Hoffentlich haben Sie die Geschichts- und Alterthumsforscher und sodann den Wohnungswechsel glücklich überstanden. Der October hat uns nach Kälte und Schnee (in München, als ich bei der Commission war2, schneite es zwei Tage) ja auch noch um einen freundlichen Herbst gebracht. Unseren Commissionsbericht, von Giesebrecht verfaßt, werden Sie in der Beilage der Allgemeinen Zeitung vom letzten Sonnabend3 gesehen haben. Die Chroniken nahmen mich von vielen Seiten zugleich in Anspruch, so daß ich auch mit den Straßburgern nicht so rasch, wie ich wünschte, voran komme. Indessen wäre es mir lieb, wenn ich meinen Closener4 bald wieder haben könnte. Sollten Sie jetzt nicht mit ihm fertig werden, so kann ich ihn später noch einmal schicken. Freilich nicht unbedeutend ist der Gewinn aus der Vergleichung und Berichtigung nach dem Original. Ihr Bedenken wegen ½ bei den Zahlen, wo die Schlinge im / auch nur graphischer Natur sein könne, ist mir gleichfalls aufgestoßen und will ich mir eine Anzahl angemerkter Stellen bei Königshofen auch noch einmal im Codex darauf ansehen. Die 33½ Tage bei den Geißelern5| finden sich aber auch sonst und sind an sich das Richtigere. Was die Schreibung des Umlauts bei u angeht, so wäre ich jetzt sehr dafür, sie ebenso anzugeben, wie Sie in Königshofen gethan, mit Doppelstrich – davon eine Unterscheidung zwischen ú und ü6 würde sich kaum durchführen lassen und wäre wohl allzu tüftelich.
Ich war überrascht zu hören, daß Sie jetzt ein mittelhochdeutsches Handwörterbuch für Hirzel ausarbeiten. Das ist gewiß eine große und schwierige, aber auch sehr verdienstliche Arbeit. Mich wundert, daß Hirzel selbst sich nicht scheut, seinem Müller und Zarncke in dieser Weise Concurrenz zu machen. Mit der Bearbeitung von Schmeller’s Wörterbuch nimmt es nun, nach dem uns darüber Mitgetheilten, auch einen guten Fortgang: sie ist weit schwieriger als man sich vorstellte.
Möge es Ihnen und der lieben Ihrigen fortdauernd wohl gehen!
Wackernagel war in München für mich fast nur in den Commissionssitzungen sichtbar; er zieht sich auffallend zurück, beweist sich aber bei den Arbeiten, wo er kann, nützlich.
Freundschaftlich der Ihrige Carl Hegel.
1In dem folgenden Brief geht es vornehmlich um die von Karl Hegel (1813-1901) im Auftrag der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München geleitete Edition der „Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“, hier vornehmlich um die projektierte Herausgabe der Straßburger Chroniken, die 1870 und 1871 als Bände 8 und 9 der Gesamtreihe erschienen; vgl. dazu und in dieses Unternehmen einführend Kreis, Geschichtswissenschaftliche Bedeutung, S. 165 ff., insbesondere zur Erarbeitung der Straßburger Chroniken-Bände auch S. 263 ff. 2Im Jahr 1867 fand die Plenarversammlung der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, nachdem sie wegen des Deutsch-Deutschen-Krieges 1866 ausgefallen war, wieder regulär vom 2. bis 7. Oktober in München statt; vgl. dazu Neuhaus, 150 Jahre Historische Kommission, S. 21.326. Oktober 1867; der genannte Bericht der Münchner Historischen Kommission findet sich in der „Beilage zur Allgemeinen Zeitung“ zur Ausgabe Nr. 299 von „Sonnabend, 26. October 1867“ gleich auf der Titelseite, Sp. 1 f., vgl. dazu https://digipress.digitale-sammlungen.de/view/bsb10504712_00401_u001/1 . 4Dies bezieht sich auf das Handexemplar Karl Hegels dieser Chronik; vgl. dazu hier auch Brief 18670702_01. 5Zur entsprechenden Stelle in der Hegelschen Edition vgl. Die Chroniken der deutschen Städte, Bd. 9, Straßburg, Bd. 2, Leipzig 1871, S. 767.6Zwei Stiche (´´) über dem „u“, weniger Punkte.
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Lexer, MatthiasMatthias Lexer11905732818301892Lexer, Matthias (1830–1892), in Kärnten geborener Privat- und Gymnasiallehrer, Sprachwissenschaftler und Lexikograph, der 1861 wissenschaftlicher Mitarbeiter Karl Hegels am Editionsunternehmen „Die Chroniken der deutschen Städte“ der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften wurde und ihm auch nach seinem Ausscheiden verbunden blieb. 1863 wurde er außerordentlicher, 1866 ordentlicher Professor für Deutsche Philologie an der Universität Freiburg im Breisgau und war von 1868 bis 1890 Ordinarius an der Universität Würzburg. Im Jahre 1891 folgte er einem Ruf an die Universität München, verstarb aber ein Jahr später.
Erlangen49.5928616,11.0056Mittelfränkische Universitätsstadt, etwa 20 Kilometer nördlich von Nürnberg gelegen, seit 1810 Stadt und Universität des Königreichs Bayern.
Bayerische Staatsbibliothek (BSB), München
: Döllingeriana II.
BSB München1000
Kreis
, Marion: Karl Hegel. Geschichtswissenschaftliche Bedeutung und wissenschaftsgeschichtlicher Standort (= Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 84), Göttingen, Bristol, CT, USA 2012.
Kreis
, Geschichtswissenschaftliche Bedeutung
2012
Neuhaus
, Helmut: 150 Jahre Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Eine Chronik, München 2008.
Neuhaus
, 150 Jahre Historische Kommission
2008
Die Chroniken der deutschen Städte
vom 14. bis in’s 16. Jahrhundert, hg. durch die Historische Commission bei der Königl. Academie der Wissenschaften von Karl
Hegel
, Bd. 9, Die Chroniken der oberrheinischen Städte. Straßburg, bearb. von Karl
Hegel
, Bd. 2, Leipzig 1871. (https://dlibra.bibliotekaelblaska.pl/dlibra/publication/59556/edition/55556 )
Chroniken der deutschen Städte
, Bd. 9, Straßburg, Bd. 2
1871
Giesebrecht, Wilhelm FriedrichWilhelm Giesebrecht
HiKo
11871736718141889Giesebrecht, Wilhelm Friedrich (1814–1889), in Berlin geborener Historiker, der 1851 außerordentlicher Professor der Geschichte an der Universität Königsberg wurde, von 1857 bis 1861 dort Ordinarius und anschließend bis 1889 an der Universität München war. Im Jahre 1858 wurde er Gründungsmitglied der Historischen Kommission bei der bayerischen Akademie der Wissenschaften und von 1862 bis 1889 deren Sekretär. Im Jahre 1875 wurde er Mitglied der neugeschaffenenen Zentraldirektion der MGH in Berlin und wurde Mitglied des Verwaltungsrates und Gelehrtenausschusses des GNM in Nürnberg.
Königshofen, Jakob (Jacob) Twinger11915235513461420 Königshofen, Jakob (Jacob) Twinger, oder Jakob von Köngishofen (1346–1420), Geschichtsschreiber von Straßburg und als Priester ordinirt seit 1382, Kapitelherr von St. Thomas in Straßburg seit 1395; er verfasste eine Chronik von Straßburg, die Karl Hegel (1813–1901) im Rahmen seines monumentalen Editionswerks der Städtechroniken im Auftrag der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München herausgab. Siehe auch: Twinger von Königshofen, Jakob.
Hirzel, Salomon11909851218041877Hirzel, Salomon (1804–1877), in Zürich geborener Verleger aus Schweizer Kaufmanns- und Gelehrtenfamilie, der zusammen mit seinem Schwager Karl August Reimer (1801–1858) im Jahre 1830 die seit 1680 bestehende Weidmann‘sche Buchhandlung in Leipzig übernahm. 1853 gründete er in Leipzig den S. Hirzel Verlag, in dem die von Karl Hegel (1813–1901) im Auftrag der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften edierten „Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“ erschienen.
Müller, Wilhelm Konrad Hermann11955535218121890Müller, Wilhelm (Konrad Hermann) (1812–1890), war ein Germanist und Philologe und Mitherausgeber des vierbändigen „Mittelhochdeutschen Wörterbuchs“, das zwischen 1854 und 1861 im Hirzel-Verlag in Leipzig erschien und noch heute mit einem zu Beginn der 1990er Jahre hinzugefügten Index-Band als fünftem Band verlegt wird.
Zarnke (Zarncke), Friedrich Karl TheodorFriedrich Zarncke11913702X18251891Zarnke (Zarncke), Friedrich Karl Theodor (1825–1891), aus Mecklenburg stammender Germanist, der ab 1844 an den Universitäten Rostock, Leipzig und Berlin studierte, 1854 an der Universität Leipzig außerordentlicher, 1858 ordentlicher Professor für deutsche Sprache und Literatur wurde. Er war Mitherausgeber des vierbändigen „Mittelhochdeutschen Wörterbuchs“, das zwischen 1854 und 1861 im Hirzel-Verlag in Leipzig erschien und noch heute mit einem zu Beginn der 1990er Jahre hinzugefügten Index-Band als fünftem Band verlegt wird. In Leipzig war er mehrmals Rektor und begründete im Jahre 1850 in Leipzig die Rezensionszeitschrift „Literarische[s] Centralblatt für Deutschland“.
Schmeller, Johann AndreasJohann Andreas Schmeller11860853317851852Schmeller, Johann Andreas (1785–1852), war Mundartforscher, Germanist und Bibliothekar in München und gilt als Begründer der modernen Mundartforschung in Deutschland. Er war überdies seit 1823 außerordentliches, seit 1829 ordentliches Mitglied der Königlichen Akademie der Wissenschaften und trat insbesondere mit seinem vierbändigen „Bayrischen Wörterbuch“ hervor.
Wackernagel, WilhelmWilhelm Wackernagel
HiKo
11708651718061869Wackernagel, Wilhelm (1806–1869), in Berlin geborener deutscher Schriftsteller, Germanist, Historiker und Philologe, der nach seinem Studium von 1824 bis 1827 an der Berliner Universität im Jahre 1833 Professor an der Universität Basel und 1835 dort ordentlicher Professor für deutsche Sprache und Literatur wurde. Im Jahre 1863 wurde er ordentliches Mitglied der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.
München48.1371079,11.5753822Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Bayern an der Isar in Oberbayern.
Allgemeine ZeitungAuf den Tübinger Verleger Johann Friedrich Cotta (1764-1832) zurückgehende Tageszeitung, die mit Verlegung des Erscheinungsortes nach Stuttgart im Jahre 1798 als „Allgemeine Zeitung“ firmierte, von 1807 bis 1882 in Augsburg als „Augsburger Allgemeine Zeitung“ erschien und zu den bedeutendsten deutschsprachigen Tageszeitungen ihrer Zeit gehörte. Von 1882 bis 1925 wurde sie in München verlegt.
SonnabendSynonym für: Samstag.
Chronik(en), Chroniken der deutschen Städte (Städtechroniken), chronikalische DenkmälerEdition „Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“, von 1862 bis 1899 hrsg. von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften durch Karl Hegel (1813-1901); auch allgemein: auf die Antike zurückgehende geschichtliche Darstellung, in der die Ereignisse in zeitlich genauer Reihenfolge, dabei aber, im Gegensatz zu den formal strengeren Annalen, in größeren Zeitabschnitten aufgezeichnet werden, auch im Sinne von: Lebensläufen.
Stadtchroniken, Städtechroniken, auch: ChronikenIm Rahmen von Stadtgeschichtsschreibung und -forschung geschriebene, teilweise auch edierte Chroniken von Städten. Karl Hegel (1813-1901) gab im Rahmen seiner Leitung des umfangreichen wissenschaftlichen Editionsunternehmens für die Münchener Historische Kommission „Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“ – angefangen mit seiner Geburtsstadt Nürnberg – solche Städtechroniken heraus.
Straßburger, StraßburgischZu Straßburg gehörend, auf Straßburg bezogen, Straßburg zuzuordnen.
Fritsche Closener (Chronik)Fritsche Closener (erwähnt 1349, † vor 1373) war ein Straßburger Chronist und katholischer Geistlicher, als dessen wichtigstes Werk seine deutschsprachige Straßburger Chronik angesehen wird, in der die bischöfliche und Stadtgeschichte Straßburgs mit der Welt- und Reichsgeschichte verknüpft dargestellt wird. Die Chronik wurde von Karl Hegel (1813-1901) im Rahmen des von ihm geleiteten Edition-Unternehmens der „Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“ im Auftrag der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München 1870 im ersten Straßburger Band, zugleich Band 8 der Gesamtreihe, veröffentlicht; überdies verfasste Karl Hegel in der ADB einen Artikel über Closener, vgl. DB .
HandexemplarBibliothekswissenschaftlicher Begriff zur Bezeichnung eines zum persönlichen Gebrauch bzw. zum Handgebrauch eines Autors, einer Autorin zur Verfügung stehendes Exemplar eines Buches oder anderweitigen Druckwerks (z. B. Noten) von eigenen Publikationen oder von anderen.
Original(e), Originalhandschrift(en); OriginalienUrsprüngliche handschriftliche Quelle(n); Originalschriften; Originalwerk (z. B. literarisches Werk etc.).
Königshofen's ChronikDer Straßburger Historiograph, Priester, Kanoniker an St. Thomas in Straßburg, Historiker und Chronist Jakob Twinger bzw. Jakob von Königshofen (1346-1420) verfasste eine umfangreiche Chronik von Straßburg in deutscher Sprache, die er zunächst durch eine lateinische Materialsammlung vorbereitet hatte. Diese Chronik hatte Karl Hegel in seiner Editionsreihe, die er für die Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München herausgab, selbst bearbeitet und veröffentlicht. Karl Hegel (1813-1901) veröffentlichte zu diesem Chronisten und seiner Chronik auch einen Artikel in der Deutschen Biographie, vgl. dazu: DB , sowie
Chroniken der deutschen Städte, Bd. 8, Straßburg, Bd.1,
und
Chroniken der deutschen Städte, Bd. 9, Straßburg, Bd. 2.
Codex, CodicesKodex, aus dem Lateinischen stammend, Plural Codices, in Bezug auf das Mittelalter bezogen auf eine Sammlung von Handschrift(en), welche zwischen Holzdeckeln zu einer Art Buch zusammengefügt sind; im übertragenen Sinne auch Bezeichnung für eine Sammlung geschriebener oder auch ungeschriebener Verhaltensregeln innerhalb einer Gesellschaft, Menschengruppe, eines Standes etc.
Geißeler, auch: GeislerGeißler oder Flagellanten (aus dem Lateinischen von: „flagellum“ für Geißel oder Peitsche) waren Menschen, die sich im Rahmen ihrer religiösen Praktiken öffentlich geißelten bzw. auspeitschten, um so Buße zu tun, sich mit Gott wieder zu versöhnen und sich von begangenen Sünden zu reinigen; die gewöhnliche Dauer dieser Geißelungen waren 33 ½ Tage. Diese religiöse Laienbewegung des 13./14. Jahrhunderts kam zunächst in Italien auf und verbreitete sich auch nördlich der Alpen so z. B. nach Kärnten, in die Steiermark, u. a. auch nach Bayern, Franken, Schwaben und bis nach Straßburg.
Hirzel-Verlag, Hirzelsche VerlagsbuchhandlungIm Jahre 1853 von Samuel Hirzel (1804-1877) in Leipzig gegründeter Verlag, der 1877 von seinem Sohn Heinrich Hirzel (1836-1894) und 1894 von seinem Enkel Georg Hirzel (1867-1924) übernommen wurde.
Müller und ZarnckeMit Benutzung des Nachlasses des Philologen Georg Friedrich Benecke (1762-1844) ausgearbeitetes „Mittelhochdeutsches Wörterbuch“, das von dem deutschen Philologen Wilhelm Konrad Hermann Müller (1812-1890) und dem Germanisten Friedrich Zarncke (1825-1891) erarbeitet und im Leipziger Hirzel-Verlag in zunächst vier Bänden zwischen 1854 und 1866 erschien und noch heute mit einem 1990 hinzugefügten Index-Band in fünf Bänden verlegt wird.
ConcurrenzKonkurrenz.
Schmeller’s Wörterbuch, Schmellersches WörterbuchDer Sprachwissenschaftler und Bibliothekar Johann Andreas Schmeller (1785-1852) begann 1816 mit der Arbeit an seinem „Bayerischen Wörterbuch", dessen erste beide Bände 1827 erschienen, die Publikation des der dritten und vierten Bandes erfolgte 1837. Die zweite Auflage des Wörterbuchs, die 1872 und 1877 von dem Germanisten und zweiten Direktor des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg, Georg Karl Frommann (1814-1887), herausgegeben wurde, ist bis heute ein Standardwerk geblieben.
CommissionssitzungJährlich stattfindende ordentliche Plenarversammlung der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, früher in mehrere Sitzungen aufgeteilt.
Mehrere Registerverweise
Zitierempfehlung
Die wissenschaftliche Korrespondenz des Historikers Karl Hegel (1813-1901), bearbeitet von Helmut Neuhaus und Marion Kreis