Mit schwerem Herzen schreibe ich Dir heute zu ungewöhnlicher Zeit, mein Geliebter; weiß ich doch, daß diese Zeilen Dich gewiß unangenehm berühren, und Du mit ihrem Inhalt nicht zufrieden bist. Sie sollen nämlich den abermaligen Vorschlag zu einer Verzögerung unsres Hochzeitstages enthalten. Sei nicht ungehalten, mein Liebster, dießmal ist es der liebe Gott, der uns diese kleine Geduldsprüfung sendet und da wollen wir so viel als möglich schön stille halten. Die Gründe, die diese Verzögerung nothwendig oder doch sehr wünschenswerth machen, sind hauptsächlich die langsamen Fortschritte, die in der Genesung Mariechens zu bemerken sind, und dann ein seit vorgestern bei Gottlieb eingetretenes gastrisches Fieber, das so heftig scheint, daß an ein Aufstehen unter 10 – 12 Tagen nicht zu denken ist. Mariechen fühlt sich auch während der letzten Woche nicht so wohl wie vor 8 Tagen, so daß sie der Arzt wieder ganz ins Bett gebannt hat und uns alle Hoffnung abspricht, daß sie bis den 20ten Mai wohl genug sein würde, um der Feier unsrer Verbindung beiwohnen zu können. Du wirst mir vielleicht einwenden, daß wir keine Gewißheit einer bedeutenden Besserung nach acht Tagen haben, allerdings aber es ist doch eher eine Hoffnung dafür vorhanden; länger könnten wir uns wohl doch nicht daran binden. Diese voraussichtliche Stärkung an diesem Tage, den ich so gerne mit ungetheiltem, frohem Herzen zubringen möchte, lag mir seit heute Morgen, wo sich der Arzt so bestimmt aussprach, schwer auf der Seele, noch mehr aber der lieben Mutter, die aber in Liebe für uns, dieses Gefühl überwinden wollte, doch bemerkte ich, daß sie eine leichthingeworfne Bemerkung meiner Seits, daß sich die Hochzeit jetzt nicht mehr gut verschieben lasse, begierig ergriff und daran, als einer Möglichkeit ihren stillen Wunsch erfüllt zu sehen, festhielt. Ich setzte ihrem ersten Vorschlag alle meine Bedenken entgegen, daß Dich jetzt kaum mehr ein Brief in Rostock treffen würde, daß das Erfurter Parlament uns vielleicht störend in Weg treten könnte, aber sie wußte auf Alles eine Antwort, und stellte mir immer wieder von Neuem vor, wie traurig es mir und uns Allen sein müßte, die beiden Geschwister vielleicht an der Hochzeit noch zu Bett zu sehen und doch keinenfalls fähig, Theil an der Feier zu nehmen. Endlich erschien es mir selbst das Beste, Dir, mein lieber Karl, zu schreiben, Dir Alles vorzulegen und an Deine Liebe mich zu wenden, die es gewiß auch begreiflich und passend findet. Obwohl ich nicht einsehe, in wiefern eine Verzögerung von 8 Tagen irgend eine Wichtigkeit für uns habe kann, so wurde mir doch bang, unsre Verbindung für den erstfestgesetzten Termin durchzusetzen, so wie offenbar von Gott gesandte Hindernisse sich dagegen stellten; so lange nur die leidige Ausstattung daran Schuld sein sollte, ergab ich mich auch nicht gutwillig darein, sondern dachte mir, daß es geht, wenn es gehen muß, und es geht auch, denn wir werden bis Samstag vor Pfingsten1 wohl ganz fertig, aber jetzt will ich geduldig sein, und Dich Du Liebster, noch entbehren im Gedanken, daß es doch aus irgend einem Grund besser sein muß.
Übrigens mein theuerster Karl, soll Dich das nicht abhalten, Deinem ersten Plan gemäß, vor Pfingsten zu kommen, wir bringen dann doch die acht Tage zwischen dem 20ten und 27ten Mai miteinander zu, nur daß unser Hochzeitstag am Schluß anstatt am Anfang dieser Zeit steht.
Ich sende Dir diesen Brief nach Rostock, obwohl ich nicht glaube, daß er Dich noch dort trifft, doch wollte ich mein Möglichstes thun, um Dir Deinen Entschluß ganz in die Hand zu geben. In Berlin findest Du einen Brief der lieben Mutter desselben Inhalts, im Fall Du, noch ohne von diesen neuen Bestimmungen zu wissen, nach Berlin kommst.
Dem lieben Manuel wird es ja hoffentlich auch einerlei sein, an Pfingsten oder acht Tage später zu kommen; es ist ein unglückliches Zusammentreffen von Verhältnissen, unter dem wir Alle leiden, das wir aber auch Alle in vereinter Liebe uns erleichtern wollen. Nicht wahr mein Herzliebster.
Wenn Du nach Berlin kommst, so grüße die theure Mutter und die lieben Geschwister recht innig von mir, wie geht es Allen, nach den schweren Leidenstagen, die erst so kurze Zeit hinter ihnen liegen und deren Schmerzen noch so frisch in der Seele sind? Die liebe, theure Friderike wird es leicht begreifen, daß ein Mutterherz ganz und allein erfüllt ist von der Sorge für ein krankes Kind, und zu Nichts Anderm die rechte Freudigkeit finden kann; sie hat es ja selbst erst erfahren.
Heute oder morgen über acht Tage wäre die schöne Stunde des Wiedersehens gekommen, die mir Dich, mein Geliebter, gebracht hätte; wann ich Dich jetzt erwarten darf, ob Du meine für diese Zeit vertröstete Sehnsucht stillen kannst und willst, dem sehe ich mit Spannung entgegen. Wie dem auch sei, ich halte mich an Deiner Liebe fest, die Gewißheit, daß sie mir bleibt zu jeder Zeit und unter allen Verhältnissen, erhebt mich über die schweren und trüben Stunden meines jetzigen zerrissenen und unruhvollen Lebens.
P. S.2 Noch ehe ich schließe, will ich Dir die letzten Nachrichten über Gottliebs Befinden mittheilen, er hustet heute weniger, als die letzten Tage, schlummert viel, ist aber ganz klar und ruhig, hat weniger Fieber, so daß der Doktor mit seinem jetzigen Zustand zufrieden ist. Gott gebe, daß keine Verschlimmerung eintritt und wir doch für jetzt beruhigt sein können.
Leb wohl, Geliebter!!