XML PDF

Maria Helena Susanna Hegel, geb. Tucher, an Karl Hegel, Berlin, 16. Juni 1843

So ist denn nun unser Immanuel Censor! Die Freude darüber ist mir aber dadurch verdorben, daß ich auch von Marheinecke hören muß es sey keine Ehre, sondern eine Unehre. Bei der Theologische Facultat hätten es alle ehrenwerthe Leute abgelehnt und endlich hät es Beneke angenommen – Es käme jetzt an die Assessoren, weil sie keinen Rath mehr dazu bekommen – und dgl. mehr – Aber Immanuel hat ja die Sache wohl überlegt und durfte sich dem nicht entziehen – Andere werden werden wohl auch billiger darüber urtheilen, als Marheinecke –

Unsere Briefe (inclusive der Deine) haben sich durchkreuzt, ich schrieb den 13ten an Manuel und er den 14ten. Wir fühlen wohl alle Drei, daß wir zusammen gehören – und Jedes von uns hat einsame Stunden – Ihr werdet mit der Zeit noch ein Herz finden, was Euch die Stelle der Mutter und den Bruder ersetzt – und dann werden wir aus Zweien, Vier – die ich nicht für mich behalten darf – einander lassen – muß! – So leb auch ich in der Vergangenheit und Zukunft, wenn die Gegenwart mich einsam und allein in meinem Stübchen findet. –

Ich esse mit meinen Mädchen um nicht ganz allein zu seyn. – Doch ist mir nach meinem langen Umher Reisen auch wieder die Ruhe und Stille in meiner eigenen Häuslichkeit wohlthätig – des Vormittags bin ich im Kranken Haus und des Nachmittags suche ich mir für Freunde, die mich besuchen wollen, für meine eigenen Arbeiten und für Besuche die ich mache, frei zu erhalten Dieß wird mich erfrischen und länger bei Kräften erhalten – Durch die Mitwirkung der lieben Siebel im Kranken Haus wird mir eine große Hülfe und Erleichterung, sie ist mir eine liebe theure Freundin, mit der ich ein Herz und eine Seele bin so kurz wir uns kennen – Ein Gemüth wie das der lieben Krelle, aber mehr Verstand und geistige Kraft und Freiheit – aber eine zarte Hülle. Sie sieht Dir ähnlich, als wäre sie Deine Schwester. Das trägt vielleicht auch mit dazu bei, daß es mir so ist, als gehörten wir uns eine Ewigkeit her an –

Siebel war ein eiferiger Anhänger von Hegel und Schleiermacher. Die Theologie war ihm ein Durchgang bei dem es jedoch nicht stehen blieb – Es war eine Glaubens Seele dem der Heilige Geist noch mehr sagte – Seine Frau der er schon als junger Student alles mittheilte was ihn beschäftigte und bewegte, hat alles mit ihm selbst durchlebt – sie war Erzieherin bei Waldenburgs, die sie noch wie eine kleine Heilige lieben – So hat sie viel durchlebt, viel am eigenen Herzen erfahren und in sich aufgenommen – Du kannst Dir daher denken, was sie mir, da wir uns immer auf gleichen Wegen begegnen, für eine liebe Gefährtin ist –

Die Hochwächter hat sich in unserer nächsten Nähe eingemiethet und wird taglich erwartet. Ich sehe ihrer Ankunft, und wie sie sich zu uns stellen wird, mit einiger Besorgniß entgegen – die liebe Klitzing sehe ich oft – sie ist eine treue liebe Freundin – Aber mit Hothos ist mir etwas mir Unerklärbares begegnet Ich kann den Zug meines Herzens diesen lieben alten Freund wiederzusehen nicht wiederstehen, fahre vor 8 Tagen in der Nachmittagsstunde gegen 4 Uhr zu ihnen – Das Mädchen öfnet mir, mit Tellern in der Hand. „Sie sind wohl noch bei Tisch da will ich noch ¼ Stündchen zu Frl. Hotho hinübergehen und warten bis sie gegessen, sagen Sie ich käme zum Nachtisch“ Hothos schicken aber nach wenigen Minuten zur Tante herüber und lassen mir wissen – sie bedauerten – sie müßten beide gleich Nachtisch ausgehen – Ich konnte den Schmerz über solch ein Abweisen nicht unterdrücken, so daß mirs die Tante wohl anfühlte – Aber ich will beweisen, wie es im Ernst ist, was zwischen uns liegt auszugleichen, und gehe vorgestern (wo ich, im Paulus der in der Garnison Kirche gegeben wurde) in ihrer Nähe war – wieder hin – das Mädchen sagt verlegen – die Frau Professor sind nicht zu Hause und der Herr Professor ist eben bei dem Herrn Vater bei einem Pathen, wo ich ihn nicht abrufen dürfte – So geht mirs mit Hegels alten Freunden! – Marheinekes, bei denen ich Sontag1 Mittags war, ist freundlicher, aber doch kann ich kein Herz zu ihm fassen – den Henning hat er mir sehr verdächtigt –  –  Die Jahrbücher hören durch seine Schuld auf – es kommen keine Beitrag mehr, weil er die Honorare Jahr und Tag nicht ausbezahlt hat – Dagegen werden nun bald die Abhandlungen des Philosophischen Vereins gedruckt. Die Polizei – ist nicht nur zu hören – sondern verblich ein Jünger der Philosophie – und schämt sich nicht, dafür sich zu bekennen – Es taugen hier Viele auf, von denen man es nicht geglaubt. Göschels Actien sind auch gestiegen und gefallen! – Der feinern frommen Parthie, Herr Hengstenberg, Gerlach und Thiele perge perge gegen über, die Sache der Philosophie – so ritterlich vertritt zu ihrem Aerger. Ich war einen Mittags mit Pinders und dessen Familie aus Naumburg, bei ihnen. –

Ich wollte Du kämest in Deinen Ferien zu mir – Kopenhagen bleibt stehen, auf ein andermahl – Manuel als Censor kann aber hierher und dorthin reisen – Ich darf auch nicht diesen Sommer mehr ans Reisen denken –

Arbeitest Du nicht an Deinem früher begonnenen Werk? – Das Leben in Rostock ist eine Zeit des Einsammelns und Fort Arbeitens, denk ich – für Dich – Du wirst etwas zu Tage fördern, was Dir einen Ruff verschafft und Dein Licht leuchten läßt – und wem Gott ein Amt gibt, gibt er auch eine Freud! – Mögte Dir Beides werden – Die Recension ist in 4 Blättern von Mai gedruckt – ich hab sie gelesen – Göschel ergeht sich darin sehr ins Breite2

Nun lebe wohl lieber Sohn –

Ich möchte heute noch nach Pankow. Die Weiß verlangt darnach mich wieder zu sehen. –

So eben wo ich vom Kranken Haus Mittags Nachhause komme finde ich Manuels Brief als Antwort auf den Deinen u nd Meinen3 vor –

Du erhälst sie nun Beide –

Was Du mir von Hoffmanns schreibst interessirt mich sehr – ich wünschte wohl auch die liebe Frau kennen zu lernen – Wie einsam warst Du an Deinem Geburtstag4 an dem ich Dich so leer ausgehen ließ! Nun sey um so herzlicher gegrüßt und geküßt von Deiner Getreuen