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Karl Hegel an Heinrich Sybel, Erlangen, 22. April 1860

Verehrter Freund!

Dr. Kluckhohn hat mir vor einiger Zeit in Ihrem Auftrage die Namen der von Professor Hofmann Empfohlenen mitgetheilt.1 Nach Dr. Bechstein, der übrigens seit lang nicht mehr beim Germanischen Museum, sondern in Meiningen ist, hatte ich mich schon früher erkundigt, doch hörte ich nur wenig Günstiges über ihn: er wurde mir von zwei Sachverständigen als ein ziemlich mittelmäßiger und leichtfertiger Arbeiter geschildert, so daß ich seitdem ganz von ihm abgesehen habe.

Übrigens hatte ich damals, als ich das Schreiben von Kluckhohn erhielt, bereits meine Aufforderung an Herrn Lexer erlassen2, der sofort mit großer Freude auf dieselbe eingegangen ist. Er hat mir die Zusage gegeben, daß er sobald er sich von seinem gegenwärtigen Verhältniß als Hofmeister beim Grafen Hunyady3 losgemacht haben werde, Anfang Mai nach Nürnberg abreisen wolle. Ich habe ihm eine monatliche Remuneration zum Betrage von 700 florin für das Jahr und das Reisegeld zugesagt, und werde Ihnen nächstens eine offizielle Anzeige davon machen, wenn eine weitere Geldforderung nöthig sein wird. Denn vorläufig bin ich noch mit den mir zur Reise nach Leipzig und Berlin übersandten 150 florin versehen, welche ich für diesen Zweck nicht verwenden konnte, da mich die Arbeiten in Nürnberg die Zeit über beschäftigten und jene Reise für den Moment nicht so dringend erschien. Ich werde also nur einige Diäten für Nürnberg davon abrechnen und das Übrige für die Reisekosten des Herrn Lexer ausgeben. Auch wird sich dieser vielleicht noch etwas länger in unserem Dienst in Wien aufhalten müssen, da ich ihm aufgetragen habe, die dortigen Handschriften von Städtechroniken zu untersuchen.

Das Schreiben nach Pesth werden Sie gefälligst weiter befördert haben; eine Antwort darauf ist bis jetzt nicht erfolgt.

Überrascht hat mich und beinahe in Verlegenheit gesetzt Ihr nachträglicher Vorschlag von Professor Holland. Natürlich hätte ich ihn jedem Andern vorgezogen, wenn ich früher gewußt hätte, daß an ihn zu denken sei. Nun aber nachdem ich Lexer berufen, kann ich nicht wohl – wenn auch die Geldmittel reichen und ihre Verwendung sogar wünschenswerth ist – noch einen zweiten Philologen hinzu nehmen, denn zwei könnte ich wenigstens nicht neben einander, da die Hauptarbeit auf dem Historiker ruht, an demselben Orte beschäftigen. Doch denke ich Gelegenheit zu finden, Professor Holland in anderer Weise vorläufig heranzuziehen, ohne daß er seine gegenwärtige Stellung aufzugeben braucht, was doch für beide Theile recht viele Bedenken gegen sich hätte: ich werde ihm zunächst die Bearbeitung einer Augsburger Chronik4 antragen und wir werden uns dabei erst näher kennenlernen: nachher wird sich das Weitere finden. Unterdeß werde ich auch sehen, wie es sich mit Lexer macht.

Nehmen Sie auch das Folgende als etwas ganz Vorläufiges unter uns. Ich sage mir, daß ich um der Erwartung der Commission wie unseres königlichen Patrons5 zu entsprechen, rascher voran kommen muß, als ich sehe, daß es bisher gegangen und weiterhin gehen wird. Dr. Kern ist ein sehr guter, aber zu umständlicher Arbeiter, der schwer dahin zu bringen ist, mit einer Sache abzuschließen: über jeden einzelnen Punkt, den eine Chronik erwähnt, will er zum letzten endgültigen Resultat gelangen; so läßt er sich auf eine Menge von Specialuntersuchungen ein und kommt natürlich bei allem unermüdlichen Fleiß nur allzu langsam vorwärts. Daneben hat er die Untersuchung der handschriftlichen Chroniken, die freilich zu mehreren Hunderten allein in Nürnberg zählen, noch lange nicht beendigt. Ich selbst kann doch nur ab und zu außer den Ferien in Nürnberg sein und nicht viel dazu thun. Auch von Lexer kann ich für die historische Bearbeitung der Chroniken kaum etwas erwarten; er wird bei Untersuchung der Handschriften mithelfen, wird die Texte in sprachlicher Hinsicht feststellen und erläutern und später die Correcturen besorgen. So viel ist mir klar, sollen wir in der Hauptsache rascher voran kommen, so brauche ich noch einen zweiten jungen Historiker, der sich mit Kern in die Arbeit theilt. Das Geld reicht dazu, wie Sie auch sagten, vollkommen aus, da ich bei der bisherigen Verwendung wenig mehr als die Hälfte des Bewilligten gebrauchen werde. Nur trage ich Bedenken zu viele Fäden6 gleichzeitig einzuschlagen und ich meine, daß ich erst sehen muß, wie und wozu ich den Lexer gebrauchen kann, ehe ich noch einen dritten Mann annehme. Doch will ich vorläufig ihn schon jetzt in Aussicht nehmen und deshalb mich bei Ihnen erkundigen, ob Sie mir einen vorzuschlagen wüßten? Kern hat mir öfter von seinem Freund und Genossen Weher7, der mit ihm in Ihrem Seminar8 gewesen, mit Lob gesprochen. Sagen Sie mir gefälligst, in welcher Art Sie mir diesen empfehlen könnten, und ob allen Falls auf ihn zu rechnen wäre? -

Sie verstehen, daß es sich nur um etwas ganz Vorläufiges handelt, um eine bloße Erkundigung, die noch durchaus kein Versprechen enthalten soll, da ich selbst noch nicht weiß, ob ich meinen Gedanken ausführen werde.

Einen Secretär für Lappenberg wüßte ich nicht zu empfehlen: er müßte doch wohl eher in Norddeutschland zu finden sein. Lappenberg ist gegenwärtig wie ich höre in England: können Sie mir nicht angeben, unter welcher Adresse er zu erreichen ist? ich möchte gern Auskunft haben über eine Nürnberger Chronik in Middlehill. -

Über das erst vor zwei Tagen hier angekommene 1. Heft des 2. Jahrgangs9 habe ich mich sehr gefreut; auch gönne ich Nitzsch von Herzen das ihm freundlichst gewährte Pflaster, nur meine ärgerlichen Druckfehler habe ich, als eine Satisfaction für mich, recht ungern vermißt.10

Leben Sie wohl

freundschaftlichst
der Ihrige
Hegel.