Lieber Herzens Sohn! Wir dürfen Dir an Deinem Geburtstag2 nicht fehlen und machen uns den 5ten schon auf, damit Dich den 7ten unsre Wünsche und Grüße erreichen. Gelobt sey Gott bei jeder Wiederkehr dießes Tages, der so viel, so unaussprechlich viel Gutes an uns gethan hat – mir meine lieben Söhne geschenkt und dazu Kräfte und Gaben! – und Deine Gesundheit erhalten und Dich so väterlich so über alles Bitten und Verstehen geleitet – Denke ich an die wunderbare Führung wie Du von dem Schulmann zum Professor in Rostock gekommen bist. Freue Dich mit mir und danke mit mir und gehe Dein ganzes Leben hindurch und sieh doch in allem die treue Vaterhand die Dich zuerst geliebt und die Dich ganz zu sich ziehen möchte, in lauter Liebe – – Wenn wir nur erst lernen danken, so vergessen wir vor allem Dank das Klagen – Es muß uns ja alles zum Besten dienen, wenn Du nur auch weiter strebst und noch eine Zeit aushalten mußtest so muß es auch zu etwas gut seyn – mach mir nur ja kein saures Gesicht und lobe und danke, so wirst Du guten Muths seyn – und Deine Arbeit gesegnet seyn. – Gott segne und fördere Deine Arbeit von der Du hoffst daß sie Dir weitere Wege bahnen soll – wie lange wirst Du noch daran gebunden seyn? – Manuels Hochzeit ist wohl Ende Juni oder Anfangs Juli, der Vater kann den Tag nicht lange vorher bestimmen – den 10ten –15ten Juli wollen die Eltern nach Collberg. 8 Tage später gehn die jung Verheuratheten hin, um den 23ten wo Vaters Geburtstag3 ist dort zu seyn – Ob Du nun länger oder kürzer hier bleibst? – je länger je lieber, Du solltest bei mir auch Ruhe und Stille zur Arbeit finden – Ich reise wohl erst, wenn ich reise mit Immanuel gegen Mitte August nach Nürnberg – Allein zu reisen, hab ich keinen rechten Muth mehr – Es ist auch eine Einladung an die Nürnberger ergangen, ob nicht Eines zur Hochzeit kommen will. Doch glaub ich nicht daran, daß die Schwerbeweglichen Nürnberger sich aufmachen – Die kleinen Kinder binden die Frauen und da wir versprochen haben zu kommen, erwarten sie uns. Da solltest Du freilich nicht fehlen – doch begreif ich wohl, erst mußt Du mit Deiner Arbeit fertig seyn und eher sollst Du Dich auch nicht nach den Bewußten umsehen – bis Du Zeit hast Dich zu verlieben – (Ich will ihren Namen nicht wissen).
Zu meiner Freude hör ich, daß Frau von Senff sich wieder mit ihrem Mann und Kindern vereint, indeß sich in meiner nächsten Nachbarschaft im Schneiderischen Haus eingemiethet haben. – Da werd ich sie ja kennen lernen! Sie findet ja auch hier eine Lutherische Gemeine und wird auch Goßner zu dem der Herr von Senff in die Kirche und zu Heiligem Abendmahl geht, gerne hören – Bezeuge ihr meine herzliche Freude darüber –
Eine weitere Neuigkeit ist, daß unser lieber Göschel President des Consistoriums in Sachsen geworden ist, und nach Magdeburg kommt – Er scheint mit besonderer Vorliebe diesen Ruff angenommen zu haben; er war hier zu sehr bedrängt und in zu vielerlei hineingezogen – doch wird er von seinen Freunden hier, unter die ich mich zähle, sehr vermißt werden – Er grüßt Dich herzlich und wird Dich wohl nicht mehr hier sehen weil er schon im Laufe dieses Monats geht – Sie geht, bis er eine Wohnung gefunden hat, nach Heringsdorf.
Die Eltern Flottwell sind seit einigen Tagen in Merseburg bei Trinkler – Er in Geschäften – Klärchen ist seit einigen Wochen wieder hier, und scheint Gottlob vollkommen wieder hergestellt, sie ist heiter und ganz so wie früher, und ist glücklich wieder bei den ihrigen zu seyn, von denen sie sich so innig geliebt sieht – Nun wieder doch auch mit mehr Ergetzungen und Heiterkeit die Anstalten zu Friederikens Hochzeit betreiben – Vater und Mutter gehen und machen die Einkäufe – die Wohnung ist geputzt und gekehrt und gestrichen und wird nun aufs schönste meublirt – So wirds endlich doch zum Ziele kommen – Manu hat mit vieler Gedult warten und eins nach dem andern heraus ziehen müssen – daran Du Dir im gleichen Fall ein gutes Beispiel nehmen kannst –
Dir mein Herzens Alterchen – (Junge darf ich ja nicht mehr sagen) schick ich hier eine Hochzeits Weste (zu Manuels Hochzeit) und leinwandene Chemisetten, die haltbaren und hemdartigen sind als die …4 – zum Geburtstags Präsent. Soll ich Dir nicht auch Hemden besorgen, Du sagtest mir daß Du bald dergleichen brauchtest – Willst Du an den Hemden feinere Manschetten und Kragen? Ich ließ in Manuels Hemden forn auch von feinerem Leinwand gelegte Falten einnähen, so daß das Hemd ohne Chemisett getragen werden kann – Willst Du solche mit oder ohne? – so sollst Du sie fertig finden wenn Du früher kommst – 12 oder 6?
Du sollst über meinen Ausstattung Sorgen für Manuel nicht zu kurz kommen – bis Du mir die Freude machst Dich ausstatten zu dürfen –
Sage mir ob Du mir Federn schon bestellt hast? Sollte es mit zu vielen Umständen verknüpft seyn, so lasse es – es gibt auch hier Federn – Nur laß mich bald darüber das gewisse wissen. Frau Professor Becker hab ich leider noch nicht gesehen. Manuel suchte sie auf, fand sie aber nicht – Ich hoffe sie kommt noch vor ihrer Abreise zu mir und da versprech ich Discretion und werde nichts fragen und will nichts hören, als was Du mir selbst anvertraust –
Mit meiner Gesundheit geht es leidlich gut – ich sehe wohl aus – schlafe, esse, ruhe – aber doch bin ich noch immer so bald ermüdet und leicht nerveus angegriffen – der alte Bello5 war auch vorübergehend wieder da – doch will ich auch dafür, daß es noch so gut geht Gott danken – Es ist ja ein Wunder daß ich noch lebe!
Franzens die alten Getreuen grüßen Dich schönstens. Es ist jetzt herrlich grün in unserem Garten – ich sitze viel im Freien in der Laube wo es des Vormittags am schönsten ist – und am ruhigsten, Nachmittag gleicht der Garten oft einem Gesellschafts Garten, meistens Juden die sich eingemiethet haben und die ihre Freundschaft besucht –
Was sagst Du zu den Bewegungen in der Katholischen und evangelischen Kirche? Ich lese täglich was die Zeitungen berichten mit Spannung was da kommen und von allen dem bleiben wird – doch ist solche Bewegung der Indifferenz die wir erlebt haben weit …6 – es regt sich Leben auch im Wiederspruch und es wird sich die Spreu vom Weizen sichten – Die Pastoral Versamlung hier war sehr gesegnet – übers Jahr ist Wichern dazu geladen –
Nun liebes Geburtstags Kind sey mir gesegnet und geküßt – Wir wollen Deiner an Deinem Geburtstag recht in Liebe gedenken – Gott segne und behüte Dich lieber lieber Herzens Sohn!
P. S. Die Chemisetten hab ich geschnitten und geplättet da hast Du doch was von der Hände Arbeit der Mutter –