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Maria Helena Susanna Hegel, geb. Tucher, an Karl Hegel, Nürnberg, 1. Oktober 1845

Wie lange muß ich alle Nachricht von Dir entbehren mein lieber Sohn! – Du solltest mit der schwachen Mutter nicht so abrechnen. Du weißt ja wie schwer ich zum Schreiben komme, wie ich mich aber doch nach Nachrichten von Euch sehne und wie mir alles fehlet wenn Ihr mir fehlt. Mein Aufenthalt hier geht nun zu Ende – ich will den 4ten October von Nürnberg abreisen, vorausgesetzt daß Du mich nicht abholst – aber auch darüber fehlt mir die Gewißheit – und darum bitte ich Dich schreibe mir wenn Du mir noch nicht geschrieben hast augenblicklich, damit ich nicht mit der Sorge „Kommt er oder kommt er nicht“ abreise – Der frühzeitige kalte regnerische Herbst ist aber wirklich nicht einladend zu einer so weiten Reise und für die nur so kurze Zeit des Bleibens wäre das Opfer zu groß – So sehr es die lieben Geschwister und mich freuen würde Dich hier zu haben. Thue ich doch vernünftiger Weise darauf verzicht und glaube auch es ist bei Dir schon eine aufgegebene Sache sonst wärst Du ja schon hier.

Ich reise nun in Gesellschaft zweier lieber Mädchen: Lele Holzschuher die eine unglückliche Liebe (wie mir die Mutter vertraute) von hier auf eine Zeitlang fort zieht, und – wer meinst Du noch – Fräulein Lameyer, die wegen Kränklichkeit des Vaters nach Hamburg zurück reißt – Wie sie mir bei Gottlieb davon sagte, daß ihr diese weite Reise so allein bevorstünde, hab ich ihr angebothen, sie möchte sich an uns anschließen – und einige Tage darauf erhielt ich von ihr ein Billet, worin sie mir dankbar zusagt und mich bittet die Zeit zu bestimmen – es würde ihren Eltern zur Beruhigung gereichen, sie unter meinem Schutz zu wissen. – So führt mich der liebe Gott mit diesem lieben Mädchen zusammen! – Sie hat in letzter Zeit das Hauswesen und die Kinder ihrer Schwester allein versorgt. Pfarrer Port machte mit seiner Frau eine Fußreise nach Tirol. – – Hoffmanns werden bis Mitte October in Erlangen erwartet deren Ankunft sie aber nicht mehr erwarten will, weil die Mutter ihre baldmöglichste Zurückkunft wünscht – Wir gehen wohl mit einander bis Köthen von wo aus sie nach Magdeburg mit dem Dampfschiff nach Hamburg geht. Frl. von Holzschuher bleibt in Altenburg wo ich von Herrn Minister von Braun eingeladen bin bei ihm auszuruhen. So geht es denn so Gott will recht leicht und gut wieder nach Hause –

So weit schrieb ich vor Erhalten Deines längst ersehnten Briefes2 – und füge nur noch hinzu zu welcher Beruhigung mir alles gereigt was Du mir schreibst – – Ja könntest Du diesen Herbst zu uns kommen welche Freude wär es mir – Von Georg haben wir den letzten Brief von Bergen – Er kommt wohl Mitte October – Bald sollst Du mehr hören oder noch besser – Laß Dich finden! laß Dich finden in Berlin – oder in Köthen –

Leb wohl – der Brief3 an Friederike ergänzt den Deinen

den 2ten October4