Schönsten Dank für Deinen lieben Brief1, den ich am Dienstag2 Nachmittag erhielt zugleich mit einem von der lieben Mutter3 die mir schreibt, daß sie Dich bei der Taufe recht erholt aussehend gefunden haben, d. h. Vater und Luise, denn die Andern hatten Dich ja vorher nicht gesehen. Gottlob, daß dem so ist und Du findest ja doch selbst nach Deinem letzten Brief, daß Appetit und Schlaf sich gebessert haben, da werden auch die Kräfte sich mehr und mehr einstellen. Ich denke zu Deiner Genesung tragen meine Briefe mit ihren guten Nachrichten auch ihren Theil bei und so sollen Dir diese Zeilen wieder neue Beruhigung und Freudigkeit bringen, denn es geht ja mit unsern lieben Patienten so gut, als wir es nur wünschen aber kaum erwarten konnten. Gestern und heute haben sie Hasenbraten geschmaust und es war mir eine wahre Freude zu sehen, wie gut es ihnen schmeckt; heute haben sie auch etwas Bier getrunken, bis auf Mariechen, die es nicht mag und anstatt dessen Rothwein (Ober Ingelheimer) trinkt. Die Laune ist vortrefflich, sie sind so munter, ganz in der alten Weise, Luischen weint leicht, doch das ist ja bei ihr nicht auffallend.
Gestern wurden sie Alle gebadet und da fing dann Anna, als sie im Bad saß und sich mal nach Mariechen umsah, so herzlich und unaufhörlich an zu lachen, weil sie Mariechens Anblick so komisch fand mit ihren herabhängenden Zottelhaaren. Auf meine Bemerkung, daß sie ja Mariechen doch schon öfters gesehen, versicherte sie mir, sie habe sie in der Krankheit noch nicht gesehen; überhaupt zeigt sich immer mehr daß die Kinder von Allem was in den ersten 4 – 5 Wochen vorging bis vor vielleicht 14 Tagen kaum eine Erinnerung haben. Mariechen meinte gestern, ihr schiene es acht Tage zu sein seit sie liegt. Alles was vorher war und Alles aus der letzten Zeit wissen sie genau, wie überhaupt keine Spur von Fieber oder Unklarheit, oder lebhaften Träumen sich zeigt.
Noch läßt sie Dorsch nicht aufstehen, sondern vertröstet sie von ein Paar Tagen zu den andern, doch denke ich Anfang der nächsten Woche könnte ein Versuch damit gemacht werden, und einige Tage nachher könnten wir fort. So wird es nach und nach wieder klar und eben vor uns und um uns, denn auch im Haus vereinfacht sich das Personal mehr und mehr. Emilie ist seit Sonntag hier, willig und gutmüthig in der alten Weise, aber wenig brauchbar, doch denke ich wird sie die Pflege der Kinder jetzt übernehmen können. Sie besteht in weiter Nichts, als daß sie des Nachts ein Paar Mal rufen, daß sie des Tags ihre Suppe zur rechten Zeit und oft frisches Wasser bekommen; das Waschen mit Fruchtbrantwein zur Stärkung der Gelenkebesorge ich, und wenn ein Bad verordnet wird, kann sie mir ja auch behülflich sein. Ich entlasse heute die Krankenwärterin, da sie für diese Dienstleistungen zu kostbar ist. Rosel ist seit gestern wieder angetreten und meint, es ginge ihr gut, den Wächter habe ich auch verabschiedet, da jetzt wieder mehr Menschen im Hause sind, das Kindermädchen besorgt den Jungen recht ordentlich, nur ist sie sehr langsam, was mich oft ungeduldig machen könnte, doch bin ich froh, daß ich ihr das Kind unbesorgt überlassen kann und durch die lange Zeit, die ihr das Windelwaschen etc. kostet bleibt mir noch genug Gelegenheit, mich mit meinem kleinen Liebling zu beschäftigen. Mir und den zwei Kleinen geht’s gut. Sophiechen hat sich recht schnell an das neue Mädchen gewöhnt und verlangt nicht mehr so ausschließlich nach der Rosel; so geht Alles seinen stillen, einfachen Gang und will es Gott, ist der Sturm jetzt vorübergebraust.
Auch der allgemeine Himmel ist seit Mondtag4 wieder klar und freundlich, wie Du es ja aus Euern Bergen auch meldest, wir haben wieder sehr warm, dazu diesen trockenen Wind, der dieß Jahr schon so häufig war, so daß ich meist erst gegen Abend, wo es stiller wird, Siegmundchen in den Garten bringen kann; er mag es sehr gern, ist so ruhig und vergnügt in seinem Korbwagen und schläft gewöhnlich bald ein. Über- haupt versteht er die Kunst des Schlafens vortrefflich, des Nachts gewöhnlich von 7 – 3 Uhr und dann wieder bis 6 oder 7 Uhr. Da können wir uns Alle gehörig ausruhen und Kräfte sammeln für des Tages Arbeit.
Vor einigen Tagen bin ich mal mit Sophiechen außgegangen auf die Messe, wo wir mehrere Bekannte trafen, die denn Alle nicht wenig erstaunt und erfreut waren, wieder Jemanden aus unserm Hause zu sehen. Man hält uns für ganz verschollen und es scheint, daß man doch noch eine gewisse Scheu vor unserm Hause hat, da nur Wenige sich zu uns wagen, trotzdem daß doch viele Bekannte hier sind. Bei Makowitzka liegt der älteste Junge sehr krank am Scharlach, er Makowizka ist mit dem zweiten Jungen auf einer kleinen Tour nach Berneck, Schweinfurt, auch Frank’s sind in Berneck; Schmidtleins sind hier, ich begegnete ihnen neulich mit der Schwiegertochter die mit dem Enkelchen bei ihnen zu Besuch ist und an der sie sich recht erfreuen.
Ich bin begierig zu hören, ob Dir noch die versprochne Freude zu Theil wurde Flottwells in Berchtesgaden zu sehen und die reizende Frau Ella kennen zu lernen. Das arme Frauchen scheint durch den Badegebrauch recht angegriffen zu sein; wenn Du nur sonst noch angenehme Gesellschaft fändest, denn die beiden Herren Forstmeister haben Dich vielleicht schon verlassen und es scheint in Berchtesgaden doch weniger Fremden-Verkehr zu sein als in Reichenhall. Ist denn die Königin da? Der König ist ja wohl immer noch in Frankfurt und hilft unserm armen Deutschland Einheit und Frieden zu geben; was hältst Du von dem Fürstencongreß5 und derabermaligen Ablehnung des Königs von Preußen6? Ich weiß gar nicht wie’s in der Welt zugeht, da ich mit den politischen Nachrichten ganz auf das Tagblatt beschränkt bin.
So eben kommt ein lieber herzlicher Brief von meiner guten, treuen Lina nebst einer Dute bonbons für die Kinder. Sie schreibt so innig theilnehmend und erfreut über die guten Nachrichten, die ich ihr kürzlich gab und theilt mir mit, daß sie mit ihrem Friedrich und den zwei ältesten Kindern am 3ten September auf 8 – 10 Tage an den Bodensee gehen wird; ich werde sie also gar nicht finden, wenn wir nach Nürnberg kommen.
Vorgestern7 kam ein Brief von Freiburg nebst einer kleinen Brochure; ich machte den Brief auf, er war von Weech und enthält Nichts Dringendes, so viel ich beurtheilen kann, blos ein Begleitschreiben zu der Brochure.
Nun Gott befohlen, Liebster, an der Inlage8 wirst Du Dich recht erfreuen. Gottlob, daß wir so wohl sind.
Leb wohl, mein Einzig Geliebter, die Kinder grüßen herzlich. Es umarmt Dich im Geiste