ich kann Dir nicht sagen, wie sehr mich der glückliche Ausgang Deiner Angelegenheit erfreut2; ich bin überzeugt, daß ich nicht allein einem Freund einen Dienst erwiesen, sondern auch der Universität genützt habe; und wie schön, daß wir nun wieder in gemeinschaftlichem Streben zusammen halten können. Meine Frau erwidert freundlichst Deinen Gruß, und freut sich herzlich auf Dein Herkommen. Das Beste wird seyn, daß Du Dich im Laufe des Sommers zu uns begiebst, und einmal das Terrain Deiner künftigen Wirksamkeit recognoscirst; eine Schlafkammer und gastfreundliche Bewirthung findest Du bei uns. Hoffentlich ist die Sache zu Pfingsten3 formell geordnet; und dann möchte ein Besuch in den Feiertagen Dir angenehm seyn. – Schultze hat nämlich Recht, daß Boths Anfrage thatsächlich ein urkundlicher Ruf war; allein formell wird derselbe erst erfolgen, nachdem die Regierung4 auf Boths Bericht wegen Deiner Annahme rescribirt hat, was ehestens geschehen wird. Dann geht, und zwar umgehends, die urkundliche Berufung an Dich ab5, und die Sache ist damit auch äußerlich officiell arrangirt. Deine Bestallung wird Dir erst Michaelis bei Deinem Amtsantritt eingehändigt. Bis zu einer weiteren Mittheilung von Both kannst Du daher die Sache geheim halten; später wird sie sich auch ohne Dein Zuthun herumsprechen.6 Eine öffentliche Bekanntmachung | Deiner Anstellung von Seiten der Regierung wird wohl nicht sofort erfolgen; das hängt zu Theil von der Expedition in der Regierungsregistratur ab. – Was Deine übrigen Anfragen betrifft, so wirst Du Dir die nöthige Auskunft am Besten an Ort und Stelle holen. Ich bemerke Dir nur, daß für die Bibliothek jetzt verhältnißmäßig gut gesorgt ist, und daß man auch auf Deine Wünsche Rücksicht nehmen wird, so weit es thunlich ist. Dein Specialcollege Türk ist in der Bibliothekscommißion. Er ist ein wackerer und gelehrter Mann, aber ein Sonderling, der seine Kraft in speciellen Untersuchungen aufreibt, und als Docent durchaus keinen Wirkungskreis sich zu verschaffen weiß. Daher steht Dir das ganze Feld der Geschichte offen. Türk hat für diesen Sommer Deutsche Geschichte angekündigt; daher ist es ganz passend, daß Du sie im Winter liest. Statutenmäßig hast Du 10. Stunden zu lesen; doch wird darauf in der ersten Zeit nicht strenge gesehen werden. Oeffentliche Vorlesungen sind hier nicht sehr gebräuchlich und auch nicht nothwendig. Doch wird es gut seyn, wenn Du neben der Deutschen Geschichte ein kleineres Collegium liest; kannst Du nicht die angedeuteten publica in eine Vorlesung zusammenziehen. – eine Art Literärgeschichte der Politik in ihren Spitzen geben? Doch über alles dieses später ein Mehres. – Vor Ende oder Mitte Juli wird der Wintercatalog nicht geordnet.7
Soviel über die Geschäftlichkeiten; weiteren Anfragen von Deiner Seite sehe ich entgegen, und bin natürlich zu allen Aufschlüßen und Diensten bereit. – Dein Brief erwartete mich hier; ich bin erst vor wenigen Tagen glücklich und gesund mit den Meinigen zurückgekehrt. Viel Liebe habe ich in der Heimath8 gefunden; selbst meine früheren Gegner9 zeigten mir ein | achtungsvolles Entgegenkommen, das ich aber eben nicht begünstigt habe. Allgemein dankte man mir für die Herausgabe von Lornsen’s Werk10. Es machte einen tiefen, nachhaltigen Eindruck, und kaum ein bedeutenderer Mann studirte es nicht. Dem Volke ist dadurch Stoff zum Nachdenken und eine tüchtige Waffe gegeben; das Andenken des Verstorbenen aber glänzend bewahrt. Denn Du mußt wißen, daß er in seinem Leben ein großartig wirkender Mann war, der der ganzen freiheitlichen Entwicklung der dortigen Verhältniße eine neue Wendung gegeben hat. Manches aus den Beilagen, namentlich die zweite, wird Dir auch Bewunderung abgewinnen11.
Du Armer hast einen herben Verlust erlitten. Rechte und rechne nicht mit der Vorsehung; keine Grübelei über das Unvermeidliche, sondern nur eine edle Resignation führt zur Versöhnung. Daß sie uns nicht zu schwer werde, dafür gab Gott uns Thatkraft und Thränen.
Schreibe mir bald wieder, lieber Hegel, damit wir den uns so schön wie[…]12 Vereinigung schon im vorläufigen Austausch der Gedanken genießen ko[…]13.
Namentlich wünsche ich von Gervinus Leben und Stellung zu hören. – Lieb ist es mir natürlich, daß mein Name in Berlin einen guten Klang hat. Dorthin muß ich einmal; erst dann habe ich das: δο/φ μοι ποῦ στῶ14; ob etwas früher oder später, macht freilich nichts aus. Vorläufig fühle ich mich sehr wohl hier.
1
Ort und Datum in dieser Form auf der letzten Briefseite, linksbündig.
2Gemeint ist die Berufung Karl Hegels (1813-1901) als Extraordinarius für Geschichte an die Universität Rostock im Jahr 1841. Vgl. dazu
Kreis, Geschichtswissenschaftliche Bedeutung, S. 97-103. Hegel selbst schrieb darüber auch in seinen Memoiren und in seinem Gedenkbuch. Vgl. dazu
Hegel, Leben und Erinnerungen, S. 110 f., sowie
Neuhaus, Karl Hegels Gedenkbuch, S. 144-146. 330./31. Mai 1841. 4Hier ist die großherzogliche Regierung Mecklenburg-Schwerins gemeint. 5Dies erfolgte am 26. Mai 1841. Vgl. dazu
Kreis, Geschichtswissenschaftliche Bedeutung, S. 97.6Für dies sorgte nach Hegels „Bestallung“ auch Georg Beseler (1809-1888) selbst, der darüber am 26. September 1841 in einem Brief an Friedrich Christoph Dahlmann schrieb. 7Zu Hegels Vorlesungstätigkeit an der Universität Rostock vgl. einführend
Kreis, Geschichtswissenschaftliche Bedeutung, S. 99 ff.8Georg Beseler wurde 1809 in Rödemis bei Husum geboren. Vgl. dazu DB . 9Vgl. dazu Kern, Beseler, vornehmlich S. 29-34.10Georg Beseler gab 1841 das Werk Lornsens über „Die Unions-Verfassung Dänemarks und Schleswig-Holsteins; eine geschichtlich staatsrechtliche und politische Erörterung“, Jena 1841, heraus. 11Zu den hier genannten Beilagen nebst Anhang vgl. ebd., S. 85 ff. Die erwähnte Beilage Nr. 2 ist die umfangreiche Abhandlung über „Darlegung der geschichtlichen Thatsachen, auf welchen das Staatsrecht Schleswigholsteins beruht“ (wie ebd., speziell S. 91-270). 12Fragmentarische Stelle durch Papierverlust. 13Fragmentarische Stelle durch Papierverlust, vermutlich: können. 14Altgriechische Sentenz, bezogen auf die Fähigkeit, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.
Beseler, Georg Karl ChristophGeorg Beseler11851019318091888Beseler, Georg (1809–1888), Jurist und preußischer Politiker, war in der Heidelberger Studienzeit neben Georg Gottfried Gervinus (1805–1871) einer der beiden engsten Freunde Karl Hegels (1813–1901). Er wurde ordentlicher Professor der Rechtswissenschaft an den Universitäten Rostock, Greifswald und Berlin.
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Rostock54.0886707,12.1400211Hansestadt an der Ostseeküste des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin mit der 1419 gegründeten ältesten Universität im Ostseeraum.
Privatbesitz
.
Privatbesitz1000
Kreis
, Marion: Karl Hegel. Geschichtswissenschaftliche Bedeutung und wissenschaftsgeschichtlicher Standort (= Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 84), Göttingen, Bristol, CT, USA 2012.
Kreis
, Geschichtswissenschaftliche Bedeutung
2012
Hegel
, Karl: Leben und Erinnerungen. Mit einem Portrait in Heliogravüre, Leipzig 1900.
Hegel
, Leben und Erinnerungen
1900
Neuhaus
, Helmut (Hg.): Karl Hegels Gedenkbuch. Lebenschronik eines Gelehrten des 19. Jahrhunderts, Köln, Weimar, Wien 2013.
Neuhaus
, Karl Hegels Gedenkbuch
2013
Kern
, Bernd-Rüdiger: Georg Beseler. Leben und Werk, Berlin 1982.
Kern
, Beseler.
1982
Schulze, JohannesJohannes Schulze11886028317861869Schulze, Johannes (1786–1869), in Mecklenburg geborener evangelischer Theologe, Philologe, Gymnasiallehrer und Bildungspolitiker, ab 1818 Beamter – zuletzt Wirklicher Geheimer Oberregierungs- und Vortragender Rat – im preußischen Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten mit Zuständigkeiten für das höhere Schulwesen, die Universitäten, Akademien, Bibliotheken und öffentlichen Sammlungen.
Both, Carl FriedrichUniversitätsvizekanzler Carl Friedrich Both11626738017891875Both, Carl Friedrich (1789–1875), in der mecklenburgischen Hansestadt Demmin geborener Jurist und Historiker, der nach seinem Geschichts- und Literaturstudium an der Universität Heidelberg und seinem Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Rostock in den Justiz- und Verwaltungsdienst des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin ging. Von 1820 bis 1848 war er Regierungsbevollmächtigter für die Universität Rostock, von 1836 bis 1870 ihr Vizekanzler.
Türk, Karl Friedrich Johann ImmanuelKarl Türk11743810318001887Türk, Karl Friedrich Johann Immanuel (1800–1887), im etwa 100 Kilometer südwestlich von Rostock und etwa 40 Kilometer südöstlich von Schwerin gelegenen Muchow geborener Jurist, Historiker und Politiker, der von 1818 bis 1822 an den Universitäten Breslau, Bonn und Rostock studierte, dort 1822 zum Dr. phil. promoviert wurde und sich im Jahre 1824 dort auch habilitierte. Von 1826 bis 1836 war er an der Rostocker Juristischen Fakultät außerordentlicher Professor der Rechtswissenschaft, von 1836 bis 1852 an der dortigen Philosophischen Fakultät ordentlicher Professor der Geschichtswissenschaft. Eintretend für eine deutsche Republik, war er von 1847 bis 1849 Redakteur der „Mecklenburgischen Blätter“ und wurde in der 1848er-Revolution in Rostock zum wichtigsten Vertreter der „Demokraten“, als welcher er ab 1850 auch der Abgeordnetenkammer des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin angehörte. Im Jahre 1852 wurde er aus dem Universitätsdienst entlassen und infolge des Rostocker Hochverratsprozesses 1856 als Mittäter zu einer einjährigen Festungshaft verurteilt.
Lornsen, Uwe JensUwe Jens Lornsen11903467017931838Lornsen, Uwe Jens (1793–1838), stammte aus Sylt, war Jurist und Beamter der dänischen Regierung; er wurde zum Vorkämpfer für ein vereintes, unabhängiges Schleswig-Holstein vornehmlich durch seine 1830 in Kiel erschienene Publikation „Ueber das Verfassungswerk in Schleswigholstein“; nach seiner Amtsenthebung und einer Festungshaft wurde er Seefahrer und ging für eine gewissen Zeit nach Rio de Janeiro. Er starb 1838 in der Nähe des Genfersees.
Gervinus (Gervin), Georg Gottfried jun.Georg Gottfried Gervinus11853891818051871Gervinus, Georg Gottfried jun. (1805–1871), deutscher Historiker, Literaturhistoriker und Politiker, Sohn von Georg Gottfried Gervinus sen. (1765–1837) und seiner Ehefrau Anna Maria Magdalena Gervinus, geb. Schwarz (1772–1837). Er war Ehemann von Victorie Gervinus, geb. Schelver (1820–1893), 1835/1836 Professor der Geschichte und Literatur an der Universität Heidelberg, 1836/1837 an der Universität Göttingen (einer der „Göttinger Sieben“), 1844 Honorarprofessor an der Universität Heidelberg, 1848 Mitglied der Frankfurter Paulskirchen-Versammlung.
Tucher, Maria Helena Susanna, verh. HegelMaria Helena Susanna Tucher, verh. HegelMutter Karl Hegels11657082217911855Tucher, Maria Helena Susanna (1791–1855), Ehefrau des Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770–1831), Mutter Karl Hegels (1813–1901), Schwester Johann Sigmund Karl Tuchers (1794–1871), des Vaters Susanna Maria Hegels (1812–1878), Onkels und Schwiegervaters Karl Hegels, Gründer der Tucher-Brauerei in Nürnberg. Siehe auch: Hegel, Maria Helena Susanna.
Berlin52.5170365,13.3888599Hauptstadt des Königreichs Preußen und ab 1871 auch des Deutschen Reiches.
Seiner/Se./Sr./S. / Hochwohlgeboren / WohlgeborenAnrede (in dritter Person) für ein Mitglied des niedrigen Adelsstandes („Hochwohlgeboren“) sowie im 19. Jahrhundert auch zunehmend Anrede für Honoratioren aus dem Bürgertum („Wohlgeboren“).
Am Kupfergraben (Berlin)Uferstraße entlang des Kupfergrabens als eines Teilabschnitts des Spree-Kanals. Im – nach damaliger Zählung – Gebäude Nr. 4a wohnte der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831) mit seiner Familie, danach für einige Zeit auch noch seine Witwe.
Senat (Universität Rostock)Senat der Universität Rostock.
Michaelis (Michaeli)Michaelistag als Fest des heiligen Erzengels Michael und aller Engel nach römisch-katholischer, anglikanischer und teilweise auch protestantischer kirchlicher Tradition am 29. September.
RegierungsregistraturSchriftgutverwaltungsstelle und Behörde einer Landesregierung.
Universitätsbibliothek RostockAuf das 16. Jahrhundert zurückgehende sowie auf verschiedenen Beständen (bereits aus dem Mittelalter) basierende Bibliothek der Universität Rostock.
Lornsen's WerkVon Georg Beseler herausgegebenes Werk des Politikers und Seefahreres Uwe (Jens) Lornsen (1793-1838) über: „Die Unions-Verfassung Dänemarks und Schleswig-Holsteins; eine geschichtlich staatsrechtliche und politische Erörterung, Jena 1841“.
Geheimer Rat(h), Geheimer Rath, Geheimerrath, Geheimrat(h); auch: Geheimer OberrathVornehmlich auf die Zeit des Absolutismus zurückgehender Titel als Bezeichnung für ein Mitglied des Hof- oder Staatsrat als Beratungs- und Regierungsorgan eines Herrschers, welcher im 19. Jahrhundert zumeist als Ehrentitel in monarchischen Staaten gebraucht wurde.
Mehrere Registerverweise
Zitierempfehlung
Die wissenschaftliche Korrespondenz des Historikers Karl Hegel (1813-1901), bearbeitet von Helmut Neuhaus und Marion Kreis