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Karl Hegel an Heinrich Sybel, Erlangen, 15. Januar 1860

Verehrter Freund!

Bei Übersendung der offiziellen Beilagen1, will ich nicht unterlassen Sie noch besonders zu begrüßen. Unsere Arbeiten an Nürnberger Chroniken2 nehmen nach meiner Überzeugung guten Fortgang. Wenn dieser für den Anfang zwar noch nicht so rasch ist, als man wünschen möchte, so liegt dies eines Theils darin, daß das Material außerordentlich massenhaft und überdies noch an vielen Orten zerstreut ist, von wo man es erst zusammen bringen muß, sodann aber auch darin, daß wir beide, vornehmlich aber mein lieber Kern, uns erst in dies specielle Gebiet hineinarbeiten müssen; denn auf die Localhistoriker ist leider nur wenig Vertrauen zu setzen u[nd] ihre Hülfe viel schwächer u[nd] weniger ausreichend, als ich von vorn herein erwartete3, und ich sehe nun wohl, daß wir doch das Allermeiste selbst thun müssen und daß ich nicht bloß Leiter der Arbeit, sondern selbst der Hauptmitarbeiter sein muß. Kern ist sehr brauchbar und sehr willig, auch sehr geschickt bei Untersuchung der Handschriften und excerpirenden Arbeiten: ob er aber selbständig etwas machen kann und über die bloßen Vorarbeiten hinaus es zum Abschließen bringt, muß ich erst noch erfahren. Bisher hat er Codices untersucht und sich in der Litteratur orientirt; ich habe die Stromer’sche Chronik4 bearbeitet, die vielleicht die wichtigste von allen Nürnbergischen sein wird, und will nun Kern veranlassen, gleichfalls die Bearbeitung einer andern Chronik nach dem von mir gegebenen Muster zu übernehmen. Wegen der Schürstab’schen Chronik vom Markgrafenkrieg bin ich doch in recht peinlicher Verlegenheit, daß ich sie noch einmal abdrucken lassen soll, wenn auch vielleicht in etwas correcterer Gestalt, – wenn sie nur eben erst in dem immer noch zu erwartenden Bande der „Quellen“5 erschienen sein wird: ich gestehe daß ich mich kaum dazu überwinden kann im Namen der Commission ein u[nd] dasselbe zweimal zu thun.6 – Weiterhin werde ich einen zweiten Hülfsarbeiter nicht entbehren können: ich hoffte in Rot[h]enburg u[nd] in Augsburg auf Bensen u[nd] Herberger, die ich zur Mitarbeit aufgefordert hatte, mußte aber bald mich trotz aller ihrer kundgegebenen Bereitwilligk[eit] davon überzeugen, daß Bensen nicht zu brauchen, auf Herberger aber gar nicht zu rechnen ist.7 Noch in München stellte ich eine Anfrage an Thomas, die er nicht geradezu ablehnte – seitdem habe ich nichts weiter von ihm gehört. Seine Aussichten auf Jena haben sich wohl ganz zerschlagen, wenn sie nicht etwa mit der zu vermuthenden Ablehnung von Häusser wieder aufleben? Sie nannten mir Weizsäcker. Da Sie nun aber Vo[i]gt verlieren, werden Sie vielleicht selbst den einen oder andern brauchen: haben Sie schon deshalb einen Entschluß gefaßt? Ich frage deshalb, damit ich keine vergeblichen Schritte thue. – Das letzte Heft der histor[ischen] Zeitschrift8 hat mich sehr befriedigt. Sie waren so freundlich meiner Recension9 darin eine besondere Stelle anzuweisen. Hätte ich nur auch die Correctur davon selbst besorgen können! Vermuthlich ist meine Handschrift daran schuld, daß so ärgerliche Sinn entstellende Druckfehler stehen geblieben sind, doppelt unangenehm in einer Recension, die keine Nachsicht gewährt u[nd] darum auch nicht in Anspruch nehmen darf. Ich lege das Verzeichniß bei u[nd] bitte sehr, es in das nächst erscheinende Heft aufzunehmen.10

Mit den besten Empfehlungen an Ihre Frau Gemahlin
herzlichst
der Ihrige
Hegel.