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Susanna Maria Hegel, geb. Tucher, an Karl Hegel, Erlangen, 6./7. April 1866

Mein liebster Manni!

Seit gestern weiß ich Dich in Berlin bei den lieben Geschwistern und bin nun sehr gespannt durch Dich, mein Liebster, von dem schönen Leben zu hören, das Ihr im engen Kreise führt, wie von dem wenig erfreulichen das im Großen und Ganzen sich regt, und dem Du mit einem Male so nah gerückt bist. Wie in Nürnberg so ist auch hier nur ein Gedanke, der alle Gemüther bangt: der schreckliche drohende Krieg1, der so furchtbar wäre, daß sehr Viele noch nicht an seine Möglichkeit glauben können. Ich komme eben von ein Paar Besuchen zurück, bei Schmidtlein und Harnaks, deren Knaben ja am Sonntag confirmirt werden sollen, und bin noch unter dem Eindruck der mit den Freunden geführten Gespräche, denn ich selbst lebe ohne Zeitung (habe aber gleich den Corres- pondenten bestellt) und im Haus geht es ja Gottlob ruhig und friedlich zu, wenigstens gehen die kleinen Kämpfe rasch und ohne schlimme Folgen vorüber. Wir sind am Mittwoch Nachmittag glücklich, wenn auch bis zum letzten Augenblick vom schlechten Wetter verfolgt, hier angekommen, die Kinder sind wohl, auch Sophiechen ist wieder ganz munter und hustet nicht mehr. Der gestrige Tag war noch eine schlimme Übergangszeit, wie immer der erste Tag nach den Ferien und besonderen Freudentagen gerade nicht erquicklich ist durch die erregte Stimmung der Kinder, aber jetzt geht es wieder besser, Georg nimmt sich zusammen, aber ich muß ihn in fester Hand halten und das traust Du mir nicht recht zu, nicht wahr, mein Liebster?

Samstag den 7ten.

Gestern Abend wurde ich unterbrochen durch die alte Rosel, die Deine Abwesenheit zu einem Besuch in Nürn- berg benützt hat, um noch mal ihre Frau v. Holzschuher zu sehen. Sie hatte so viel zu erzählen von all dem Neuen und Herrlichen das sie in Nürnberg gesehen, daß ich nicht mehr schreiben konnte. Auch hoffte ich halb und halb auf einen Brief heute Morgen, aber es ist 10 Uhr und bis jetzt ist keiner gekommen; freilich ist Deine Zeit auch mehr in Anspruch genommen, wie die meinige und ich bescheide mich gern; weiß ich doch daß Du liebend unsrer gedenkst.

Die letzten Tage unsers Aufenthaltes in Nürnberg waren bewegt und unruhig, wie sie immer sind. Nach Deiner Abreise ging ich in die Stadt, um Verschiedenes zu besorgen, auch bei Wahnschaffe, Nachmittag waren wir bei Crailsheim, die 2 Kleinen bei Leitheimer wo das Osterhäschen einer ganzen kleinen Kindergesellschaft, den verschiedenen Pathchen, reiche Gaben brachte. Mundel war natürlich selig und in Folge dessen auch liebens- würdig. Die gute Lina hatte uns für den Abend zu sich gebeten, nämlich mich und Annchen, ein kleiner netter Kreis, Mathilde Fürer, Luise Schwarz, Auguste Kieser mit ihrer Friedrike. Die gute Auguste ist doch gar eine liebe Seele, sie war auch am andern Tag trotz Regen und Hagel, der uns unterwegs überfiel auf der Eisenbahn, um die Kinder Alle zu sehen, die wir ihr nicht gebracht hatten.

Nun, mein Liebster, wie geht es Dir, ich freute mich am Dienstag2 des guten Reisewetters, auch am Donnerstag war’s schön und heute ist es prachtvoll, wo möglich will ich mit den Kindern heute Nachmittag einen Spaziergang machen. Im Garten ist Alles grün, der Döller war gestern und heute Vormittag da und macht seine Sache recht ordentlich, wenn auch langsam.

Grüße unsre Lieben viel tausend Mal, es ist gewiß ein sehr gemüthlich angenehmes Leben bei ihnen und die gute Clara ein rechter Segen für Alle.

Leb wohl, mein Geliebter, heute in acht Tagen bist Du doch läng- stens wieder zurück, nicht wahr? es ist mir recht einsam ohne Dich.

Gott behüte Dich und führe Dich glücklich zu uns zurück. Die Kinder groß und klein grüßen, vor allem aber

Deine Susanna.

P. S. Harnak trug mir gestern herzliche Grüße an Dich auf, er ist immer noch sehr erkältet. – Eben bringt Annchen das erste Veilchen, ich sende es Dir, als Liebesgruß.3