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Karl Hegel an Susanna Maria Hegel, geb. Tucher, Bonn, 2. August 1868

Liebes Suschen!

Nur eine kurze Nachricht von reichen und frohen Erlebnissen will ich Dir heute morgen zum Gruße zusenden.

Gestern Nachmittag nach 4 Uhr bin ich nicht mit Eisenbahn, sondern per Dampfschiff in großer Gesellschaft von Gästen hier angekommen. Schon in Bingen traf ich mit Römer aus Tübingen, Bursian aus Zürich, Funke in Freiburg gestern Morgen zusammen. Wir machten in der Frühe bei herrlichem Wetter eine Tour über den Niederwald  von Asmannshausen nach Rüdesheim; die Stimmung war ausgezeichnet und wurde unten am Rhein in einer Laube beim Glase Rüdesheimer Berg nur erhöht. Um 10 ½ Uhr kam das große Dampfboot nach amerikanischer Art gebaut, mit neuen Gästen, von denen ich Overbeck aus Leipzig, Hagenbach aus Basel kennen lernte. Auch ein ehemaliger Berliner College vom Realgymnasium, Professor Runge, gab sich mir mit großer Freude zu erkennen.

Hier in Bonn wurde ich sehr liebenswürdig empfangen: die Wohnung liegt sehr günstig an der Feststraße: das Gastzimmer nach dem Garten hinaus, darin Platz für Dich genug. Wärst Du nur hier! Du bist dringend gebeten zu kommen, wenn möglich. Die junge Frau ist sehr unbefangen, gescheit und angenehm.

Gestern Abend war die Zusammenkunft bei Sybel. Unter den Bekannten, die ich am liebsten wiedertraf, waren Karsten aus Rostock, Jhering und Andere. Es wurde die Anzahl und Reihenfolge der Begrüßungen für heute beim feierlichen Empfang bestimmt. Obwohl die Universitäten nur Einen Sprecher in Windscheid Rector der Universität München aufstellen, werden doch mehr als 20 Redner verschiedener Deputationen zu Worte kommen. Heute Mittag ist ein Essen in Godesberg, morgen erst der Hauptredeact, zu welchem auch der König kommt, und das Festessen in Poppelsdorf.

Ich erwarte Nachricht und am liebsten Dich selbst bis morgen oder Dienstag. In Cöln bleibe ich Mittwoch1 und den halben Donnerstag – bis Donnerstag Mittag wäre dort der späteste Termin Deines Kommens, wenn überhaupt. Nimm alles Geld mit, was Du findest und zu Hause entbehrt werden kann.

Fahrgeld wirst Du bis Bonn etwa 12 Thaler brauchen. Wenn Du in Nürnberg das Billet nicht bis Bonn nehmen kannst, so übergieb in Mainz den Koffer einem Kofferträger zur Gepäckexpedition und löse neben dieser Dein Billet.

Ich grüße die Kinder tausend Mal, besonders den Kleinen. Möge ihn der liebe Gott uns behüten und bewahren!

Lebe wohl meine innig Geliebte!
Dein Mann.

P. S. Wenn Du Dienstag um 10 ¾ Uhr Vormittag hier ankommst, so ist die Abrede für Deinen Empfang die folgende: Entweder bin ich selbst da mit Aegidi, oder wenn wir verhindert sein sollten, wird sich Frau Aegidi durch ein schwarzweißes Band, das sie in der Hand hält, Dir zu erkennen geben; solltest Du sie und uns verfehlen, so laß Dich nach der Wohnung von Aegidi Neuthor no. 60 hinführen.