Bei Abfassung meines beifolgenden Votums1 über die Preisertheilung habe ich recht peinlich empfunden, eine wie mißliche Sache es ist, unter eine Reihe von ziemlich gleichstehenden Werken deren Verdienste gegeneinander abzuwägen und eines vor dem anderen zu bevorzugen. Wäre es nicht geboten eine solche Entscheidung zu treffen, so möchte man sich ihr am liebsten ganz entziehen. Denn es liegt immer etwas Incommensurables zwischen den Bearbeitungen gänzlich verschiedener Stoffe, denen sie sich anzupassen haben. Und dazu kommt, daß die Arbeiten der Preisrichter selbst von der Beurtheilung ausgeschlossen sind. Wer würde sonst nicht, im gegenwärtigen Falle, zuerst an Ihre Verfassungsgeschichte denken? | Dieser mißliche Umstand tritt uns jetzt zum ersten mal in Bezug auf Ranke entgegen. Ich glaube nicht, daß er jetzt übergangen werden darf, nachdem er bisher aus einen bloß äußeren Grunde übergangen worden ist. Ihnen liegt noch die schwierige Aufgabe ob, das Endurtheil des Preisgerichts zu formuliren.2
Für die freundliche Übersendung des 6. Bandes Ihrer Verfassungsgeschichte sage ich Ihnen meinen herzlichen Dank. Höchst erfreulich ist das rüstige und rasche Fortschreiten dieses Grund legenden, unendlich schwierigen und mühsamen Werks. Möchte es Ihnen vergönnt sein, dasselbe noch glücklich zum Ende zu führen!
Ihre Übersiedlung nach Berlin ist jetzt nahe herangekommen. Wie schwer muß Ihnen die Trennung von dem geliebten, freundlichen und stillen Göttingen werden! Von meinem Bruder, den ich auf | der Durchreise sah, hörte ich von Ihrem Aufenthalt in Wildbad; die Kur hat ihn doch recht angegriffen, doch lassen sich die guten Folgen derselben erwarten. Wir haben hier unterdessen die Hochzeit meiner Tochter Anna gefeiert, das junge Paar3 reist gegenwärtig noch in die Schweiz und ich bin mit meiner Familie kurze Zeit in dem nahen Muggendorf gewesen. Meine Tochter Luise Lommel hat mich vor wenigen Tagen mit einem zweiten Enkel beschenkt.4
Zu Ende des Monats sehen wir uns in München wieder; hoffentlich kommt auch Ranke zum letzten Mal, wie er, wenn auch nicht sicher, versprochen. Ich bringe den ersten Band der CölnerChroniken mit, der jetzt im Druck beinahe vollendet ist.5 Über den Fortgang der Monumente werde ich Näheres von Ihnen hören.
Mit herzlichen Grüßen an Ihr ganzes Haus und den besten Wünschen für dessen Übersiedlung in die deutscheHauptstadt
Waitz, GeorgGeorg Waitz
HiKo
11905914218131886Waitz, Georg (1813–1886), in Flensburg geborener Historiker, der nach einem breiten geisteswissenschaftlichen, juristischen und theologischen Studium an den Universitäten Kiel und Berlin 1836 promoviert wurde. Nach seiner Tätigkeit bei den Monumenta Germaniae Historica wurde er 1842 ordentlicher Professor der Geschichtswissenschaft an der Universität Kiel, wechselte 1848 als Ordinarius an die Universität Göttingen und wurde 1858 Gründungsmitglied der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München. Als er 1875 Präsident der Monumenta Germaniae Historica in Berlin wurde, ging er gleichzeitig an die Universität Berlin. Er war in erster Ehe mit Clara Schelling (1818–1857), einer Tochter des Philosophen Friedrich Wilhelm Schelling (1775–1854), verheiratet, in zweiter Ehe mit Helene Franziska Friederike Hartmann (1831–1915), einer Tochter des Generals Georg Julius Hartmann (1774–1856).
Erlangen49.5928616,11.0056Mittelfränkische Universitätsstadt, etwa 20 Kilometer nördlich von Nürnberg gelegen, seit 1810 Stadt und Universität des Königreichs Bayern.
Bundesarchiv Berlin: Nachlaß Waitz, N 2321
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BA Berlin1000
Neuhaus
, Helmut (Hg.): Karl Hegels Gedenkbuch. Lebenschronik eines Gelehrten des 19. Jahrhunderts, Köln, Weimar, Wien 2013.
Neuhaus
, Karl Hegels Gedenkbuch
2013
Die Chroniken der deutschen Städte
vom 14. bis in’s 16. Jahrhundert, hg. durch die Historische Commission bei der Königl. Academie der Wissenschaften von Karl
Hegel
, Bd. 12, Die Chroniken der niederrheinischen Städte. Cöln, bearb. von Hermann
Cardauns
, Bd. 1, Leipzig 1875. (https://dlibra.bibliotekaelblaska.pl/dlibra/publication/59559/edition/54942 )
Chroniken der deutschen Städte
, Bd. 12, Cöln, Bd. 1
1875
Ranke, LeopoldLeopold Ranke
HiKo
11859827917951886Ranke, Leopold (1795–1886), in Wiehe geborener deutscher Historiker, der von 1818 bis 1824 Gymnasiallehrer in Frankfurt an der Oder war. Im Jahre 1824 wurde er außerordentlicher Professor, 1834 ordentlicher Professor für Geschichte an der Berliner Universität. Von 1858 an war er erster Präsident der von ihm initiierten Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.
Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel)Immanuel HegelJurist/Konsistorialpräsident der Provinz Brandenburg11657072518141891 Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel) (1814–1891), Bruder Karl Hegels, studierte von 1832 bis 1834 und von 1835 bis 1836 Jura an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, von 1834 bis 1835 an der Ludwigs-Maximilians-Universität in München, trat 1836 in den preußischen Staatsdienst ein und war als Verwaltungsjurist in verschiedenen Verwendungen des Königreichs Preußen, vor allem im Staatsministerium, tätig, wurde 1865 Präsident des Konsistoriums der Provinz Brandenburg, heiratete 1845 Friederike Flottwell (1822–1861) und 1865 Clara Flottwell (1825–1912), beide Töchter des oftmaligen preußischen Oberpräsidenten und Staatsmanns Eduard Heinrich Flottwell (1786–1865), war u. a. Vater des preußischen Verwaltungsbeamten und Politikers Wilhelm (Willi) Hegel (1849–1925), war 1856 Taufpate seines Neffen Georg Hegel (1856–1933).
Berlin52.5170365,13.3888599Hauptstadt des Königreichs Preußen und ab 1871 auch des Deutschen Reiches.
Göttingen51.5328328,9.9351811Circa 100 Kilometer südlich von Hannover und südwestlich des Harzes gelegene Stadt mit einer 1737 eröffneten Universität.
Wildbad48.7502439,8.550301Etwa 700 Kilometer südwestlich von Berlin gelegener Kurort im nördlichen Schwarzwald an der Enz im Königreich Württemberg.
SchweizIn Kantone eingeteilte Republik im Nordwesten der Alpen zwischen Bodensee im Nordosten und Genfer See im Südwesten, an Frankreich, den Deutschen Bund, Liechtenstein, Österreich und Italien grenzend.
Muggendorf49.8035845,11.262593Ferienort an der Wiesent in der Fränkischen Schweiz, etwa 50 Kilometer nördlich von Nürnberg und etwa 35 Kilometer nordöstlich von Erlangen gelegen.
München48.1371079,11.5753822Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Bayern an der Isar in Oberbayern.
PreisPreis, oftmals aus einer Stiftung stammend bzw. gestiftet oder vergeben von einer wissenschaftlichen Gesellschaft oder Vereinigung für eine entsprechende Preisschrift in Form einer wissenschaftlichen Abhandlung als Auszeichnung für diese; auch: Kaufpreis z. B. für Aktien, Wertpapiere etc. und Preise als Geldwert bzw. Betrag für Güter, Waren, Dientleistungen etc. im Allgemeinen auch unter wirtschaftshistorischen Aspekten zur Erfahrung der Preisentwicklung.
PreisrichterMännliches Mitglied eines Preisgerichts bei einer schriftstellerischen bzw. wissenschaftlichen Preisaufgabe bzw. eines entsprechenden Wettbewerbs.
VerfassungsgeschichteInterdisziplinäres Teilgebiet der Geschichts- und der Rechtswissenschaft auch hinsichtlich rechtshistorischer Kontexte, das sich vornehmlich mit der Entwicklung von Verfassungen im Laufe der Geschichte beschäftigt.
Verfassungsgeschichte, Verfassungs-Geschichte (Waitz)Achtbändiges, mehrfach aufgelegtes Werk des Historikers Georg Waitz (1813-1886) über „Deutsche Verfassungsgeschichte“ (vor allem für Rechtsgeschichte und Mediävistik), welches zwischen 1844 und 1878, bzw. in neubearbeiteter Auflage zwischen 1865 und 1896), Bände 1-6 (ab Band 5 postum) in Kiel bzw. Berlin erschien.
PreisgerichtJury, Preisrichtergremium bzw. Entscheidungsgremium bezüglich der Verleihung eines Preises im wissenschaftlich-schriftstellerischen Kontext sowie im Rahmen eines entsprechenden Wettbewerbs, einer Preisaufgabe oder einer vergleichbaren Ausschreibung.
Wedekindsche Stiftung, Wedekind’sche Stiftung, Wedekind’sche PreisstiftungVon dem Juristen und Historiker Anton Christian Wedekind (1763-1845) im Jahre 1819 ins Leben gerufene, bei der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen angesiedelte Stiftung zur Verleihung des Preises für deutsche Geschichte.
KurHeilbehandlung, unter ärztlicher Aufsicht und Betreuung durchgeführtes Heilverfahren, oftmals an speziellen Kurorten; siehe insbesondere auch: Badekur.
Cölner, Kölner, Cölnisch, KölnischZur Stadt Köln gehörend, auf Köln bezogen, Köln zuzuordnen.
Chronik(en), Chroniken der deutschen Städte (Städtechroniken), chronikalische DenkmälerEdition „Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“, von 1862 bis 1899 hrsg. von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften durch Karl Hegel (1813-1901); auch allgemein: auf die Antike zurückgehende geschichtliche Darstellung, in der die Ereignisse in zeitlich genauer Reihenfolge, dabei aber, im Gegensatz zu den formal strengeren Annalen, in größeren Zeitabschnitten aufgezeichnet werden, auch im Sinne von: Lebensläufen.
Druck, Drucke„Druck“ als Abkürzung oder Synonym für Drucklegung gebraucht, darüber hinaus auch für ein fertiges Druckerzeugnis (z. B. Kunstdruck, gedruckte Edition einer handschriftlichen Quelle etc.) stehend, somit auch im Sinne von „alte Drucke“.
Deutsch/deutsch, Deutsche/r; DeutschesAuf die deutschen Staaten bezogen, den deutschen Staaten zuzuordnen, zu den deutschen Staaten gehörend; deutschsprachig; deutsche Sprache; Angehörige/r der deutschen Staaten, Deutschlands.
Hauptstadt, deutscheHauptstadt des zu Karl Hegels (1813-1901) Lebzeiten von 1871 an bestehenden deutschen Kaiserreiches: Berlin.
Mehrere Registerverweise
Zitierempfehlung
Die wissenschaftliche Korrespondenz des Historikers Karl Hegel (1813-1901), bearbeitet von Helmut Neuhaus und Marion Kreis