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Karl Hegel an Georg Hegel, Erlangen, 29. November 1893

Mein Sohn Georg!

Deinem eifrigen Bestreben, Deine Compagnie zu einer musterhaften herauszubilden, wird es sicher gelingen. Du hast Dir als Compagnieführer schon einen guten Namen gemacht. Ich habe nur wenig Fühlung mit den hiesigen Offizieren, da man sie selten in unserem Kreise sieht. Major Born und Frau, erst kürzlich hierher gekommen, machten uns einen Besuch. Wir trafen sie am letzten Sonntag bei einem Mittagessen, das Hellwigs gaben. Auch die Majore Roth und Furtenbach waren dabei; letzterer ist unverheiratet. Von Professoren waren anwesend Zahn mit Frau, Strümpell mit Frau, Flasch und Rehm, der Landwehroffizier, ein angenehmer Mann, der neben mir saß. Außerdem fanden sich ein der Buchhändler Menke mit Frau und ein neu angekommener Dr. und Apotheker und Frau; im ganzen eine gemischte Gesellschaft, die sich aber ganz gut unter sich vertrug.

Am Sonntag vorher waren wir zu dem offiziellen Diner des Prorectors v. Bezold geladen; natürlich waren nur Professoren und deren Frauen zugegen.

Ich gehe zu meiner Zerstreuung öfter des Abends zwischen 7 – 8 Uhr aus, heute in den Wallfisch, wo ich den Geheimrat von Frank, die Professoren Claß und Seeberg und den Oberbibliothekar Zucker finde, außerdem in die bekannte Bierwirtschaft von Wolfgang Schmid, wo die Professoren jetzt ein eigenes Zimmer haben: Reeß, v. Bezold, Flasch sind Stammgäste.

Auch Concert und Theater wurden von uns besucht, ein Symphonieconcert der Nürnberger vormals Wintersteinschen Capelle und das Sudermannsche Stück Heimat, das Du in Bamberg gesehen: erneut gut gespielt, das Stück aber ließ doch einen unterschiedlichen Eindruck zurück. Die Gegensätze von Vater und Tochter sind zu stark aufgetragen; die Tochter verscherzt alle gewonnene Sympathie am Schluß.

Du siehst, daß es mir gut genug geht, da ich so viel unternehme. Marie ist wohl und grüßt Dich; wenn sie etwas auf Deine Weihnachtsanfrage von Luise hört, wird sie Dir schreiben. Luise, Anna und Sigmund gaben gute Nachrichten; ungewöhnliches ist bei ihnen nicht vorgekommen.

Sei herzlich gegrüßt von Deinem
Vater Hegel