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Karl Hegel an Georg Hegel, Erlangen, 6. Juli 1899

Mein Sohn Georg!

Empfange meine herzlichen Glück- und Segenswünsche zu Deinem Geburtstage1 morgen; mögest Du glücklich und zufrieden sein nach dem reichen Maße, das Dir beschieden ist. Das Wünschen darüber hinaus ist erlaubt, soll Dich aber nicht quälen. Die Zukunft ist ungewiß; es nützt nichts, sich mit ihr zu beschäftigen; man muß in Ruhe abwarten, was sie bringt und thun was man soll.

Wir sind seit Montag hier zurück2, nachdem wir den Sonntag über in München waren. Wir fanden Luise gefaßt und klar im Geiste, sie erzählte vieles von den letzten Tagen und Stunden ihres geliebten Mannes, den sie bis zum letzten Moment gepflegt und nicht verlassen hat. Sein Zustand war so, daß sein Hingang eine Erlösung von unabsehbarem Leiden war. Luise hat alles geordnet was zu thun war und bereitet sich auf ihre künftige Lebensstellung mit Einsicht vor.

Unser Aufenthalt in Reichenhall hat sich um eine Woche verzögert – wir waren fünf Wochen da – weil Hofrat Adolf Schmidt noch mehr Soolebäder anordnete; die haben Marie gut gethan, sie wesentlich gestärkt. Ihr werdet Euch bald davon überzeugen. Ist es Euch recht, wenn wir am nächsten Sonntag, den 9. Juli, zu Mittag zu Euch kommen? Es wird viel zu erzählen geben.

Ein kleines Angebinde zum Geburtstag folgt durch Post. Herzlichen Gruß an Marei.

Dein Vater.