Wie weit bist Du jetzt schon weg von mir, meiner Liebe nur auf diesem Wege erreichbar, ich sehne mich nach Dir mein Liebster, aber Du sollst mich nicht mit Unrecht Dein starkes genannt haben; ich will es zu sein suchen und wenn ich Dich wieder glücklich und wohl in Rostock weiß2, dann wird es mir auch leichter ums Herz sein, als jetzt wo ich Dich in Gedanken auf Deiner unerfreulichen Winterreise begleite. Ich bin noch nicht lange von unsrer projektirten Schlittenfahrt zurückgekehrt; es war mir ordentlich wohl, auch draußen in der kalten Luft zu sein; jetzt aber im warmen Stübchen denke ich mit doppelter Sorge an Dich, mein Geliebter! es ist 7 Uhr, Du wirst jetzt bald in Hof sein! Gott behüte und beschütze Dich durch seine heiligen Engel. – Ich dachte, wir könnten den heutigen Tag noch in Gedanken miteinander verleben, aber mein Plan erlitt eine Störung durch Herrn Bauer, der diesen Abend nicht kommen konnte und während Du mich also im Kränzchen vermuthest, sitze ich allein am Schreibtisch und sende Dir mein Grüße.
Denke nur, wie sehr Herr Hahn meine Ungnade, mit welcher ich ihn immer drohte, verdient; Gottlieb brachte mir den trostlosen Bescheid, die Bilder seien schon alle verwischt; er hätte versucht, mich allein wegzuwischen, da sich das aber nicht machen ließ, zerstörte er uns Beide3; so habe ich also gar Nichts, kein Bild von Dir, mein Liebster, als dasjenige, das mit ewig frischen Farben mir im Herzen lebt; das soll mich nie verlassen.
Heute würdest Du mich loben, ich will brav sein und nicht so lange aufbleiben, sehne ich mich doch selbst zur Ruhe um mich alleine mit Gott und Dir zu fühlen. Leb wohl, mein Einzig-Geliebter, ich sende Dir meine wärmsten Herzensgrüße; ach könnten sie doch die Kälte der Nacht überwinden; es ist 9 Grad Kälte, und schneit auch noch; wenn Du nur glücklich über Hof bist; ich erwarte mit Sehnsucht nächsten Mondtag4.
Mit wahrer Befriedigung weiß ich Dich jetzt, so Gott will, in Berlin bei der theuren Mutter; ich kann mir denken, wie viel Du ihr zu erzählen hast und sie in ihrer innigen, warmen Liebe wird sich für Alles interessiren. Ich war heute Abend bei Lina, und sie freute sich mit mir, als die schlimme Zeit der Reise verstrichen war. Sie läßt Dich schönstens grüßen, ebenso ihr Friedrich. – Heute Nachmittag vollendete ich „Hermann und Dorothea“5! Wie habe ich Dich, mein Geliebter, bei jeder Zeile zu mir gewünscht, um Dir wie sonst bei jeder bedeutsamen Stelle die Hand zu drücken zum Zeichen des Einverständnisses und in Deinen Augen zu lesen, daß Du meine Gedanken theilst. Wie freue ich mich auf unser trauliches Stillleben, auf unser gemeinsames Lesen und Clavierspielen; die Aussicht darauf erscheint mir, seitdem ich’s ein wenig erfahren, doppelt reizend; und mein Leben ist mir nur wie ein halbes ungenügendes wenn Du es nicht mit mir theilst.
Heute erfuhr ich mit Schrecken von meinem Papa, daß er einen an Dich gerichteten Brief6 von Fanny Fürer, jedenfalls eine Einlage an Xeller enthaltend, vergessen habe, Dir zu geben. Um das Versehen wieder gut zu machen, gab er den Brief unter Deiner vollständigen Addresse für Berlin auf die Post. Ich fürchte fast, daß Dich der Brief nicht mehr in Berlin trifft, wenn Du schon Samstag7 Nachmittag nach Schwerin abreist und daß er Dir vielleicht nachgeschickt wird; es wäre besser gewesen, die Addresse in die der guten Mutter zu verändern.
Heute vermuthe ich Dich, mein Theuerster, in Schwerin, wahrscheinlich Mittag bei Schweden, ist’s nicht so? Ich bin zu Hause geblieben, um Deinen Wünschen zu folgen und mich meines Hustens wegen zu schonen, eigentlich aber auch um ein ruhiges Stündchen für mich zu haben, um Dir mein Liebster schreiben zu können. Die Eltern sind mit den Kindern zu den Großeltern gegangen, Mariechen ist mit Lina Wiß im anderen Zimmer und so bin ich ganz allein, mit meiner Liebe für Dich. Seitdem Du hier warst, hast Du mein ganzes Herz verändert und alle Regungen desselben gefangen genommen. Sonst strebte ich, soviel als möglich mit meinen Lieben zusammen zu sein um ihren Umgang noch zu genießen, ehe ich sie verlassen müßte, jetzt aber bin ich am liebsten allein, um ungestört an Dich zu denken, die schönen Erinnerungen wieder zu durchleben, und mir die Zukunft so wonnig als möglich auszumalen. Ich sollte es Dir gar nicht sagen, wie ich Dich liebe, aber ehe ich es mir versehe komme ich wieder auf dieß liebste und mich hoch beglückende Thema; unter weiblichen Anschauungsweise erscheinen die Männer fast bedauernswerth, daß sie nicht so wie wir, alle Gedanken auf den Gegenstand ihrer Liebe richten können; übrigens, wenn die Männer auch Zeit hätten, es zu thun, so zweifle ich doch, daß es ihnen möglich wäre (es wäre vielleicht gar nicht recht und männlich); denkst Du, mein Herzens Karl, nur manchmal recht innig an mich, dann will ich mich ganz bescheiden zurückziehen und Dich weder in Collegien noch politischen Conferenzen stören. –
Ich wurde vorhin unterbrochen, Dir zu schreiben, mein Liebster, weil die Mutter nach Hause kam, die mit den Kindern noch ein Weihnachtslichtlein für mehrere arme Kinder ansteckte. Die Schwestern hatten ihre ersparten Kreuzer mit Freude hergegeben um einige Kindern von Hausarmen ein bescheidenes Weihnachtsfest zu bereiten; unser großer Christbaum wurde dabei zum dritten Male angezündet und dann aber von den gebenden und empfangenden Kindern all seiner Herrlichkeiten beraubt; es war noch ein Abschiedsgruß des lieben heiligen Christfestes.
Der ersehnte, aber nicht zuversichtlich erwartete Liebesbote, Dein herzinniger Brief8, bereitete mir heute eine unaussprechliche Freude. Gott sei Dank, daß Du glücklich und ohne besondre Unannehmlichkeiten in Berlin angekommen bist; die Weiterreise wird ja hoffentlich eben so gut von Statten gehen.
Was Du mir über das Befinden der guten Mutter schreibst, thut mir von Herzen leid; wie traurig, daß sich jetzt wieder Schmerzen eingestellt haben! könnten wir doch nur ein Mal entschieden bessere Nachrichten von ihr erhalten. Sie schreibt so innig liebe Zeilen an meine Mutter, daß es mir immer ganz warm du wohl ums Herz wird, wenn ich mir denke, Kleine bei Manuel getauft, wie wird die gute Mutter wünschen beiwohnen zu können! ob sie es wohl wagen darf? Wir wollen uns im Gebet mit den lieben Eltern vereinigen, und so die heilige Handlung mit ihnen feiern.
wie ich ihr jetzt angehöre und daß ich auf ein besondres Plätzchen in ihrer Liebe hoffen darf. – Morgen also wird der liebeWie freue ich mich, die lieben, herzigen Kinderchen einst selbst zu sehen und Du sollst sehen, mein geliebter Karl, wie ich mich in meiner neuen Würde als Tante fühle.
Für die freundliche Besorgung des Uhrchens danke ich schönstens; ich sehne mich fast darnach, die Nadel und das Kettchen trage ich aber doch, um doch Etwas von Dir, ein Zeichen Deiner Liebe immer bei mir zu haben, außer meinen lieben Ring, den ich immer wieder mit Freude ansehe. Leb wohl, mein Herz! Gott sei mit uns!
Nur noch dieß kleine Plätzchen, um Dir Lebewohl zu sagen; wenigstens für die Mittheilungen, die Dir wirklich zukommen, denn bei all dem, was ich Dir in meinen täglichen und nächtlichen Träumen erzähle, da giebt es keinen Abschied und keine Trennung; meine Gedanken sind immer bei Dir; aber ich bin vernünftig und stark, das weißt Du ja. Leb wohl, mein Geliebter.