Meine theuerste Liebe! Auf Freud‘ folgt Leid. Heute morgen wurde ich hier durch die Trauerbotschaft aus Berlin überrascht, welche auch Dir bereits von dorther kund geworden sein wird.1 Schon gestern habe ich meine Ankunft bei der lieben Mutter angemeldet und freute mich auf ein frohes Wiedersehen, da ich noch voll Glück war über die letzten guten Nachrichten, die ich Dir mitgetheilt. Diesen Schlag hatte ich am wenigsten erwartet. So ist denn dieses frische und frohe Kindesleben in der rosigsten Blüthe von dem unerbittlichen Todt dahingerafft worden, die Freude und Hoffnung der liebenden Eltern gebrochen. Die liebe Mutter und Manuel haben mir rührende Briefe geschrieben, die mich tief ergriffen. Mit aufrichtiger Frömmigkeit suchen und finden sie Trost bei der Güte unsres allmächtigen Vaters im Himmel, dessen Wege nicht immer die unsrigen sind, dessen Thun aber das vollkommene ist. Mehr als Alles mahnt uns ein solcher Fall, meine innig Geliebte, unser Glück nur in die Hand Gottes zu legen und von ihm zu empfangen, und uns vorzubereiten auf die Schmerzen des Lebens, die auch uns in der Zukunft nicht werden erspart bleiben. Gewiß werden aber auch Manuel und Friederike erfahren, daß ein so tiefer Schmerz, gemeinsam getragen, zugleich ein tieferer Grund für ihre Liebe wird. Ich eile zu ihnen und reise heute Abend von hier an, um morgen früh in Berlin einzutreffen. Auch die Besserung der lieben Mutter scheint nur eine vorübergehende Täuschung gewesen zu sein; sie schreibt, daß das Bein wieder länger geworden und allem Anschein nach aus dem Gelenk ausgetreten sei. So ist auch hier die Hoffnung sehr in die Ferne gerückt! Mit doppelter Trauer im Herzen, das Dich liebt, verlasse ich Erfurt.
Die Sitzungen wurden gestern Montag Nachmittags geschlossen, doch die Wiedereinberufung des Parlaments vorbehalten. Ohne von dem Unglück, das die Meinigen und mich betroffen, etwas zu ahnen, habe ich in den letzten Tagen weniger in Geschäften und Arbeiten als in geräuschvoller Festlichkeit verlebt. Am Sonntag machten wir die Ausfahrt nach Eisenach, bestiegen die Wartburg, speisten in Reinhardtsbrunn, einem lieblichen Aufenthaltsort mitten im Grün der Wiesenthäler und Bergwaldungen, und fuhren über Gotha zurück. Gestern war dann noch ein Abschiedsmahl in einem hiesigen Garten, wo Häusser aus Heidelberg ein Faß Wein zum Besten gab. Mit Kummer denke ich jetzt daran, daß ich in Lust und Freuden die Tage zubrachte, in denen die Meinigen in Berlin die Nächte in Angst und Sorge durchwachten, bis endlich die letzte Befürchtung zur schrecklichen Wirklichkeit wurde. Heute wird das liebe Engelskind zur Erde bestattet; ich sehe noch das Lächeln der Unschuld auf seinen rosigen Wangen. – Von Berlin aus schreibe ich Dir weiter, meine theuerste Geliebte, wie ich die Meinigen dort angetroffen, und erwarte dort von Dir einen Brief.
Heute morgen habe ich Deinen lieben Brief2 empfangen, mein theuerstes Susettchen! Als Du ihn schriebst, wußtest Du noch nichts von der Trauer, welche uns hier umfängt. –
Ich traf gestern früh hier ein. Wir weinten bittere Thränen zusammen. Meiner lieben Mutter war das liebe Kind ganz besonders ans Herz gewachsen, und so groß ihre Freude an ihm gewesen, so groß ist nun auch ihr Leid. Manuel und Friederike tragen ihren schweren Kummer in herrlicher Fassung. Am Tage vor meiner Ankunft, an demselben Tage, da ich die Nachricht unsres unersetzlichen Verlustes in Erfurt erhielt, hatten sie das süße Kindchen zur Erde bestattet. Es soll auch im Tode noch überaus lieblich ausgesehen haben; nur daß an die Stelle der Rosen auf seinen Wangen die kalte Marmorblässe, die den lächelnden Ausdruck in einen ungewöhnlichen Ernst verwandelte, getreten war. Die liebe Mutter, der es vergönnt wurde, das Kind noch am Tage vor seinem Tode auf ein paar Stunden zu sehen, hat es wiederum nach dem Tode gesehen, und der schöne Anblick desselben hat den Schmerz nicht aufgeregt, sondern beruhigt. Affinger hat das Köpfchen in Gyps abgeformt und wird es danach modelliren. Alle, die das liebe Kind gekannt, sagen, daß sie kaum ein lieblicheres gesehen, und Viele theilen mit uns die Trauer um seinen Verlust.
Das Leiden meiner lieben Mutter ist nicht gerade schlimmer geworden, obwohl der Fuß sich etwas ausgedehnt hat und sie denselben deshalb nur wenig gebrauchen darf. Es scheint leider gewiß, daß das Bein aus dem Hüftgelenk herausgetreten ist, und bedarf es nun einer langen Zeit, bis es sich wieder in einer anderen Lage befestigt hat. Dazu ist fortgesetzte Schonung und Geduld nöthig, Wäre der lieben Mutter auf ihrem Krankenlager nur der neue tiefere Schmerz, der ihr so sehr ans Herz greift, erspart geblieben! Gerne wollte sie für sich auf den liebsten Wunsch ihres Herzens verzichten, die geliebten Geschwister in Nürnberg wiederzusehen und bei unserer Trauung zugegen zu sein, wenn sie es dadurch möglich machen konnte, daß Friederikchen dort ihre Stelle verträte. Davon ist nun nicht mehr die Rede, denn Friederike kann ihre Gustli3 nicht mehr bringen, und auch ihr jüngster kleiner Sohn macht ihr Sorge: doch hoffe ich noch, daß Manuel mich begleiten wird; und ich wünsche es besonders auch seinetwegen, da ihm eine Erholung sehr nöthig ist. –
Was unsern Hochzeitstag betrifft, geliebtes Susettchen, so kann ich nicht umhin, trotz der entgegenstehenden Gründe, aufs neue den dringenden Wunsch auszusprechen, daß wir den Pfingstmontag, den 20. Mai festhalten möchten. Je länger wir den Termin hinausschieben, desto mehr Zeit geht mir vor demselben verloren und desto mehr wird mir die Zeit nachher, wo wir sie gern noch übrig hätten, verkürzt. Allerdings gehe ich nun nach Rostock zurück, und mit Recht bemerkt Deine liebe Mutter, daß ich dort noch Manches vorbereiten und ordnen kann zu Deinem Empfang. Aus diesem Grunde thue ich es gerne. Allein mein eigener Haushalt ist in der neuen Wohnung so wenig eingerichtet, daß ich kaum drin wohnen kann, und es fehlt mir selbst an der nöthigsten Aufwartung, da kein Mädchen im Hause ist, um mich zu bedienen. Indessen werde ich mich so gut, wie möglich, einzurichten suchen, und wenn es in der eignen Wohnung nicht sein kann, so lange bei einem Freunde bleiben. So würde ich dort 8 bis 10 Tagen bleiben und alles im Hause besorgen, so weit es vorläufig geschehen kann. Doch das für uns gemiethete Mädchen kann ich nicht kommen lassen, weil ich sie erstens nicht unterzubringen wüßte, da ich kein Bette für sie habe, zweitens auch noch mit der Beköstigung, ich weiß nicht wie, für sie sorgen müßte, endlich drittens sie nachher wieder zu Hause reisen lassen müßte, da sie in Rostock nicht bleiben kann. Ich selbst hätte weder die ungestörte Muße, noch die nöthige Bequemlichkeit und Lust, mich mit einer ernstlichen Arbeit zu beschäftigen, muß also meine Zeit, in so weit sie nicht durch jene Besorgungen in Anspruch genommen wird (und das wird bald abgemacht sein), nie verlieren, und wenn der Termin unserer Verbindung, also auch meiner Abreise von Rostock, noch um weitere 8 Tage verschoben wird, so muß ich auch diese 8 Tage noch so unnütz verliegen, wenn ich nicht etwa vorziehe, dies in Berlin zu thun, wo ich mich wenigstens in einem bequemeren Zustande und überdies bei den Meinigen befinde. Es kommt aber noch hinzu, daß, wenn ich so auch die Pfingstwoche noch verliere durch die Hinausschiebung des Hochzeitstages, nachher um so weniger Zeit für uns zum Aufenthalt in Nürnberg und zur weiteren Reise übrig bleibt. Ich würde nachher in Zeit einbringen müssen, was ich vorher verloren habe, nur wenige Tage in Nürnberg bleiben können, auch die Reise um ein paar Tage verkürzen, um nur für Berlin die nöthige Zeit für unsere Anschaffungen und für den Transport der Sachen zu gewinnen. Wäre also der Hochzeittag am 20. Mai, wie wir verabredet hatten, so hätte ich übrige Zeit in Rostock, um dort das Wenige herzurichten, was schon gemacht werden kann, hätte noch Zeit genug, um Manuel in Berlin abzuholen, zwei Tage vor der Hochzeit anzukommen, würde 8 Tage, etwa bis zum 27., in Nürnberg bleiben und Mitte Juni ungefähr in Rostock ankommen, womit von Pfingsten an die 4 Wochen Urlaub, die ich nehmen will, verstrichen wären. Wenn die liebe Mutter glaubt, daß die schon zu Pfingsten eintreffenden Hochzeitgäste sie noch in den nöthigen Vorbereitungen stören würden, so meine ich, daß man sich um dieselben vor der Hochzeit nicht weiter zu bekümmern brauchte, und daß … Gäste … discret genug sein würden, wenn man ihnen deshalb eine Andeutung … nicht hinderlich zu werden. Ich verstehe nichts von der Art der Vorbereitungen: so … das liebe Essen und Trinken betreffen, wünschte ich sie möglichst kurz; beziehen sie sich … auf die Ausstattung, so wünschte ich, daß Ihr mit der Näherei gar nichts weiter zu thun hättet und Alles vollends noch durch fremde Hände machen ließet, und würde ich mit dem größten Vergnügen alle Mehrkosten auf meinen Theil an der Ausstattung übernehmen. Denn freilich das würde ich am wenigsten wünschen, daß Ihr, die liebe Mutter und Du, Euch übermäßige Anstrengungen auferlegtet, daß Du mir, wie Meiers Helena, hinterher an einem lahm genähten Finger krank danieder lägest, um Himmels willen, eher alles Andere als das, und wenn es um den Preis solcher Anstrengung sein müßte, dann will ich gar nichts gesagt haben, will lieber noch vorher nach London oder Paris reisen, um Euch alle bequeme Zeit zu lassen, die Ausstattung bis auf den letzten Stich fertig zu machen.
Meine liebe Mutter will auch noch ein paar Worte hinzufügen.4 Gieb mir die Antwort, mein süßes Susettchen, nach Rostock. Wenn’s nicht nach meinem Wunsche geht, so geht’s halt nicht, und werde ich nachher kein Wort mehr drüber sagen. Bist Du erst mein, mein herzlichster Schatz, so werde ich keine Zeit mehr verlieren, daß die Wiedereinberufung des Parlaments mir nicht wieder in die Quere kommt, ist auch zu berücksichtigen. – Grüße die lieben Eltern und Geschwister herzlichst; ich danke der theuren Mutter für ihre lieben Zeilen.5
Morgen gehe ich nach Schwerin und bleibe dort über den Sonntag. Bis zum Mittwoch, Donnerstag kann ich dort Nachricht von Dir haben. Leb‘ wohl mein süßes Herz!