ein Briefchen von Dir zu finden, weiß ich ja gar nicht, wo meine Liebe Dich suchen soll, gestern vermuthete ich Dich in Brüssel und heute denke ich, wirst Du Dich dem Ungeheuer Paris in die Arme stürzen. Möchte es Dir dort nur recht gut gehen und Du neben reichem Genuß auch genügend Erholung finden; übrigens kann ich Dir verwandtschaftlichen Verkehr für Paris in Aussicht stellen, nämlich die beiden Vettern Theodor und August, die in acht Tagen ohngefähr hinreisen wollen und Dich aufsuchen werden. Doch nun sollst Du von uns hören, von unseren einfachen Erlebnissen seit Deiner Abreise. Es war uns Allen recht einsam, nach dem Du so plötzlich verschwunden warst und besonders in der Nacht war es mir immer unheimlich wenn ich in meinem guten Bett erwachte und Dich mir in dem unbequemen Waggon vergegenwärtigte. Am andern Tag hatte ich verschiedene Besuche, Sophie Döderlein, Schnitzleins und Schmidtleins und dann ging ich zu Stintzing der nach Dir fragte und von seiner Abreise für Donnerstag sprach. Frau Stintzing sah ich nicht, es geht ihr aber gut.

Die nächsten Tage gingen hin in Vorbereitungen zur Abreise, die Hitze war furcht- bar bis endlich am Mondtag ein geringer Regen und Dienstag starke, ausgiebige Güsse unsern verlehmten Boden erquickten. Donnerstag Morgen kam der Kutscher mit einem sehr ordentlichen, bequemen Wagen in dem sich all unser vielerlei Gepäck gut unterbringen ließ und jubelnd fuhren wir um 8 Uhr ab beim herrlichsten Sonnenschein und doch frischer angenehmer Luft. Die Fahrt war höchst angenehm, der Kutscher wählte den weitern aber bessern Weg über Neukirchen und so kamen wir bis ½ 2 Uhr glücklich in Simmelsdorf an, begrüßt von allen Lieben, die immer noch ziemlich zahlreich versammelt sind. Von den Unsrigen sind allerdings nur die Eltern und Carolina da, die recht vergnügt und glücklich ist, und schon anfängt, für ihre Ausstattung zu arbeiten. Aus dem zweiten Stock winkten und grüßten Onkel und Tante, Anna, August und Hermann, dem es recht er- träglich geht und der sich in Simmelsdorf schon sehr erholt hat, so daß die Seinigen hoffen, ihn diesen Winter wenn auch nicht in München, doch in der Nähe behalten zu können. Sigmund ist nicht hier, sondern mit Friedrich und Benoit auf der Reise. Aus dem Amtshause begrüßten uns die Würzburger, Christoph, Paula und Heinrich, so sind die verschiedensten Altersstufen und Elemente hier vertreten. Aber auch mit der übrigen Nachbarschaft kam ich gestern ungesucht schon in Berührung, denn es lag schon eine Einladung zu Lachners in aller Form vor, auf der ich und im Fall Du anwesend wärst auch Du genannt warst. Lieber wäre ich stille zu Hause sitzen geblieben, aber es wäre doch unfreundlich gewesen und nachdem ich mich nach Tisch ein wenig ausgeruht hatte, und Annchen das Auspacken und Einräumen nett allein besorgte reichten meine Kräfte, die durch die lange etwas holprige Fahrt ziemlich mitgenommen waren doch zu dem Spaziergang nach Hüttenbach, wo wir zehn Mann hoch einfielen. Anna und Hermann blieben zu Hause als Respektspersonen für die Kleinen und so ging Alles ganz gut. Die Gesellschaft bestand aus 4 Familien Lachner, 3 Familien Tucher, Maltens und Adele Löfen, es wurde gegessen und getrunken, ich wurde von den Fremden mit kritischen Augen betrachtet, und von den Nähern mit verwunderten bedauernden Glückwünschen bedacht1, und so ging der Abend hin. Ich freute mich recht, als ich endlich zu Bett kam und vortrefflich diese Nacht schlief. Heute Morgen hat Hermann, der recht nett ist, unsern Georg vorgenommen und er hat auch ordentlich gearbeitet, nachher wird ihn Anna noch vornehmen; ein Besuch der Jungens von Hüttenbach bietet in diesem Augenblick eine sehr erwünschte Abwechslung und eben trabt der Eine auf dem Esel vorüber und unser Junge ist höchst fidel dabei; er sieht schon viel besser aus und ist nicht mehr so matt und lahm, doch wollen wir ihn gehörig beschäftigen, sorge Dich nicht.

Ich wollte, ich könnte Dir die verschiedenen Scenen die sich vor mir abgespielt haben, während ich hier schreibe vorführen, es ist ein buntes fröhliches Leben, der Beyer bringt einen erlegten Rehbock, den die Kinder natürlich jubelnd begrüßen, dann werden Forellen gebracht, der Mundel watet durch das hohe thaufeuchte Gras und muß ganz umgezogen werden, die verschiedensten Aufträge, Anfragen, Befehle werden von den verschiedenen Stockwerken in die Verandah heruntergerufen, die liebe Großmama bereitet sich zu einer Fahrt nach Nürnberg, wohin sie heute mit Carolina auf ein Paar Tage gehen wird, um Einkäufe für die Ausstattung zu machen, so daß ich dann hier Hausfrau spielen werde. Wie lange uns die lieben Eltern behalten wollen, weiß ich nicht, doch meinte gestern die liebe Mutter, als Sophiechen erwähnte, ihre Schule finge am 9ten September an, das wäre viel zu bald, da wäre es ja gar nicht der Mühe wert, nun es hängt wohl vom Wetter etc. ab.

Nun leb wohl mein liebster, bester Manni, lasse bald, Gott gebe, Gutes von Dir hören und habe mich lieb. Die Kinder grüßen, ebenso die lieben Eltern und alle Andern. Leb wohl, mein Liebster, Gott behüte Dich und Deine in Liebe unveränderliche Susanna.

P. S. Übrigens ist heute ein Theil nach Henfenfeld gefahren, die Würzburger, Tante Thekla und August. Lina ist glaube ich noch in Henfenfeld.2