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Karl Hegel an Susanna Maria Hegel, geb. Tucher, München, 29. September 1865

Liebe Susi, es ist heute schon der dritte Tag meines hiesigen Aufenthalts und deshalb hohe Zeit um eine Nachricht zu geben, damit Du Dich nicht um meinetwillen sorgst. Ich freue mich vor allem des schönen Wetters, welches Euch in Simmelsdorf besonders zu gute kommen wird, wohin Ihr gestern abgehen wolltet. Die neusten Nachrichten von Dir hätten mir Schwager Löffelholz und Frau bringen können, wenn ich sie bis jetzt gesehen hätte; doch es war mir noch nicht vergönnt. Bei Tuchers hörte ich nur, daß sie vorgestern Nachmittag angekommen seien. Dort wollte man sie nicht mit einer Einladung schon zum ersten Abend belästigen und man versparte sich’s auf gestern, wo ich sie sehen sollte; allein gestern Mittag fand ich in meinem Gasthof1 wieder eine Absage vom Onkel; sie waren also verhindert. In ihrer Wohnung wollte ich sie nicht überfallen, hätte auch wohl kaum die Zeit dazu gefunden. Denn Vormittags haben wir lange Sitzungen2; nachmittags sind die nothwendigen Besuche zu machen und Abends trifft man sich in der Restauration im Maximilianshotel zusammen. Mir selbst geht es ganz wohl. Die hiesige Luft hat wieder sehr günstig auf mein Befinden und meine Stimmung eingewirkt.

Im goldenen Bären (Fürstenstraße)3 ist man recht gut aufgehoben und die Lage des Gasthofs ist viel günstiger als die des Rheinischen Hofs4 und selbst von Leinfelder. Stälin und Wegele sind wie gewöhnlich mit mir vereinigt. Leider gab es ein Mißverständniß mit Wegele dadurch daß mein Brief ihn nicht mehr erreicht hatte und er nach der früheren Verabredung bei Leinfelder abstieg; doch wurde dies sofort aufgeklärt und am folgenden Morgen übersiedelte er hierher.

Auf der Reise war es mir eine Freude mit Ranke und Pertz zusammenzutreffen, die mit demselben Zuge nach München fuhren. Weizsäcker war im Postzug und sah ich ihn nur vorübergehend in Augsburg. Waitz und Stälin kamen Abends von Stuttgart her. Lappenberg ist durch Krankheit verhindert, wie Häusser; Droysen ist wie seit mehreren Jahren ausgeblieben. Arneth aus Wien ein sehr liebenswürdiger feiner Mann ist da; und zum ersten Mal wieder seit seinem Weggang auch Sybel mit Frau. Seine Anwesenheit und Theilnahme hat sich bisher noch in keiner Weise störend erwiesen, im Gegentheil scheint er Allen willkommen. Die Frau sah ich noch nicht. Giesebrecht besuchte ich gleich am ersten Abend; er war erst Tags zuvor aus Reichenhall zurück. Die Frau sah noch angegriffen aus, nach überstandenem Scharlachfieber, war aber sonst ganz munter und theilnehmend. Gestern Mittag speiste ich mit Ranke, Pertz und Stälin bei ihnen; Sybel und Frau sollten dabei sein, hatten aber abgelehnt, weil Pfeuffer wegen des Scharlachs gewarnt hatte; eine Ansteckung sei auch jetzt noch möglich! Heute Mittag ist ein Essen in den 4 Jahreszeiten verabredet; ich wäre ihm lieber aus dem Wege gegangen, will mich aber nicht absondern. Am Sonntag5 wird wahrscheinlich eine Ausfahrt nach Tegernsee und Schliersee unternommen, wenn es schönes Wetter bleibt.

Unsere Sitzung wird dies Mal kürzer, als erwartet sein und vermuthlich schon am Montag6 geschlossen werden. Eine Deputation soll dem König, wenn sie angenommen wird, unsern Dank7 aussprechen; das kann nicht früher als am Montag sein, mit den Geschäften werden wir bis Samstag Nachmittag fertig. Demnach komme ich Dienstag oder spätestens Mittwoch nach Erlangen zurück. Das wäre noch zu früh, um die Kinder zur Parthie nach Simmelsdorf auf die Ostbahn zu bestellen. Ich werde dise daher mit ihnen gemeinschaftlich von Erlangen aus erst am Freitag früh, wenn Zeit und Umstände günstig sind – zu den Umständen gehört, daß wir den lieben Eltern für diesen Tag und folgende bis Sonntag Nachmittag willkommen sind – ausführen.

Vorher erhältst Du noch Nachricht. Hoffentlich bekomme ich heute oder morgen auch eine von Dir. Ich würde mich sehr freuen zu hören, daß es Dir und unseren Kleinen in Simmelsdorf gut geht. Der Aufenthalt dort wird Dir hoffentlich recht zur Stärkung und Erfrischung, deren Du besonders benöthigen wirst, gereichen.

Lebe wohl, liebe Susi! Grüße die lieben Eltern, Kinder und Caroline. Bald hörst Du weiteres von mir. Sei tausendmal gegrüßt von

Deinem
Liebsten und Mann.