Mein liebster, bester Karl. Du wirst wohl meinen gestern abgegangenen Brief2 noch in Rostock erhalten haben und theilst also jetzt in treuer Liebe all die Sorgen und schweren Gedanken, die mich drücken, und die mir seit heute Morgen, wo ich Deinen lieben Brief3 voll ungeduldiger Freude über die so nahe Zeit unsrer Vereinigung erhielt, besonders peinlich sind. Doch weiß ich, daß ich eben dieser Deiner Liebe die Gründe der Verzögerung billig und begreiflich erscheinen und Du mit mir darin übereinstimmst, daß unter den jetzt obwaltenden traurigen Verhältnissen uns der schönste Tag unsres Lebens gestört und getrübt worden wäre.
Doch jetzt will ich Dir von unsern Kranken berichten, was ja von doppeltem Interesse für uns Beide ist. Gottliebs Zustand erklärt der Arzt jetzt für eine Lungenentzündung, die er zuerst durch Schröpfen und da das nicht genügte, durch eine heute angewandte Aderlaß zu heben sucht. Bei seiner ohnehin schwachen Brust ist diese Krankheit sehr ängstlich und für ihn sehr peinlich, da er mit einem heftigen, schmerzhaften Husten gequält ist. Gott gebe, daß doch bald Anzeigen der Besserung sich einstellen. Mit Mariechen geht es ganz erträglich, nur muß sie sich sehr schonen, und der Arzt hat ihr für morgen wohl erlaubt aufzustehen, aber noch muß sie im Zimmer bleiben. Bei gutem Wetter und aufmerksamer sorglicher Pflege hoffe ich schon, daß sie bis den 27ten Mai wieder ganz hergestellt ist.
Ich konnte Dir mein Geliebter gestern nicht mehr schreiben und auf heute Morgen fand sich kein ruhiger Augenblick dazu; unser Kranker nimmt uns sehr in Anspruch, und leider hat sich sein Zustand eher verschlimmert als gebessert. Er schlummert sehr viel, bei heftigem Fieber, wobei er aber oft im Schlaf spricht; auch sonst ist ihm der Kopf nicht ganz frei, und er phanthasirt viel von seinen Collegien4, und überhaupt allen Verhältnissen, in welchen er sich bis jetzt bewegte. In der Erinnerung an unsern lieben seligen Georg sind wir natürlich doppelt ängstlich und es ist mir oft recht schwer ums Herz, das so gerne frisch und fröhlich sein möchte im Besitz Deiner Liebe. Je mehr betrübende Hindernisse unsrer Verbindung in den Weg treten, um so mehr sehne ich mich darnach, als einem ewig unauflöslichem Bund, einem Halt, der allen Verhältnissen und Veränderungen Trotz bietet. Die heutige Zeitung enthält die Nachrichten von der Wiedereinberufung des Parlaments auf den 26ten Mai – Du kannst Dir denken , mein Einzig-Geliebter, wie mir die Nachricht erschreckte; hoffentlich darfst Du doch einige Tage später eintreffen, sonst wüßte ich nicht, wie wir es einrichten sollten. Ach, wie gerne will ich auf Alles, was Du mir in Liebe zugedacht hast, auf die schöne Reise verzichten, wenn ich Dir nur ganz angehöre und Nichts uns mehr zu trennen vermag. Ich sehe mit Ungeduld einem Brief von Dir entgegen, der mir Nachricht bringt, wann Du, mein Geliebter, zu mir kommst; ich denke mit Jubel an die Möglichkeit, daß Du Deinen erstgefaßten Plan ausführst und doch schon während des Pfingstfestes5 bei mir bist, mein liebster, theuerster Karl.
Über unsern Hauptkranken unterließ ich bis jetzt, Dir von meiner Luise, nach der Du so freundlich fragst, zu schreiben; es geht ihr etwas besser, so daß sie hofft, doch in der Kirche bei unsrer Trauung anwesend sein zu können. Sie grüßt Dich schönstens mit Dank für Deine Theilnahme, die sie herzlich freute. Wie sehnlich wünsche ich, durch Dich beruhigendere Nachrichten von dem Befinden der theuren Mutter zu erhalten, sie selbst schrieb uns gestern einen lieben ergebnen aber doch recht traurigen Brief, ihr Fußübel scheint sie noch lange, lange ans Bett zu fesseln. Gott erhöre durch unser Aller Gebet und schenke unsrer lieben Kranken wieder neue Kräfte.
Deine gütige Sorge, mir unser Quartier so heimlich als möglich zu machen, hat mich wahrhaft gerührt! wer weiß, wann wir es beziehen? Leb wohl, mein geliebter Karl, ich schreibe Dir in Eile, aber immer in gleicher Liebe. Gott schenke uns ein frohes Wiedersehen!