Vielen Dank für Ihre prompte Besorgung der Briefe. Fahren Sie fort die nachfolgenden sicher zu senden bis auf weiteres. Dieser Wisch hier soll eine Antwort auf Ihr Briefchen, oder kein Brief sein, der Anspruch mocht mit mehreren solcher Couverten2 vergolten zu werden. Ich habe nur die eine Bitte, Sie möchten mir durch den genauen Titel der Ausgabe des Hans Sachs aufschreiben, die auf meiner Stube liegt und mir ihn ungezögert zuschicken, damit ich die Ausgabe die ich brauchte citiren kann.
Von Dahlmanns3 soll ich Sie freundlichst grüßen, sie erinnerten sich Ihrer sehr mit Wohlgefallen und Beifall. Sie müssen nicht versäumen, sie in Göttingen zu besuchen, wenn Sie durchkommen. Ich war mit ihnen in Mannheim, Mainz und hier in Frankfurt, von wo sie heute, Montag den 134, abreisten. Sie bewährten sich mir als wirklich neugewonnene Freunde und beschämten mich vielfach mit allen Zeichen liebender Zuneigung. Ich fühle mich in meinen gedrückten Umständen dadurch auf’s innigste erquickt und danke es meinem guten Geschicke – ne dicam der Vorsehung – daß ich grade in diesen schweren Augenblicken auf sie treffen müßte, die mich zu zerstreuen ich darfs sagen, gewissermaßen zu entschädigen wußten. Sie wissen (die Dahlmanns meine ich) von Victorie und trösteten mich vielfach. Ich hatte es so nöthig. In Mannheim wohnte Pfarrer Cl.5 in Einem Gasthause mit mir, aber Victorieprivatim. Ich sah sie nicht; aber ihr leerer Mantel hing in der Wirthsstube mir unter den Augen ½ Tag lang; denken Sie, wie wüst mir zu Muthe war und wie öde! Ich hatte alle Mühe mich den ersten Tag vor ausbrechenden Thränen zu hüten.6 –
Von Beseler+ der kürzlich nach Basel berufen worden war. war jener Brief nur adressirt, ich habe nichts Neues seitdem über ihn erfahren außer durch Dahlmanns, die ihn in seiner Glorie sehen. Er soll einige schöne Bekanntschaften haben und sich im Ganzen wohl finden. Grüßen Sie Schlossers, ich hatte ja schnell abreisen müssen, um sie noch zu besuchen.
Herzlichst Ihr
Gervinus.
1Ort und Datum befinden sich linksbündig am Ende des Briefes, darunter folgt nur noch die Randbemerkung. 2Unsichere Lesart. 3Friedrich Christoph Dahlmann (1785-1860) und seine Familie. 4Datum, unter welchem auch dieser Brief wohl verfasst wurde, also 13. Oktober 1835, der aber ein Dienstag war. 5Unsichere Lesart. 6Dies bezieht sich auf die heimliche Verlobung Georg Gottfried Gervinus (1805-1871) mit der damals noch sehr jungen Victorie Schelver (1820-1893); Karl Hegel (1813-1901) war damals sein „nächster Vertrauter“ in dieser Angelegenheit, vgl. dazu auch das Hegelsche Gedenkbuch, Neuhaus, Karl Hegels Gedenkbuch, S. 133, sowie Gervinus, Leben, S. 300-332, und Baar, Victorie Gervinus, S. 73 ff.
Gervinus (Gervin), Georg Gottfried jun.Georg Gottfried Gervinus11853891818051871Gervinus, Georg Gottfried jun. (1805–1871), deutscher Historiker, Literaturhistoriker und Politiker, Sohn von Georg Gottfried Gervinus sen. (1765–1837) und seiner Ehefrau Anna Maria Magdalena Gervinus, geb. Schwarz (1772–1837). Er war Ehemann von Victorie Gervinus, geb. Schelver (1820–1893), 1835/1836 Professor der Geschichte und Literatur an der Universität Heidelberg, 1836/1837 an der Universität Göttingen (einer der „Göttinger Sieben“), 1844 Honorarprofessor an der Universität Heidelberg, 1848 Mitglied der Frankfurter Paulskirchen-Versammlung.
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Frankfurt (Main)50.1106444,8.6820917Ehemalige Reichsstadt am Main, oftmaliger Wahl- und Krönungsort der Könige des Heiligen Römischen Reiches sowie Freie Stadt innerhalb des Deutschen Bundes, dessen Bundestag sich dort versammelte. Die Frankfurter Paulskirche war von Mai 1848 bis Mai 1849 der Tagungsort der Frankfurter Nationalversammlung, die die Frankfurter Reichsverfassung vom 28. März 1849 erarbeitete. Seit dem Mittelalter war es eine bedeutende Messestadt und ein Finanzplatz mit Wertpapierbörse für den Handel mit Staatsanleihen und Aktien.
UB Heidelberg
.
UB Heidelberg1000
Neuhaus
, Helmut (Hg.): Karl Hegels Gedenkbuch. Lebenschronik eines Gelehrten des 19. Jahrhunderts, Köln, Weimar, Wien 2013.
Neuhaus
, Karl Hegels Gedenkbuch
2013
Gervinus
, Georg Gottfried: Leben. Von ihm selbst (1860), Leipzig 1893.
Gervinus
, Leben
1893
Baar
, Regina: Victorie Gervinus – Leben und Wirken der Ehefrau und Witwe, in: Georg Gottfried Gervinus. 1805–1871. Gelehrter, Politiker, Publizist. (= Archiv und Museum der Stadt Heidelberg. Schriften 9) Heidelberg, Ubstadt-Weiher, Basel 2005, S. 73–84.
Baar
, Victorie Gervinus
2005
Sachs, Hans11860459714941576Sachs, Hans (1494–1576), in Nürnberg geborener Schuhmacher und Dichter, der als Anhänger der lutherischen Reformation und mit seinen Fastnachtsspielen, Schwänken, Gedichten u. a. große literarische Bedeutung über Nürnberg hinaus erlangte.
Dahlmann, Friedrich ChristophFriedrich Christoph Dahlmann11852336817851860Dahlmann, Friedrich Christoph (1785–1860), Politiker und Historiker, war von 1842 bis 1860 ordentlicher Professor für Deutsche Geschichte und Staatswissenschaften an der Universität Bonn, 1848/49 Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung, 1850 Mitglied des Staatenhauses für das Königreich Preußen im Erfurter Unionsparlament.
Schelver, Victorie (Victoria), verh. GervinusVictorie Schelver, verh. Gervinus11659528018201893Schelver, Victorie (Victoria) (1820–1893), Gesang- und Klavierlehrerin, Musikwissenschaftlerin, Ehefrau von Georg Gottfried Gervinus jun. (1805–1871).
Schlosser, Friedrich ChristophFriedrich Christoph Schlosser11879515517761861Schlosser, Friedrich Christoph (1776–1861), von 1817 bis 1861 ordentlicher Professor der Geschichte an der Universität Heidelberg. Karl Hegel (1813–1901) besuchte während seiner Heidelberger Studienzeit Lehrveranstaltungen bei ihm, womit er dessen Begeisterung für Dante Alighieri (1265–1321) weckte, die ihn Zeit seines Lebens begleiten sollte. Durch Schlosser kam Karl Hegel speziell auch mit der Geschichte in Berührung, die schließlich seine Berufung werden sollte.
Schlosser, Louise Henriette, geb. Hoffmann
Schlosser, Louise Henriette, siehe: Hoffmann, Louise Henriette.
Göttingen51.5328328,9.9351811Circa 100 Kilometer südlich von Hannover und südwestlich des Harzes gelegene Stadt mit einer 1737 eröffneten Universität.
Mannheim49.4892913,8.4673098Ehemalige Residenzstadt der Kurfürsten von der Pfalz an der Mündung des Neckars in den Rhein, etwa 80 Kilometer südlich von Frankfurt am Main gelegen, seit 1806 Stadt im Großherzogtum Baden.
Mainz50.0012314,8.2762513Etwa 40 Kilometer westlich von Frankfurt am Main gelegene alte kurfürstliche Residenz-, Festungs- und Bischofsstadt am Rhein, die ab 1816 zum Großherzogtum Hessen gehörte.
WischUmgangssprachlich-pejorativ für ein Schriftstück, amtliches Schreiben, einen Brief etc.; auch: dünnes gedrucktes Heft bzw. eine Druckschrift, Broschüre.
CouvertKuvert, Briefumschlag, Faltung bei Faltbriefen.
citiren, citierenzitieren.
ne dicamLateinisch für: um nicht zu sagen.
privatimLateinisch für: zu Hause.
Mehrere Registerverweise
Zitierempfehlung
Die wissenschaftliche Korrespondenz des Historikers Karl Hegel (1813-1901), bearbeitet von Helmut Neuhaus und Marion Kreis