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Susanna Maria Tucher an Karl Hegel, Nürnberg, 1. – 9. April 1850

Mein Herzliebster! Nur wenige Stunden sind wir getrennt und schon drängt es mich wieder Dir meine herzinnigen Grüße zu senden und ein Weilchen mit Dir zu plaudern. Wäre es auch nur um Dir so recht zu danken für Deine Liebe, mein Einzig-Geliebter, die Dich trieb mir so schöne Tage wie die letztverflossenen zu bereiten. Du glaubst nicht, wie leer mir das Haus erschien, als Du, mein Liebster, mich verlassen hattest; ich sehnte mich so nach einem treuen Herzen, dem ich alle Freuden der letzten Tage, alle meine frohen und ernsten Gedanken mittheilen könnte, alleine war mirs gar schwer. Ich bat meine treue Luise am Abend zu mir und in traulichem Geplauder gingen alle seligen Augenblicke unsres letzten Zusammenseins nochmals vor meiner Seele vorüber, so daß ich jetzt wieder ganz glücklich bin und den reichen Schatz Deiner Liebe fest in mein Herz verschlossen habe, so daß kein Sehnsuchtsschmerz meinem Reichthum Etwas anhaben kann. Ich weiß ja, daß Du mein bist, daß Du mich liebst und selbst wenn Du nicht an mich denkst, mich doch Nichts aus Deinem Herzen, das ja meine einzig rechte und liebste Heimath ist, zu verdrängen vermag. Nicht wahr, das darf ich glauben?

Mittwoch den 3ten April 1850

Heute war wieder die erste Sitzung2, mein Liebster, ich begleitete Dich, wie auch auf Deiner ganzen Reise mit meinen Segenswünschen. Gott gebe Euch recht bald ein erfreuliches Resultat Eurer Anstrengungen, daß Du recht heiter und befriedigt nach vollbrachtem Friedensbund zu mir zurückkehren kannst.

Heute blätterte ich in den Juniusliedern3 meines lieben Geibel und fand da ein Paar Zeilen, die ich Dir, meinem Geliebten hier abschreibe; ich hätte sie Dir so gerne gleich gelesen: „Ahnend sagt Dir ein weiblich Gemüth was gut und was schön sei, Aber mißtraue der Frau, wenn sie mit Gründen Dir kommt“.

Kann ich mich damit nicht trösten, wenn es mir schwer aufs Herz fällt daß ich so selten für Etwas einen rechten Grund angeben oder mich klar darüber aussprechen kann? Meinst Du, mein Liebster, daß ich das zarte, weibliche Ahnungsvermögen besitze, dem Du erst Bestimmtheit geben wirst und sollst? Mit Freuden übergebe ich mich Deiner liebevollen Leitung, mache mich so, wie Du mich haben willst, bin ich so, dann bin ich auch ganz glücklich und reich.

Samstag den 6ten April 1850

Obwohl Du auf die Nachrichten unsers Korrespondenten nicht viel Werth legst, mein Liebster, so kann ich doch nicht umhin, eines Berichtes zu erwähnen, den die heutige Nummer über Mecklenburg bringt und der, im Fall es sich so verhält, Dir und mir für Dich, gewiß recht leid ist, nämlich die Nachricht, daß der Großherzog das treue Festhalten an der Verfassung aufgegeben und dem Willen der Ritterschaft sich gefügt habe. Ich wünsche sehr, daß die Nachricht unbegründet ist, und will mich viel lieber meiner Leichtgläubigkeit wegen auslachen lassen, als daß Du die betrübende Erfahrung der Wortbrüchigkeit an Deinem bisher so muthig treuen Großherzog machen müßtest. –

Meine liebe Lina, die Dich in schwesterlicher Liebe grüßt, war heute bei uns im Garten um sich nach mir Einsamen umzusehen. Sie theilte uns einen sehr unangenehmen Vorfall mit, der ihren Friedrich betroffen hat, einen sehr bedeutenden Diebstahl an Quecksilber im Werth von 3000 Gulden. Es wurde mit unerhörter Frechheit das Magazin erbrochen und 10 Zentner fortgeschafft.4 Bis jetzt ist noch keine Spur der Thäter aufgefunden, doch läßt natürlich Friedrich mit Hülfe der Polizei Nichts unversucht, vielleicht gelingt es doch, sich ihrer zu bemächtigen.

Sonntag den 7ten April 1850

Ich bin ganz allein mit meinem Mariechen, die sich wenn auch langsam aber doch merklich erholt, zu Hause und erwarte halb und halb Deinen Liebesboten, der mir hoffentlich die Nachricht Deiner glücklichen Ankunft und Deine Herzensgrüße bringen soll. Es ist ein recht traulich stiller Sonntag-Nachmittag, ein wahrer Ruhe- und Friedetag, wie ich ihn so gerne habe und so selten feiern kann. Die letzten milden Frühlingstage haben die letzten Spuren des Winters vertrieben, die Luft weht herrlich warm in mein Zimmerchen und dabei schreibe ich an Dich, Du Liebster und danke Gott, daß er Dich mir zuführte um an Deiner Hand getrost und freudig durchs Leben zu gehen. Ich kann Dir nicht sagen, wie friedlich still mein Herz ist, seit ich Dich liebe und so recht fest und sicher in Deiner Liebe ruhe für alle Zeit. Ihr Männer könnt Euch das gar nicht so denken, wie es einem weiblichen Herzen zu Muthe ist, das früher so allein, ohne rechten Halt, ich möchte sagen ohne bestimmtes Ziel seiner Liebe war, und jetzt plötzlich ein theures Wesen gefunden, dem es angehört, dem es alle Liebe und alle Treue hingeben darf; es ist ein vollständig neues Leben in dem man nicht begreift, wie man das frühere Leben ertragen konnte. – Es ist gut, mein liebster Karl, daß Du nicht da bist, um zu sehen wie ich ordentlich roth werde über das, was unwillkührlich die Feder meinem Herzen ganz frei ab- und nachschrieb; wäre ich politisch und berechnend, ich würde Dir nicht sagen, wie ich Dich so unaussprechlich  liebe, aber Du5 sollst Alles wissen und weißt es ja ohnehin schon – –. So eben kam der Briefbote, brachte mir aber keinen Brief; die Post von Erfurt sei ausgeblieben, vielleicht wegen Hochwasser, durch das plötzliche Thauwetter hervorgebracht. Nun wahrscheinlich morgen – wann es sei, es macht mich gleich glücklich. Leb wohl, mein Einziger, mein stilles, seliges Stündchen des Friedens muß zu Ende sein; Lina erwartet mich für diesen Abend und vorher soll ich noch zu den Großeltern. Leb wohl, mein Frieden- und Freudenbringer! Gott segne meine Liebe, daß sie auch Dich beglücke.

Dienstag den 9ten April 1850

Schon heute Morgen erhielt ich Deinen lieben Brief6, mein theurer Karl, der verschiedenartige Empfindungen in mir erregte, die der Freude über Deine Liebe und die des Schmerzes und der Betrübniß über die unangenehmen Erfahrungen, die Dir die letzte Zeit brachte. Könnte ich Dir doch nur Etwas abnehmen, aber Du weißt ja was für ein unerfahrnes Menschenkind ich bin, das Nichts kann als Dich von ganzer Seele lieben und in Liebe Alles mit Dir tragen.

Wie sehr ich wünsche, daß die Zeit, wo ich Alles mit Dir erfahren und erleben darf, nicht mehr weit sei, weißt Du, mein Geliebter, und wirst mir also ohne Versicherung glauben, daß ich gerne den von Dir festgesetzten Zeitpunkt, das schöne Pfingstfest7 für unsre Vereinigung annehmen möchte, aber die liebe Mutter, die natürlich ein sehr gewichtiges Wort mitzusprechen hat, glaubt nicht, bis Pfingsten mit Allem, was noch zu thun ist, fertig zu werden; durch Mariechens Krankheit, die sich sehr langsam nur erholt, und durch so manche andern Dinge, die sich im Frühjahr zusammendrängen, wurde sie sehr in den nöthigen Besorgungen gehindert, und sie bittet Dich daher, die Hochzeit bis Ende Mai zu verschieben. Wir wollen uns so viel als möglich beeilen8, vielleicht läßt es sich doch bis Pfingsten einrichten.9 – Wegen der unterlassenen Bestellung meiner Bitte, mein Herzliebster, hast Du nicht nöthig Dich zu entschuldigen, es war ja ganz natürlich; ich ging an dem Nachmittag noch aus, es war so wunderschön, und das leere Haus erschien mir unerträglich, suchte Elise Holzschuher auf und erfreute mich an ihrer innigen Theilnahme, und so gings auch ganz gut. – Leb wohl, mein Liebster, von Allen die schönsten Grüße; Friedrich hat noch keine Spur von dem entwendeten Quecksilber. Von der theuren Mutter wissen wir auch Nichts Neues, seit meinem Geburtstage10 erhielten wir keine Briefe mehr, Gott gebe daß es ihr gut geht! Leb wohl, mein Theuerster.

Ewig in unwandelbarer Liebe
Deine Susette.