Ich darf diesen Monat nicht zu Ende gehen lassen, ohne Dir auf Deine bis zu diesem Termin sich erstreckende Aufforderung zu antworten. Sie hat mich die ganze Zeit hier viel beschäftigt. Daß uns ein deutsches Organ wieder recht dringend Noth thut, um unseren völlig zerfahrenen Zuständen und Stimmungen Einheit, Haltung und Achtung zu geben, davon kann niemand mehr überzeugt sein, als ich. In meiner Nähe herrscht immer noch dieselbe Abneigung gegen Preußen, wie im vorigen Jahr, und ist maßgebend für die politische Ansicht der Ton, welchen fort und fort im einigen Einerlei die Augsburger Allgemeine auffängt. Man sieht nicht ein und will nicht begreifen, wie sehr man selbst den Boden einer einheitlichen Deutschen Politik untergräbt, auf dem man doch stehen will und den man zu betreten meint. Die Kluft, die uns zerreißt, | wird immer weiter und größer. Bevor noch der äußere Krieg an uns herantritt, scheint der innere loszubrechen, und alles Selbstvertrauen ist uns dem äußeren Feinde gegenüber längst verloren gegangen. Die Deutsche Zeitung müßte sich über die Gegensätze der Parteien stellen, müßte sich selbst, was freilich unendlich schwer sein wird, den Glauben verschaffen, daß sie darüber steht, und wenn ihr dies gelänge, würde sie den Einigungspunkt abgeben, der aussteht, den wir gegenwärtig weder im Hinblick auf irgend eine unsrer deutschen Regierungen, noch viel weniger auf den Deutschen Bund finden können. Auch von Kleindeutsch und Großdeutsch dürfte nicht mehr die Rede sein, sondern die deutsche Nation soll zum Durchbruch kommen, gleichviel an welchem Punkt und unter welcher Führung, und Alles was sich ihr wirklich anschließt, soll auch zu ihr gehören. Die Form wird sich finden: daß nur ja nicht sie wieder wie im Jahr
1848 vorangestellt werde! Wir streiten uns so lange darüber, bis die Gelegenheit vorüber ist, da die Hindernisse unsrer Einheit beseitigt scheinen. – Ich gestehe, daß ich Eure gedruckte Ankündigung hinsichtlich des Ziels und der nächsten Aufgabe | nicht treu und bestimmt genug gefunden habe, und daß nur Zweifel darüber entstanden sind, ob auch die Unterzeichneten sich vollkommen verständigt haben, weil ein positiver Ausdruck in Bezeichnung der Richtung wie absichtlich vermieden worden ist. Ich brauche nicht zu sagen, wie hoch ich Wilhelm Beseler schätze, aber er hat schon viel zu sehr in den gegenwärtigen Zeitfragen im norddeutschen Sinne Partei genommen, als daß ich es für gut halten kann, daß gerade sein Name bei der Redaction vorantreten soll. Der Deinige oder Häussers würde um des Zweckes der Vereinigung willen, die wir wünschen müssen, besser an der Stelle sein. Dies sind einige Bedenken, die vielleicht nur meinen Standpunkt bezeichnen.
Wegen der Actienzeichnung habe ich nun mit Stintzing gesprochen und ich hätte auch mit keinem Andern davon zu reden gewußt, wenn auch nicht Deine Mahnung, die Sache nicht ins Publicum zu bringen, mich davon abgehalten hätte. Stintzing war erfreut über die Ankündigung, versicherte aber für eine Actie jetzt kein Geld zu haben und er hat sich ein Haus hier erbaut. Warum sind auch die Actien so hoch gegriffen? ich dachte an eine Vereinigung mehrer Theilnehmer, unter denen ich einer sein wollte und für mich allein
| ist das Ganze weit mehr als ich verantworten könnte. Es ist mir peinlich Dir in solcher Weise zu erwiedern, um so mehr als ich jetzt eben wieder in dem Falle bin, Dir für Dein mir sehr willkommenes Geschenk mit dem neusten Bande Deiner Geschichte des 19. Jahrhunderts meinen herzlichen Dank zu sagen, woraus ich mir reiche Belehrung verspreche. –
Von Deiner lieben Victorie und den Heidelberger Freunden hätte ich gern noch etwas erfahren; ich nehme es für ein gutes Zeichen, daß Du ihrer nicht besonders gedenkst. Meiner Frau und unserer kleinen Familie geht es recht gut; wir werden zu Ostern uns nach Nürnberg übersiedeln, dann will ich nach Leipzig und
Berlin. Meine Frau Susanna grüßt Euch recht herzlich: sie schwärmt von Heidelberg.
Wir grüßen Webers und
Beselers. Kußmauls scheinen nicht sonderlich erbaut von unserm Erlangen, am wenigsten die Frau, die so ganz Pfälzerin ist: übrigens gefällt er sehr gut und seine Tüchtigkeit wird allgemein anerkannt. Ich grüße meine gute alte und doch immer junge Freundin Victorie und verbleibe in unverbrüchlicher Treue
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Gervinus (Gervin), Georg Gottfried jun.Georg Gottfried Gervinus11853891818051871Gervinus, Georg Gottfried jun. (1805–1871), deutscher Historiker, Literaturhistoriker und Politiker, Sohn von Georg Gottfried Gervinus sen. (1765–1837) und seiner Ehefrau Anna Maria Magdalena Gervinus, geb. Schwarz (1772–1837). Er war Ehemann von Victorie Gervinus, geb. Schelver (1820–1893), 1835/1836 Professor der Geschichte und Literatur an der Universität Heidelberg, 1836/1837 an der Universität Göttingen (einer der „Göttinger Sieben“), 1844 Honorarprofessor an der Universität Heidelberg, 1848 Mitglied der Frankfurter Paulskirchen-Versammlung.
Erlangen49.5928616,11.0056Mittelfränkische Universitätsstadt, etwa 20 Kilometer nördlich von Nürnberg gelegen, seit 1810 Stadt und Universität des Königreichs Bayern.
UB Heidelberg
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UB Heidelberg
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Neuhaus
, Helmut (Hg.): Karl Hegels Gedenkbuch. Lebenschronik eines Gelehrten des 19. Jahrhunderts, Köln, Weimar, Wien 2013.
Neuhaus
, Karl Hegels Gedenkbuch
2013
Beseler, Wilhelm HartwigWilhelm Beseler11865863818061884Beseler, Wilhelm (1806–1884), Jurist und Politiker, Bruder des Juristen und Politikers Georg Beselers (1809–1888).
Häusser, LudwigLudwig Häusser
HiKo
11871984X18181867Häusser, Ludwig (1818–1867), aus dem Elsaß stammender Historiker, Politiker und Publizist, der von 1835 bis 1839 an den Universitäten Heidelberg und Jena Klassische Philologie studierte, in Heidelberg promoviert wurde und sich dort 1840 habilitierte. Im Jahre 1845 wurde er in Heidelberg außerordentlicher Professor und war dort von 1849 bis 1867 ordentlicher Professor der Geschichte. 1858 gehörte er zu den Gründungsmitglieder ders Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Im Jahre 1848 wurde er Mitglied des Frankfurter Vorparlaments, von 1848 bis 1850 war er Mitglied der Zweiten Kammer der Ständeversammlung des Großherzogtums Baden, 1850 Mitglied des Volkshauses des Erfurter Parlaments für das Großherzogtum Baden.
Stintzing, RoderichRoderich Stintzing10127505618251883Stintzing, Roderich (1825–1883), in Altona geborener Rechtswissenschaftler, der von 1841 bis 1848 an den Universitäten Jena, Heidelberg, Berlin und Kiel studierte und 1852 in Heidelberg promoviert wurde. Im Jahre 1854 wurde er ordentlicher Professor für Römisches Recht an der Universität Basel. Nach seinem dortigen Rektorat wechselte er von 1857 bis 1870 an die Universität Erlangen und anschließend bis zu seinem Tode an die Universität Bonn. Wie in Basel war er auch in Erlangen (1864/65) und in Bonn (1875/76) jeweils Rektor bzw. Prorektor.
Schelver, Victorie (Victoria), verh. GervinusVictorie Schelver, verh. Gervinus11659528018201893Schelver, Victorie (Victoria) (1820–1893), Gesang- und Klavierlehrerin, Musikwissenschaftlerin, Ehefrau von Georg Gottfried Gervinus jun. (1805–1871).
Weber, Georg11715900X18081888Weber, Georg (1808–1888), in Bergzabern geborener Gymnasiallehrer, der von 1828 bis 1832 Theologie, Klassische Philologie und Geschichte an den Universitäten Erlangen und Heidelberg studierte und 1832 dort zum Dr. phil. promoviert wurde. Ab 1835 war er an verschiedenen Schulen Gymnasiallehrer und von 1850 bis 1872 Gymnasialdirektor in Heidelberg. Er war mit Ida Becher (1804–1888), Tochter des Juristen und Schriftstellers Georg Ludwig Becher (1775–1815) und der Majorstochter Caroline Schunck (1779–1870) seit 1839 verheiratet; das Ehepaar hatte mehrere Kinder.
Becher, Ida, verh. WeberIda Becher11716469018041880Becher, Ida (1804–1888), verh. Weber, war Tochter des Juristen und Schriftstellers Georg Ludwig Becher (1775–1815) und der Majorstochter Caroline Schunck (1779–1870); seit 1839 war sie mit dem Historiker und Pädagogen Georg Weber (1808–1888) in Heidelberg verheiratet; das Ehepaar hatte eine Tochter und vier Söhne.
Kußmaul, Adolf11872307318221902Kußmaul, Adolf (1822–1902), in der Nähe Karlsruhes geborener Mediziner, der von 1840 bis 1846 an der Universität Heidelberg studierte, 1857 außerordentlicher Professor der Medizin an der Universität Heidelberg, dann ordentlicher Professor an den Universitäten Erlangen (1859–1863), Freiburg (1863–1876) und Straßburg (1876–1889) wurde.
Preußen, Prusse Königreich Preußen (französisch: Prusse), auch Ostpreußen als östlichste Provinz des Königreichs.
Nürnberg49.453872,11.077298In Franken an der Pegnitz gelegene ehemalige Reichsstadt, seit 1806 Stadt des Königreichs Bayern.
Leipzig51.3406321,12.3747329Am Zusammenfluß von Weißer Elster, Pleiße und Parthe gelegene Universitäts- und Messestadt in Sachsen.
Berlin52.5170365,13.3888599Hauptstadt des Königreichs Preußen und ab 1871 auch des Deutschen Reiches.
Heidelberg49.4093582,8.694724Alte Universitätsstadt am Neckar, seit 1803 zum Großherzog Baden gehörend und mit Eisenbahnanschluß seit 1840. Circa 90 Kilometer südlich von Frankfurt am Main gelegen, war die Stadt mit ihrer malerischen Schloßruine einer der Hauptorte der Romantik.
Deutsch/deutsch, Deutsche/r; DeutschesAuf die deutschen Staaten bezogen, den deutschen Staaten zuzuordnen, zu den deutschen Staaten gehörend; deutschsprachig; deutsche Sprache; Angehörige/r der deutschen Staaten, Deutschlands.
Augsburger Allgemeine (Zeitung)Die von Johann Friedrich Cotta (1764-1832) im Jahre 1798 in Tübingen gegründete „Allgemeine Zeitung“ erschien von 1807 bis 1882 in der alten Reichsstadt Augsburg und entwickelte sich zur bedeutendsten deutschsprachigen Tageszeitung. Ab 1882 wurde München ihr Redaktionsort.
Deutsche ZeitungBadische Liberale gründeten im Juli 1847 die „Deutsche Zeitung“, die bis 1848 unter der Leitung und Redaktion des Historikers, Literaturhistorikers und Politikers Georg Gottfried Gervinus (1805-1871) für das konstitutionelle Repräsentativsystem sowie für eine einheitliche Gestaltung des deutschen Bundesstaates eintrat. Sie wurde zum wichtigsten und einflussreichen Sprachrohr der gemäßigt liberalen Nationalbewegung.
Regierung, RegirungHöchste Institution eines Staates, die die Politik sowohl nach Innen wie nach Außen leitet, lenkt und beaufsichtigt, wobei Regierung allgemein für die Tätigkeit des Herrschens, die Ausübung der Staatsgewalt steht.
Deutscher BundVon 1815 bis 1866 bestehende Vereinigung in Form eines Staatenbundes souveräner Fürsten und freier Städte Deutschlands unter Einschluss des Kaisers von Österreich, des Königs von Preußen sowie der Könige Dänemarks und der Niederlande.
kleindeutsch„Kleindeutsch“ bezieht sich auf eine mögliche Lösung der Frage nach der Gestaltung eines vereinigten Deutschlands, wie sie auf der Nationalversammlung von 1848 aufkam und entsprechend ventiliert wurde. Die sogenannte „kleindeutsche Lösung“ der deutschen Frage war eine diskutierte Lösungsmöglichkeit zur Verwirklichung der deutschen Einheit und der entsprechenden Gestaltung eines möglichen deutschen Nationalstaates. Sie sah vor, diesen mit allen Mitgliedern des Deutschen Bundes, außer Österreich, unter preußischer Hegemonie umzusetzen, was sich innerhalb der Beschlussfassung so auch durchsetzte. Die andere Lösungsmöglichkeit als Alternative dazu war die sogenannte „großdeutsche Lösung“ als deutscher Nationalstaat unter Einschluss und Führung des habsburgischen Kaisertums Österreich; letztendlich wurde die „kleindeutsche Lösung“ zwischen 1867 und 1871 realisiert.
großdeutsch„Großdeutsch“ bezieht sich auf eine mögliche und auch diskutierte Antwort hinsichtlich der Lösung der Frage nach der Gestaltung eines vereinigten Deutschlands, wie sie in der Frankfurter Nationalversammlung von 1848 aufkam und entsprechend ventiliert wurde. Die sogenannte „großdeutsche Lösung“ sah einen deutschen Nationalstaat unter Einschluss und Führung des habsburgischen Kaisertums Österreich vor. Diese potentielle Lösung nach der Frage der deutschen Einheit wurde letztendlich verworfen und stand überdies konträr zur sogenannten kleindeutschen Lösung, die alle Mitglieder des Deutschen Bundes, außer Österreich, unter preußischer Hegemonie in Erwägung zog und die sich innerhalb der Beschlussfassung schließlich auch durchsetzte.
Nation(en)Auf das 14. Jahrhundert zurückgehender, entsprechend gebräuchlicher Begriff aus dem Lateinischen von „natio“ für „Volk“ oder „Volksstamm“, für welchen sich bis heute keine einheitliche Begriffsbestimmung herauskristallisiert hat; mögliche, hauptsächliche Verwendung im Sinne von: Staat(en), Staatswesen; große, zumeist geschlossene Gemeinschaft(en) von Menschen von gleicher Abstammung, Geschichte, sprachlich-kulturellem Hintergrund, welche zu einem politischen Staatswesen gehören und dieses verkörpern; umgangssprachlich auch: Menschen, die zu einer jeweils bestimmten Nation gehören, Volk, Völker; im 19. Jahrhundert im Rahmen der deutschen Nationalbewegung verwendeter Begriff für eine Staatsform, die auf modernen Werten (Freiheit, Gleichheit, Menschlichkeit) beruht im Gegensatz zum monarchisch geprägten Ständestaat.
1848Anspielung auf die Ereignisse in den Jahren 1848/49, in der die deutsche Einigung zu erreichen versucht wurde; die sogenannte „Revolution von 1848/49 wird als Meilenstein der deutschen Demokratie und der Entwicklung eines deutschen Nationalstaates angesehen; zugleich ist sie Symbol für das Scheitern dieser Bestrebungen sowie für das Wiedererstarken der Monarchie im 19. Jahrhundert.
Einheit, deutscheIm 19. Jahrhundert ersehnte Einigung der deutschen Länder zu einem Nationalstaat.
Norddeutsch, Norddeutsche, NorddeutscherBegriff für den nördlich gelegenen Teil des deutschen Gebietes bzw. der Menschen, die darin leben, welcher in verschiedenen Kontexten (geographisch, linguistisch, historisch, kulturell, wirtschaftlich, politisch etc.) Verwendung findet, ohne dass dabei das Gebiet eindeutig bzw. auch hinsichtlich des jeweiligen wissenschaftlichen Gebrauchs einheitlich definiert ist; es kommt daher auch zu Überscheidungen mit anderen Definitionen innerhalb des deutschen Raumes (z. B. mit Mittel-, West-, Ostdeutschland); oftmals bezieht sich dieser Begriff auch auf das Norddeutsche Tiefland, wo früher allgemein die niederdeutsche Sprache gesprochen wurde.
Redaction, Redactionen (Redaktion)Redaktion hier als Tätigkeit in Bezug auf die Herausgabe einer historisch-kritischen Quellen-Edition; auch: Zeitungsredaktion.
ActienzeichnungDer Begriff Aktienzeichnung bezieht sich auf das sogenannte „Zeichnen“ von Aktien oder anderen Wertpapieren, welches eine Verpflichtung zur Übernahme eines bestimmten Betrages von neu ausgegebenen (emittierten) Aktien durch den Zeichnenden beschreibt. Dieses Kauf- bzw. Geldanlagegeschäft erfolgt in Form einer schriftlichen Erklärung auf dem sogenannten „Zeichnungsschein“.
Publicum, publicumPublikum; auch im Sinne von Form der Vorlesung bzw. „Collegium publicum“ gebracht für: öffentliche Vorlesung an einer Universität; öffentlich, allgemein, staatlich.
GeschichteGeschichtswissenschaft als Universitätsdisziplin sowie als gymnasiales Unterrichtsfach; auch: historische bzw. gesellschaftswissenschaftliche Abhandlung, Darstellung, Monographie über einen speziellen konkreten oder abstrakten Forschungsgegenstand wie z. B. die Geschichte einer Stadt, Geschichte einer wissenschaftlichen Disziplin etc.
19. Jahrhundert (Gervinus)Mehrbändiges zeithistorisches Werk von Georg Gottfried Gervinus (1805-1871) zwischen 1855 und 1866 unter dem Titel in acht Bänden erschienen: „Geschichte des neunzehnten Jahrhunderts seit den Wiener Verträgen“.
PfälzerinWeibliche, aus der Pflanz stammende Person.