Heute bin ich ganz alleine mit Dir, mein Geliebter; die liebe Mutter ist ausgegangen und die Kinder sind in ihrem Zimmer; wie gerne benütze ich das ruhige Stündchen, um mit Dir recht nach Herz und Lust zu plaudern, denn ich sehne mich nach Dir, und hoffe, Deine Gegenwart lebhafter zu empfinden, wenn ich Dir mit Worten sage, daß ich Dein bin und Du, mein theurer Karl, mein.
Denke Dir, ich glaube das, das Mendelssohnsche Lied aufgefunden zu haben, Luise Schwarz hat das fünfte Heft der Lieder ohne Worte, und kennt eines derselben unter dem Namen: Frühlingslied; sie wird so freundlich sein, es mir zuzuschicken, und ich werde Dir dann den Anfang desselben abschreiben, um recht gewiß zu sein. Wie werde ich mich freuen, wenn es wirklich das ist, das Du in der Erinnerung hast. –
Diese Nacht träumte mir so lebhaft von Dir, wie sich überhaupt jetzt Dein Bild immer in meine Träume verwebt; wir gingen auf der Straße miteinander und plötzlich umarmtest Du mich und drücktest mich fest an Dich; ach, es war mir wieder so wohl und traulich; doch erinnerte ich Dich an unsre guten Vorsätze und Prinzipien, und ehe ich mirs versah, war Alles verschwunden und ich ganz allein mit meiner Sehnsucht, die manchmal aller guten Vorsätze spottet.
Ich bin so froh, Dich wieder glücklich und wohl in Rostock zu wissen und danke Gott, daß die Heimreise nicht so sehr kalt war. – Wie freue ich mich, einst mit Dir alle die lieben Familien, von welchen Du mir schreibst, kennen zu lernen; Sie werden mich freundlich aufnehmen um Deinetwillen, mein Geliebter, und Deine bestimmte kleine Frau wird lernen, eine Hauptperson zu sein.
Ich habe jetzt das Mendelssohn’sche Lied in Händen und mehrere Male durchgespielt; so wenig man eigentlich über Mendelssohn’sche Compositionen urtheilen kann, ehe sie studirt und die feinern Schönheiten aufgefunden sind, so glaube ich doch, daß das das von Dir gewünschte Lied ist. Ich finde es außerordentlich zart, es ist oft als wenn man das Rauschen der Bäume im Wald und das leise Gezwitscher der Vögele hörte; ich werde es mit Liebe und Fleiß studieren, und freue mich, es Dir, mein Liebster, vorzuspielen, nur mußt Du mir versprechen, nicht die Erinnerung an Deine Freundin Thöl als Maßstab anzulegen. Es fängt so an:
Du wirst erschrecken vor diesen schrecklichen Figuren; vielleicht kannst Du aber doch so viel enträthseln, um mir zu sagen, ob das der rechte Anfang ist. Gute Nacht, mein Liebster.
So eben, mein theurer Geliebter, erhielt ich Deinen lieben Brief2, der mich doppelt freute, da ich ihn bei den Schneemassen, die sich zwischen uns aufgethürmt haben und der großen Wahrscheinlichkeit einer unterbrochenen Communication nicht erwartet habe. – Leider sind aber die Nachrichten, die er enthält, die er mir von Dir, mein Liebster, bringt, nicht so, wie ich sie gewünscht und gehofft habe. Wie bedaure ich Dein Unwohlsein und die damit so nothwendig verbundene Gefangenschaft – und ich wußte Nichts davon, obwohl es mir in diesem Fall noch schwerer geworden wäre, nicht zu Dir eilen, Dich nicht erheitern und zerstreuen zu können. Recht zuversichtlich hoffe ich jetzt, daß es Dir wieder ganz gut geht, nur möchte ich Dich bitten, mein theurer Karl, bei diesem kalten und schneeigen Wetter, ich setze den Fall, daß es bei Euch, wie bei uns ist, so wenig als möglich auszugehen; denn wir haben seit gestern eine plötzliche Kälte von 24 Grad bei 4 Fuß hohem Schnee, so daß ich mich immer in Gedanken freute, Dich nicht auf der Reise zu wissen. – Auch was Du mir über die Aussichten zur Wahl schreibst, war mir nicht erfreulich, da es doch auch Deinen Wünschen in keiner Hinsicht entspricht. Ganz abgesehen von unsern persönlichen Interessen und Hoffnungen, sagtest Du mir und sprichst es jetzt wieder aus, daß Dir eine Wahl nach Erfurt nicht wünschenswerth sei, und doch scheint es Dir jetzt ziemlich nahe zu stehen, dorthin gewählt zu werden.3 Ich bin sehr gespannt auf die Entscheidung, bitte, schreibe mir doch immer von Deinen Aussichten in dieser Hinsicht, daß ich mit Dir hoffen oder fürchten kann. Könnte ich Dich nach Erfurt begleiten, so wäre es mir wohl die höchste Freude, Dich zu zerstreuen und aufzuheitern, wenn Dich Deine dortige Wirksamkeit nicht befriedigt, so aber ist mir auch das nicht vergönnt, und es bleibt uns Nichts übrig, als geduldig zu warten, was die nächste Zukunft bringt, und vielleicht dann eine Probe der Selbstverläugnung abzulegen. – Wie dank‘ ich Dir, mein bester Karl, daß Du Dich durch diese ungünstigen Aussichten nicht abhalten läßt, Schritte für die Verwirklichung unsrer speciellen Wünsche zu thun, und so geschickt unsre persönlichen Interessen mit den politischen verbindest, wie bei der Reise nach Güstrow z. B. Deine Meinung der Möbel wegen habe ich meiner lieben Mutter mitgetheilt, und will Dir jetzt unsre Ansichten darüber sagen. Zu der Einrichtung im Wohnzimmer bleibt mir gar Nichts zu erinnern, die Wahl des Überzuges überlasse ich Dir, wie ich überhaupt unbeschränktes Vertrauen auf Deinen Geschmack setze. Man hat allerdings bei uns sehr häufig Plüsch, was vortheilhaft ist durch große Dauerhaftigkeit, aber auch sehr theuer im Einkauf, und ich zweifle nicht, daß um bedeutend billigeren Preis auch ein hübscher Überzug von Wollenstoff zu bekommen ist. In Bezug auf die Farbe würde sich vielleicht ein hübsches Braun gut in das blaue Zimmer passen; übrigens, mein Liebster, meine ich, hast Du viel weniger Mühe damit, wenn Du die Besorgung der hübschen Möbeln anstehen ließest, bis wir zusammen nach Berlin komen; so viel ich mir erinnre, wurde auch das zwischen uns ausgemacht, und Du äußertest damals, daß Du es für besser fändest, Mehreres in Berlin zu nehmen, da doch Manches dort genommen werden muß, und es dann in einem Transport ginge. Fandest Du vielleicht die Preise so bedeutend billiger in Güstrow, daß Du Deinen Plan geändert hast? Ist das nicht der Fall und sind wirklich immer so viel Möbeln augenblicklich in Berlin zu haben, so meine ich, Du, mein theurer Geliebter, beschränkst Dich jetzt nur auf die Bestellung der weniger eleganten Möbeln in Dobberan wie z. B. ein großer Schrank mit zwei Thüren für Weißzeug, ein Kleiderschrank für mich, einen kleinen Schrank für das Mädchen, halb zum Legen der Wäsche und halb zum Hängen der Kleider eingerichtet, ein Tischchen, ein paar Stühle und die Bettstelle für das Mädchen. Wegen der 3 andern Bettstellen hat sich die Mutter an die liebe Mutter in Berlin gewandt, da sie so gut sein will, die Besorgung der Matrazen zu übernehmen, so ist es jedenfalls besser, am selben Ort die Bettstellen zu besorgen, weil es sonst nie so sicher ist, daß die Maße passen; übrigens fragte ich die Mutter doch des Maßes wegen, sie hat die Bettstellen außen gemessen, so daß also das genaue Maß der Matrazen wohl etwas geringer sein dürfte.
Noch auf Eines wollte ich Dich aufmerksam machen; bitte trage doch dem Hausherrn auf, daß er für die Kücheneinrichtung sorgt, d. h. ein Schränkchen zum Aufbewahren der Geschirre und einen Tisch zum Abstellen der Sachen, beides natürlich befestigt und deßhalb zur Wohnung gehörig, doch ist das vielleicht schon ohnehin da. Wegen der beweglichen Kücheneinrichtung bittet Dich die Mutter, ihr Eine Deiner Freundinnen anzugeben, mit der sie sich deßhalb in Correspondnez setzen könnte und die die Güte haben würde, das zu besorgen, was hier nicht gekauft werden kann.
Was Deine Frage wegen einer Chiffonière betrifft, so glaube ich ganz gut, ohne Commode ausreichen zu können, indem in einem solchen Schrank viel mehr unterzubringen ist als in einigen Schubladen einer Commode. Vielleicht ließe sich auch unter dem Spiegel anstatt eines Spiegeltischchens ein Schränkchen mit Fächern anbringen, wie wir welche haben, wenn Du Dir erinnerst, es war ein solches in Deinem Zimmer unter dem Spiegel. Was ein Sopha in das Gastzimmer betrifft, so wäre es allerdings recht nett und heimlich, wenn es sich machen ließe ein drittes anzukaufen; ich würde dann für eine Causeuse stimmen, meinst Du nicht? Doch das hat Alles Zeit, bis wir selbst nach Berlin kommen, wenn Du damit einverstanden bist, die eleganteren Meublen dort zu kaufen. Deinen Kleiderschrank könntest Du Dir vielleicht mit dem meinigen in Dobberan bestellen, daß die beiden gleich sind, was doch immer hübsch ist, denn wenn sie jetzt auch nicht beisammen stehen, (ich denke den Weißzeugschrank und Kleiderschrank in das kleine Zimmerchen neben dem Schlafzimmer zu stellen) so kann sich das doch leicht in einer andern Wohnung treffen, wo dann die Ungleichheit unangenehm auffallen würde. Wegen eines Ausziehtisches fragte ich meine Mutter, welche Art sie für die beste hält. Sie meinte am zweckmäßigsten und hübschesten wären die runden Tische, die durch eingelegte Bretter vergrößert werden. Die Platte ist freilich nicht schön, da sie immer in der Mitte einen Einschnitt hat, und es wäre dann gar nicht nöthig, eine schön polirte Platte zu nehmen, sondern lieber eine mit Wachstuch bezogene Tischpatte, worauf wir dann auch gewöhnlich essen könnten; das Gestell kann doch hübsch sein, und wenn der Tisch mit einem Teppich bedeckt ist, ist es immer ein ganz anständiges Meubel; diesen Tisch würdest Du vielleicht auch in Dobberan bestellen; oder kennt Ihr eine andre praktische Art von Ausziehtisch, die doch auch gut in einem kleinen Zimmer stehen kann?
Doch jetzt, mein Liebster, genug der Prosa, wenn sie auch nothwendig ist. Wir denken auch jetzt ernstlich an Alles, was besorgt werden muß; und wir beide, meine Mama und ich, haben oft die kürzlich stattgehabte Messe besucht, um Verschiedenes einzukaufen; so denke ich, werden wir nicht durch so kleinliche Dinge aufgehalten sein, an das Ziel unsrer Wünsche zu gelangen, und der wonnige Maimonat soll uns bereit finden, den Frühling unsres Lebens zu beginnen, wenn anders die politischen Verhältnisse nicht störend einwirken. – Nun mein liebster Karl, muß ich
Dir Lebewohl sagen, da es schon spät ist und ich auf morgen mir kein ruhiges Stündchen versprechen kann. Schreibe mir doch ja in Deinem nächsten Briefe, wie es Dir geht; ich erwarte mit Sehnsucht beruhigende Nachrichten. Mit meinem Husten geht es wieder ganz gut; es war gar nicht von Bedeutung.Der theuren Mutter und Friederike werde ich nächstens schreiben, ich habe es schon lange vor, aber es blieb bis jetzt beim guten Willen. Wie sehr wünsche ich, daß Manuel eine passende Wohnung findet, in der auch die liebe Mutter wohnen könnte; es wäre doch jedenfalls eine große Beruhigung. Leb wohl, mein liebster Theuerster; Gott gebe bald eine günstige Entscheidung wegen Erfurt, ich bin unendlich gespannt.