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Maria Helena Susanna Hegel, geb. Tucher, an Karl Hegel, Berlin, 16. Oktober 1843

Lieber Karl!

Ich habe mich in gesunden Tagen schon manchmahl verrechnet – geschieht das am grünen Holz was solls erst am dürren werden. Ich wollte um die Gelegenheit mit Beckers nicht zu versäumen, in aller Geschwindigkeit das von der Questur erhaltene Geld, mit meiner Schuld, Dir in Papier Thalern schicken – und berechnete den 4ten Theil von 50 Thl und 5 Th. l. mit 12 ½ –  –  –  Sed! und 1 Thl. 7 ½ Sg.2

Matthies der mir das Geld einwechselte, fand das Rechen Exempel richtig und so erhieltest Du, mit den voran geschickten 10 Thl. – 95 Thl. statt der Dir schuldigen S. Secmarum 38.14 ½.

Du hast daher –  –  –  56 Th. 15 ½ Sg. die nicht Dein, sondern mein sind, bekommen; behalte sie bis sich Gelegenheit findet, oder bis Du sie mir selbst bringen kannst, ich hoffe mit dem was ich habe, bis dahin zu reichen.

Die Kiste ist angekommen ich mußte 1 Th. 15 Sg. Porto und 11 g3 Accise dafür zahlen.

Mit meinem Befinden geht es Gottlob von Tag zu Tag besser – Ich gehe seit gestern und vorgestern wieder zur Mittagszeit im Garten, schlafe gut, haste nicht viel – nur noch die Mattigkeit und Nervenschwäche und Nervenkopfweh – Allein zu seyn ist mir eine Wohlthat, die mir ja nun zu Theil wird –

Die liebe Sybel kommt täglich um mir zu klagen – Ihre sensible Natur erträgt weniger als die Meine! – Ich konnte unter denselben Umständen, wie ich im Kranken Haus den ersten Sommer allein war, sagen: es ist mir, als wär‘ es der glücklichste Sommer meines Lebens – Goßner, Tesmar Thamm waren damals dieselben wie jetzt und jeder Tag hatte seine eigene Plage, aber wenn ich auf das Ganze sah, konnt ich nicht aufhören zu loben und zu danken und selbst die kleinen Anstände und Wiedersprüche, die ich für den Augenblick fallen ließ, waren mir hintan noch lieb, entweder hatten sie recht und ich unrecht oder 4 – und die Liebe und Treue und Nachgiebigkeit – die sich selbst nicht sucht, sondern nur das Beste will, siegte – Solche Siege waren meine stillen Freuden – und ich dünkte mich reicher, als die reichste Frau mit den beschränkten, doch immer zu richtenden Mitteln – und daß sich die Frau in den Mann schicken muß und nicht jedes herbe Wort übel nehmen und deuten darf, hatte ich auch gelernt – So kann man ein und dieselbe Sache mit so ganz verschiedenen Augen ansehen –  – Er war meiner lieben Sybel Verstimmung diesen Sommer, bei der Liebe die ich für sie hatte – so auf mich übergegangen, daß ich selbst alle Freudigkeit verlor – Jetzt bin ich mit neuer Liebe zurück gekehrt und brenne nun auch das durch Liebe verwöhnte Kind, was sich immer mehr in Charaktere wie sie hier sind schicken lernen wird – und werde nun auch nicht mehr zureden, wenn sie, der für sie heilsamen Schule entlaufen will – und sie dennoch lieben – mit dem Schmerz der Liebe daß sie sich lieber eigene Wege, als den, den ihr Gott angewiesen hat, wählt – wo sie sich in der Sorge um Einzelne zersplittert und aufreibt – und in ihrer Gemüthswelt allein sieht und ihren Kindern zu Gefallen lebt – und sie verzieht –

Ich schreibe dies ehrlich wie es mir ums Herz – meine Liebe zu der theuren Freundin ist darum nicht getrübt – nur seh ich jetzt mit gesünderen Augen und vertrete gegen ihre Klagen die lieben Freunde und die gute Sache, mit denen und der ich länger zu thun habe und die ich besser kenne, als sie – Hilf mir sie ermuthigen – ich gebe die Hoffnung daß sie in sich selbst mehr erstarken wird noch nicht ganz auf – Sey nicht eben so schwach wie sie. Mir sind in meiner Schwachheit die Händ und Füße gebunden. Nach den Ruhetagen in Warnemünde sollte meine Erholung nachhaltiger seyn Da es aber nun nicht also ist, will ich die Stimme nicht überhören, die mich zur Ruhe verweist. Ich will aber lieben so lang ich lieben und ermuthigen kann – Außer dem Terrin hab ichs freilich leichter guten Muths zu seyn! Gott stärke uns alle samt in Seiner Liebe!  

Xeller ist von seiner Reise von Bacharach Stuttgart Nürnberg (wo er nur 5 besuchte aber nicht traf) – München, wo er mit Hotho und Brose zusammen traf, Venedig Wien Prag zurück gekehrt – das Neue in München hat ihn wenig erbaut, desto mehr die schönen Alten Bilder die er auf seinen Wegen gesehen. Er klagte nur über Hotho – mit dem er sich innerlich ganz entfern fühlt – Er hat sich in Jakob Böhm hinein gelebt und liest jetzt nichts als die Bibel und Jakob Böhme – und schließt sich an Werthern6, der seine Pietät für Jakob Böhme theilt näher an – Wir treffen nun auch auf einem Punkt zusammen. Er hat mir versprochen bald wieder zu kommen – das ist doch noch einer der alten Freunde der mir getreu ist und mich besucht –

Von der Universität erhielt ich eine Anfrage, die ich Manuel zugeschickt habe. Michelet hat die von Vater begonnene Vorlesung der Geschichte der Philosphie zu unserem Besten gelesen, d. h. die bereits eingezahlten Honorare bleiben uns – nun macht Michelet auf die gestundten Honorare von dieser Vorlesung von denen ihn aus Versehen des Questors schon 8 Led. zugeschickt worden sind und noch 20 Led stehen, Anspruch.7