Mein theuerer Sohn! So bist Du nun wirklich schon in Schwerin! Gott segne Dein Unternehmen und stehe Dir bei und erleuchte Dich in dieser bewegten Zeit, in der Du dort mitzureden berufen bist.1 Möchte es keine üble Vorbedeutung seyn, daß Du auch dort auf einer löcherigen Grundlage Dich niederlegst – Du hättest mir früher davon sagen sollen, wie gerne sorg ich für alles, was Dir in Deinem Haushalt fehlt. Nun aber komm ich doch wieder damit zu spät und ich dachte mir Deinen Umzug nach Schwerin noch sehr im Ungewissen, höre aber so eben von Dr. Eggers daß Du in Rostock von Deinen Freunden Abschied genommen und sehe daraus daß das neue Ministerium in seinen vielseitigen Vertretern, Dir kein Hinderniß in Wege gelegt haben wird. Er wollte nachfragen ob Du hier bist und da er morgen selbst nach Schwerin reise, benütz ich die Gelegenheit Dir die eben fertig gewordenen Bezüge mitzugeben.
Friederike und Manuel, die eben bei mir zum Kafee waren, grüßen Dich herzlich – Briefe von Frankfurt von Mutter und Clara enthalten Berichte über die unglückseligen Vorgänge in Frankfurt –
Lichnowskys und Auerswalds Tod (meuchelmörderische Ermordung2) hat sie tief erschüttert, sie waren beide, Männer von der edelsten Gesinnung, Flottwell näher befreundet – wollten Tags darauf abreisen. Auerswald Vater von 5 Kindern, deren Mutter gestorben ist. Da haben wir nun den Anfang eines Bürgerkrieges – Wenn die Beschlüsse der National Versammlung solche Kämpfe herbeiführen – Es sey ein furchtbarer Haß gegen Preußen in dieser Demonstration – Was werden wir noch erleben und was wird endlich noch Recht behalten und nach Gottes Willen stehen, und was untergehen? –
Mir ist es unbeschreiblich wehe – und ich theile auch mit die sorgenvolle Ungewißheit in der sich Flottwell befindet; man bleibt fortwährend in Spannung und Unruhe – wir erhalten die aufgeregtesten Briefe, sehen wie Sie sichs so sehr erschweren durch Ungedult und Verstimmung – der Vater sieht die Unmöglichkeit ein, nach Münster zurück zu kehren. Wird er zu Disposition gestellt, so wird sein Gehalt auf 2500 Thl Taler beschränkt – Wohin nur – keine andere Stellung offen – Auerswald geht nach Preußen zurück. Bonin, der nun ins Ministerium kommt3, will sich Magdeburg reservieren.4 Der Ministerwechsel, Pfuhl5 an der Spitze, kann ihm vielleicht günstiger seyn – Die heut Abendige Staatszeitung soll ja die neuen Minister notieren und morgen sollen sie schon in der Versammlung erscheinen – Wollte Gott das sie mit mehr Energie auftreten – Manuel scheint wenig erbaut zu seyn, das Pfuhl Minister President wird etc.. Seine Stellung ist nun auch eine ganz ungewisse – aber Manuel ist dabei immer gleich ruhig und verständig gefaßt. Friederike hat an ihm eine kräftige Stütze; sie leidet aber sehr um die Eltern.
Die Kinder sind wohl und erheitern und erquicken uns, wenn uns sonst die Welt nicht mehr freut, erfreuen wir uns doch an ihnen und ich mich an Euch! Dein Pathchen hat ihr erstes Zähnchen unvermerkt bekommen und zwar während der Pocken – und ist dabei immer ruhig und freundlich und gut –
Den 4ten September sind meine lieben Gäste wieder fortgezogen – wo mir mein Alleinsein sogar wieder ganz ungewohnt war – die leeren Räume! – Ich hoffte auf Dich, nun aber bist Du wohl unentbehrlich im Streite – Aus Deiner Zeitung will ich aber …6 einen und Deine leitenden Artikel lesen. Sorge dafür daß sie uns zukommt –
Von Nürnberg hab ich gute Nachricht – Gottlieb hat ein Söhnchen – und Lina und Friedrich sind auch durch ein Söhnchen überglücklich – den 24ten August war Siegmunds silberne Hochzeit7 – die von den guten Nürnbergern aufs solennste gefeiert wurde – Es wurde Siegmund viel Liebe und Dank von Allen bewiesen, um die er sich verdient gemacht – als Oberst der Bürgerwehr und Spittal Pfleger brachten sie ihm Musik und das Offiziercorps brachte ihm in einer Mappe das Stadtwappen – Gedichte – lebende Bilder – Transparente und Geschenke von allen Geschwistern Freunden und Verwandten – Wir sagten die guten Nürnberger leben noch im Stand der Unschuld – in unserem gräulichen Berlin, in dem man nicht zur Ruhe kommt über dem Gehetze und Gezänke erscheint Einem solch ein Zustand idillisch – Nun sind Gottlieb und Siegmunds beisammen in Simmelsdorf – Mathilde8 ist noch in Paris.
Hegels Geburtstag9 wurde von einem Verein seiner Schüler die Friedrich Förster zusammen gebeten hat, gefeiert und in der Zeitung diese Feier erwähnt, mit den Worten Hegel hätte den Fortschritt dieser Zeit angebahnt. Manuel haben sie aber nicht dazu gebeten. – Rosenkranz war auch noch nicht bei mir – Meine sogenannte Frömmigkeit hat mich um die Gunst dieser Freunde gebracht, die ich doch vermisse und es schmerzlich empfinde als Hegels Frau so ignorirt zu werden von denen die mir als seine Schüler sonst so theuer waren – wie Hotho! Wie viel hab ich schon überleben müssen – und in welche Zeit muß ich mich noch finden! Aber der Friede Gottes ist doch unter dem allen das, was uns nicht entrissen wird, wenn wir uns nicht selbst der ewigen Liebe und dem Lichte entreißen – Darauf reiche ich Dir die Hand und bitte Gott, Er wolle mir und Euch durch alle Klippen hindurch helfen. Leb wohl lieber theuerer Sohn und schreib uns bald – wenn Du nicht selbst kommen kannst.
den 24ten ist Manuels Geburtstag.10
den 5ten war Friederikens11 –
Soll ich Dir nicht Oberhemden oder sonst irgend Etwas an fehlender Wäsche besorgen? Vernachläßige Dich hierin nicht, und richte Dich nett und ordentlich ein und laß mich dazu helfen.
Ich sehe mit gespannter Erwartung in Deinem Interesse der Entscheidung entgegen, welche Parthey in Mecklenburg Schwerin den Sieg behalten wird. Möchtest Du nur, wie es kommt, Dich in leidenschaftslosem Gleichgewicht erhalten – Ich sehe so viele der Edelsten und Besten – wie sie im Kampfe die Besonnenheit und Mäßigung und dadurch die Herrschaft des Geistes, die im Recht der Wahrheit wohl unterliegen, aber doch im Grunde den Sieg behält, verlieren. So schreibt der edle Flottwell von dem edlen Dahlmann „er ist moralisch …12“ (nachdem er die Bildung eines Ministeriums13 abgelehnt hat) – Flottwell wollte, wenn Dahlmann an das Ruder käme, ausscheiden. Welches Fehlgreifen, Verkennen, trennen so die edelsten Kräfte, die eine Vereinigung von Deutschland zu stande zu bringen, sich fest verbinden sollten, gegen die Wühlereien der revuliotionirenden Partey – Die eine unumstößliche Grundlage bilden sollen, der sich Deutschlands Fürsten unterwerfen sollen, sind …14 über ihre Beschlüsse, ihre unumstößlichen, so uneins, daß sie für Verräther des Vaterlands die Majorität erklimmte und mit der bludtigen Faust drein schlagten. Es ist ja doch von Mitgliedern der National Versammlung dieser König herauf beschworen – Was sagst Du zu dem allen – glaubst Du noch an die Möglichkeit eines einigen Deutschland und hälst Du dieses Geschlecht für reif genug zur Verwirklichung dieser Theorien – für die sich die Edelsten und Besten daran setzen und begeistern. Es ist nicht Menschenwerk allein und in keines Menschen Macht den Zügel zu ergreifen, wenn es Gott anders beschlossen hat, der am besten weiß was der Zeit noththut und dessen Gedanken und Rathschläge höher als die unseren – Der Glaube kann aber wohl erleuchtet, von Oben gewiß werden, wo es hinaus will – Gott gibt den Seinen das rechte Wort ein und Gedanken und Rathschläge – Er gebraucht sie – sie thun was Gott will – O wollte Gott Dich also gebrauchen – mein Karl! Deine Mutter bittet für Dich und trägt Deine Sache als die ihre mit auf dem Herzen. – Den Hochmüthigen wiederstehet der Herr – den Demüthigen gibt er Gnade – Erbarmen wenn Dir das beste gelingt. Die Unzulänglichkeit und Unlauterkeit alles Menschlichen, losgerissen von Gott stehen wir mit unserer von Gott abgefallenen Vernunft und graben löcheriche Brunnen – mit Gott verneigen wir Alles „der Glaube bricht durch Stahl und Stein er kann die Allmacht fassen“15. Es ist mir so warm ums Herz, ich muß Dir was mich in den Gedanken an Euch Ihr Geliebten, Ihr Hegels Söhne bewegt mit schlechter Feder ungeordnet hin schreiben.
Leb wohl lieber theuerer Sohn! Gott sey mit Dir und leite und führe Dich nach seinem Rath.
Deine Anzeige hat mir sehr gefallen.16
Nimm nur ja nicht was ich hier schreib persönlich, es gilt uns Allen und das Allgemeine was ich hier meine – daß Du Dein besonderes Interesse …17