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Karl Hegel an Georg Hegel, Erlangen, 26. Januar 1879

Lieber Georg!

Ich schicke Dir durch Postanweisung 90 Mark, damit Du davon die Schneiderrechnung bezahlst, und erwarte, daß Du mit dem Übrigen in dem kurzen Monat Februar mehr als ausreichen wirst. Ich mußte etwas lachen über die am Schluß Deines Briefs1 ausgesprochene Hoffnung, daß Du von Deiner künftigen Lieutnantsgage etwas zurücklegen werdest, da Du schon jetzt nicht mit dem auskommst, was, wenn ich recht unterrichtet bin, so viel beträgt, als der Lieutnant, nach Abzug des Festgesetzten, monatlich auszugeben hat. Freilich wird es in Zukunft immer mehr nöthig sein, daß Du lernst Dich nach Deiner Decke zu strecken, wenn Du nicht mehr, wie jetzt, im Augenblick der Noth eine anderweitige Hülfe findest.

Bezüglich der Frage Deiner Versetzung nach Erlangen ist es mir nach näherer Erwägung und Erkundigung sehr zweifelhaft geworden, ob es für Dich gerathen sein kann, irgend welche Schritte zu thun. Wenn Du die Verhältnisse der hiesigen Garnison nicht angenehm und auf die Dauer unleidlich findest, so würde es Dich bitter gereuen, durch Dein Ansuchen hierher versetzt worden zu sein und Du könntest in solchem Fall nicht noch einmal um eine Versetzung einkommen. So angenehm es wohl für Dich und für uns sein würde, wenn Du beständig in unserer Nähe wärest, so scheint es doch für Dein Fortkommen überhaupt anderseits vielmehr erwünscht, daß Du nicht zu lange, gerade in Deinen Bildungsjahren, immer nur in demselben Kreise, gleichsam wie zu Hause, verweilst, sondern Dich auch an anderen Orten in andere Zustände und Menschen einlebst und zu finden verstehst. Drum werde ich meinerseits keinen Schritt thun, um Deine Versetzung hierher zu befördern, um nicht die spätere Verantwortung dafür zu tragen. Das Richtige und die Hauptsache ist, sich in dem gewählten Lebensberuf tüchtig zu machen und zu erweisen, dann aber ruhig den äußeren Ruf abzuwarten, wie und wo man uns gebrauchen will. Man nimmt dann das Angenehme wie das Unangenehme gleichwie ein nothwendiges Schicksal an, von dem man sich wo möglich die beste Seite heraussucht, um darin zufrieden zu sein. So habe ich es selbst in meiner Lebenslaufbahn gehalten und bin jederzeit gut damit gefahren. Ich glaube, Du wirst gut thun es ebenso zu machen. Für jetzt gilt es, Deine besten Kräfte für das nächstliegende Ziel anzustrengen, und dann wird Gott weiter helfen, wie es zu Deinem Besten dient.

Sophiechen hat ihren Brief an Dich schon abgeschickt. Grüße Deine Schwester Anna, deren lieben Brief2 ich heute erhalten habe.

Dein
getreuer Vater.